Ermittler nennen Details zu Auto und Vernehmung des Verdächtigen: Was wir wissen – und was nicht

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36 Menschen wurden bei dem mutmaßlichen Anschlag in München verletzt. Auf einer Pressekonferenz nannte die Polizei Details zum Täter.

München – Ein Auto ist am Donnerstag, 13. Februar, in einen Demozug in München gefahren. Die Zahl der Verletzten ist mittlerweile auf 36 gestiegen, wie die Münchner Polizei am Freitag auf einer Pressekonferenz mitteilte.

Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen 24-jährigen Afghanen. Nach dem mutmaßlichen Anschlag beleuchten die Ermittler nun den Lebensweg des Verdächtigen in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft sieht nach seiner Vernehmung Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Bei der Suche nach dem Motiv gibt es jedoch noch Fragezeichen. Was bisher bekannt und was noch zu klären ist - ein Überblick:

Anschlag in München – Wer ist der Festgenommene?

Der Mann ist 24 Jahre alt und seit Ende 2016 in Deutschland. An seiner Identität gibt es bislang keinen Zweifel. Bekannt ist, dass sich der junge Mann zuvor in Italien aufgehalten hatte und einen Reisepass vorlegte, den Behörden als echt einschätzten. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland wurde bei dem damals 15-Jährigen nach dpa-Informationen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Das ist bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht selten. Die Ursachen dafür liegen oft in Erlebnissen im Herkunftsland - etwa Kriegsgeschehen - oder in den Umständen der Flucht. 

Auto in München in Menschengruppe gefahren
Gabriele Tilmann (l-r), Leitende Oberstaatsanwältin der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ZET, Guido Limmer, Polizeivizepräsident, Christian Huber, Polizeivizepräsident PP München, und Thomas Schelshorn, Pressesprecher PP München, geben eine Pressekonferenz. Am Vortag war ein Auto in eine Verdi-Demonstration gerast. ©  Britta Schultejans/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In den sozialen Medien zeigte er sich als Bodybuilder, der auch an Wettkämpfen teilnimmt. Dort teilte er auch islamische, religiöse Inhalte. Nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) hat der Verdächtige eine Schule besucht, eine Ausbildung gemacht und anschließend als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet.

Afghane steuert Auto in Menschenmenge – Wie lebte er in München?

Der 24-Jährige arbeitete laut Generalstaatsanwaltschaft bis zuletzt im Sicherheitsgewerbe, er wohnte in einer Mietwohnung. Die Wohnung im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in Solln war am Vortag durchsucht worden. Das Auto, mit dem er in die Menschenmenge fuhr, gehörte ihm. „Es ist auf ihn zugelassen“, sagte Guido Limmer, Vizepräsident des bayerischen Landeskriminalamtes. Zwar habe der Wagen ein Rosenheimer Kennzeichen. „Aber es schaut derzeit so aus, dass er das Kennzeichen übernommen hat.“

Nachbarn sagten, sie kannten ihn nicht. Vorbestraft war er nicht. In Bayern gab es nach Angaben der Behörden zwar ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs, weil er sich nach dem Ende seiner Arbeitslosigkeit wohl nicht rechtzeitig wieder abgemeldet hatte. Das Verfahren wurde eingestellt gegen eine Geldauflage.

Mann aus Afghanistan fährt mit Fahrzeug in Menschenmenge – Welchen Aufenthaltsstatus hatte er? 

Der junge Mann hatte nach Angaben von Joachim Herrmann einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. „Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig“, so der CSU-Politiker. Nach Angaben der Polizei verfügte er über eine sogenannte Fiktionsbescheinigung als Übergang zwischen zwei gültigen Aufenthaltsgenehmigungen. 

Die Ermittler berichteten außerdem, dass der 24-Jährige nach neuesten Erkenntnissen – und entgegen erster Informationen vom Donnerstag – nicht wegen Ladendiebstählen und Drogendelikten auffällig geworden war. Stattdessen habe seine Tätigkeit als Ladendetektiv zu dem Missverständnis geführt. Nach Polizeiangaben war er in entsprechenden Verfahren Zeuge gewesen und hatte selbst Anzeigen erstattet.

Der Verdächtige beantragte nach Herrmanns Angaben Asyl, was jedoch abgelehnt wurde. Mit einer anschließenden Klage scheiterte er vor Gericht. 2020 wurde sein Asylverfahren endgültig abgeschlossen – mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München habe dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid erlassen und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis, heißt es. 

Polizei-Vizepräsident Christian Huber sagte auf der Pressekonferenz, der Tatverdächtige habe sich am Tag vorher via Chatnachricht von Angehörigen verabschiedet und geschrieben: „Eventuell werde ich morgen nicht mehr da sein“. Ein Arbeitskollege des Afghanen habe zudem ausgesagt, er sei „etwas durch den Wind gewesen“. Von psychischen Problemen beim Täter gehe man nicht aus.

Anschlag in München – Was ist über ein mögliches Motiv bekannt? 

Das, was der Tatverdächtige nach seiner Festnahme sagte, „lässt auf eine religiöse Tatmotivation schließen“, sagte Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann bei der Pressekonferenz am Freitag. Er habe nach seiner Festnahme „Allahu akbar“ (Gott ist groß) gesagt und gebetet. Als Anhaltspunkte für eine islamistische Motivation nannte Tilmann auch, dass er in einer Vernehmung eingeräumt habe, den Wagen absichtlich in das Ende des Verdi-Demonstrationszugs gesteuert zu haben. Die Aussagen deuteten auf eine religiöse Motivation hin, sagte Tilmann. Details zu den Äußerungen während der Vernehmung wollte sie nicht nennen.

Die Ermittlungen stünden zwar noch am Anfang, betonte Tilmann. Sie traue sich aber, nach derzeitigem Stand von der Annahme eines islamistischen Hintergrunds zu sprechen. Hinweise auf einen Zusammenhang mit der laufenden Münchner Sicherheitskonferenz gebe es laut Herrmann nicht. „Im Moment gehen wir in der Tat davon aus, dass die Zielgruppe hier, dass die Opfer aus den Reihen dieser Verdi-Demonstration eher zufällig waren“, sagt er. „Aber auch dem muss natürlich nachgegangen werden.“

Mutmaßlicher Auto-Anschlag in München – War der Mann als potenzieller Extremist bekannt?

Nein. Der Verdächtige sei laut Ministerpräsident Markus Söder „wohl bislang eher unauffällig“ gewesen. Aus Sicherheitskreisen heißt es, auch ein Blick auf das Umfeld des jungen Mannes habe bisher keine Kontakte zu islamistischen Kreisen ergeben. Er war religiös, betete, ging regelmäßig in eine Moschee, die laut Staatsanwaltschaft nicht für extremistische Prediger bekannt ist. Dass sich der junge Afghane als Bodybuilder leicht bekleidet in sozialen Medien zeigte, spricht eher gegen ein geschlossenes islamistisches Weltbild.

Die Ermittler gehen zunächst nicht von einer psychischen Erkrankung des Verdächtigen aus. Es gebe bei dem 24-Jährigen bislang keine Anhaltspunkte auf psychische Probleme, die Auswirkungen auf die Tat gehabt haben könnten, sagte Tilmann weiter. Deshalb werde auch nicht beantragt, den Mann vorläufig in der psychiatrischen Unterbringung aufzunehmen. Die Generalstaatsanwaltschaft will Haftbefehl wegen versuchten Mordes in 36 Fällen beantragen. Entschieden werde über eine Untersuchungshaft im Laufe des Tages ein Ermittlungsrichter, teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft mit. (kam/dpa)

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