Bis zu 2000 Euro gespart: Der Boom bei gebrauchten Solaranlagen
Warum derzeit viele Menschen darüber nachdenken, mit gebrauchten Solarmodulen ins Zeitalter erneuerbarer Energien zu starten, erklärt ein Youtube-Video. „Überlegt euch, was ihr für 200-Watt-Paneele bezahlt“, sagt Youtuber Bobby, während er Auto fährt. Im Handel kosten diese 90 Euro oder mehr. „Für die, die ich jetzt kaufe, zahle ich 33 Euro. Das ist das Thema.“
Der Nachteil an Bobbys Modulen: Sie sind zwölf Jahre alt. Neu leisteten sie 240 Watt. Bobby hofft, aus ihnen noch 200 Watt herauszuholen. Dann macht er mit ihnen ein Schnäppchen.
Beim Verkäufer angekommen, schließt Bobby die Paneele an eine Powerstation an und dreht sie Richtung Sonne. Das Display zeigt 214 Watt Ladeleistung. Rund 90 Prozent des Neuwerts, beim Test an einer Garagenmauer, unter Nicht-Idealbedingungen im April. „Boah", sagt Bobby. „Das ist Wahnsinn.“
Solarpanels sind wie Autos
Bobbys Beispiel verdeutlicht einen Spareffekt gebrauchter Solarmodule, auf den immer mehr Haushalte hoffen. Nehmen wir an, ein Haushalt installiert eine Anlage mit 10.000 Watt Maximalleistung. Mit Modulen, wie Bobby sie kaufte, spart er rund 1000 bis 2000 Euro im Vergleich zu Neuware, erhält aber fast die gleiche Leistung.
Kauft der Haushalt auch den Wechselrichter gebraucht, steigt die Ersparnis. Eine gebrauchte Anlage senkt die Materialkosten also deutlich. Im Gegenzug erhält der Haushalt eine Anlage, die noch viel Lebenszeit vor sich hat. Das Umweltbundesamt rechnet mit 25 bis 30 Jahren Laufzeit für Solarpaneele. Und: Die staatliche Förderbank KfW bezuschusst gebrauchte Solaranlagen genauso wie neue.
Wer keine zwölf Jahre alten Paneele kaufen will, findet auch jüngere Angebote. Weil auf immer mehr Dächern Solaranlagen arbeiten, wächst auch der Gebrauchtmarkt. Gebrauchte Module verhalten sich wie Autos, sagt Luisa Schulze vom Händler Bettersol. Gerade junge Gebrauchte seien oft deutlich günstiger, aber kaum schlechter als neue Modelle. Das lohne sich.
Nachteil: Kürzere Lebensdauer, mehr Handwerkerkosten
Stefan Wippich, Geschäftsführer bei Secondsol, sieht das anders. Auch er verkauft Solaranlagen, allerdings neue und gebrauchte Modelle. Für Haushalte sagt er: „Aus meiner persönlichen Sicht macht es derzeit keinen Sinn, eine Anlage mit gebrauchten Modulen zu bauen.“ Deren Markt sieht er eher im Do-it-Yourself-Bereich: Camper, Garten, Basteleien.
Neue Solarzellen seien inzwischen so günstig, dass sich die Ersparnis gebrauchter Modelle kaum lohne, sagt Wippich.
- Einerseits machen die Handwerkerkosten einen Großteil der Kosten einer neuen Anlage aus. Gebrauchte Module halten weniger lang, also müssen die Handwerker früher wieder ran. Das frisst zumindest einen Teil der Ersparnis auf. Wie viel, hängt davon ab, wie sich die Handwerkerpreise entwickeln.
- Gebrauchte Module leisten weniger als neue. Haushalte brauchen also eine größere Anlage. Dadurch steigen die Kosten für Hersteller, Verkabelung und Versicherung. Auch das frisst zumindest einen Teil der Ersparnis.
- Idealerweise paaren Käufer gebrauchte Paneele mit einem gebrauchten Wechselrichter. Doch das ist schwierig, sagt Wippich: „Geräte, die häufig einer direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt waren, in schlecht belüfteten Räumen hingen oder bei schlechter Leistungsverteilung betrieben wurden, sind anders zu bewerten als Wechselrichter, die den Herstellervorgaben entsprechend installiert waren.“ Weil Kunden das gebrauchten Geräten nicht ansehen und Tests weniger eindeutige Ergebnisse liefern als bei Paneelen, bleibt ein größeres Risiko.
- Gut testen lassen sich hingegen die Leistungen gebrauchter Speicher. Kombinieren Haushalte diese mit gebrauchten Anlagen, erhöhen sie die Ersparnis.
- Ein Nachteil bleibt auch die Beratung. Im Gegensatz zu gebrauchten Autos gibt es viel mehr Solarmodelle. Kein Händler kennt alle. Wahrscheinlich müssen sich Käufer also selbst über Erfahrungen mit gebrauchten Modulen informieren.
Händler bieten getestete Gebrauchte
Ob mit gebrauchten Modulen eine Einsparung übrigbleibt, sei also unsicher, folgert Wippich. „Es sei denn, man kriegt die Produkte wirklich mehr oder minder geschenkt, die Produkte sind trotz des gebrauchten Zustands relativ neuwertig, haben eine nachgewiesene Historie und einen Prüfbericht, aufgrund ihres Alters noch eine relativ lange Restlaufzeit und man ist gegebenenfalls selbst fachkundig und kann die Anlage dadurch sehr kostengünstig installieren.“ Viele Bedingungen also.
Anbieter wie Bettersol und Secondsol wollen diese Lücke schließen. Echte Bastler kaufen ihre Anlagen über Kleinanzeigen in Internet und Zeitung. Spezialisierte Händler wollen dem ein professionelles Angebot entgegensetzen. Getestete Solaranlagen, mit einer Garantie von bis zu fünf Jahren und bezifferter Restleistung, sollen viele Probleme ausschließen, die Wippich anspricht. Vor allem müssen Käufer die Paneele nicht selbst testen, wie Bobby.
Am ehesten, da sind sich die Experten weitgehend einig, lohnen sich Gebrauchte, wenn sie weniger als die Hälfte neuer Module kosten, aber mindestens 90 Prozent ihrer Originalleistung erbringen. Andernfalls sei die Ersparnis zu gering.
Hauptzielgruppe: Mieter, Bastler, Sonderfälle
Bobby jedenfalls hat seine Paneele gekauft. Den Aufwand – Reinigung, Anschluss, ins Thema einlesen – betreibt er auch aus einem Grund, den viele Menschen in Deutschland teilen: Er wohnt zur Miete. Er darf das Dach nicht umbauen. Große Investitionen lohnen sich auch nicht für Mieter, die nicht sicher den Rest ihres Lebens in der Wohnung bleiben. Wollen sie mit der wichtigsten Energiequelle der Zukunft nachhaltigen Strom erzeugen oder Geld sparen, machen daher gebrauchte Anlagen eher Sinn als für Eigenheime.
Bobby betreibt einige große Verbraucher über Solar. Ein gebrauchtes Klimagerät für den Sommer, ein Heizlüfter für den Winter. Das hilft viel, erfordert aber keinen Mega-Umbau. Ebenfalls lohnen können sich gebrauchte Module unter folgenden Bedingungen:
- Originalgetreuer Ausbau: Erweitert ein Haushalt seine Solaranlage, etwa um auch ein Elektroauto zu laden oder mehr Nachwuchs zu versorgen, kann er mit gebrauchten Modellen idealerweise die gleichen Modelle verbauen wie bereits installiert. Damit bringt er seine gesamte Anlage auf einen einheitlichen Stand und muss die Handwerker für den nächsten Austausch nur einmal bestellen statt in zwei Etappen.
- Reparaturen: Schäden bei Solaranlagen sind selten. Geht ein Modul dennoch einmal kaputt, finden Anlagenbetreiber mit gebrauchten Paneelen gleichwertigen Ersatz statt einen Flickenteppich anzustrengen.
- Bastler/Sonderfälle: Wer einen Mähroboter oder eine Gartenhütte mit Strom versorgen will, einen Kühlschrank auf der Terrasse oder einen Elektrozaun um die Kuhweide, braucht nicht unbedingt eine teure, langlebige Anlage. Auch wer die Batterie in seinen Campervan mit Sonnenkraft laden will, plant eher keine Anschaffung für die nächsten 20 Jahre. Günstige Gebrauchte senken die Einstiegshürde.
- Auszug/Abriss steht an: Wer ohnehin keine 30 Jahre mehr in seinem Haus lebt, braucht nicht unbedingt eine neue Solaranlage. Gebrauchte Paneele liefern ebenfalls nachhaltigen Strom, rechnen sich für diese Haushalte aber eher als neue Anlage, die mehr Lebenszeit liefern, als sie brauchen.
Der Umwelt helfen gebrauchte Solaranlagen in jedem Fall: Wer seinen Campervan mit mit einige Jahre alten Modulen ausrüstet, verursacht weniger Abfall, als jemand, der neu kauft und die Module nach fünf Jahren wegwirft. Langfristig, auch da sind sich Experten einig, braucht Deutschland daher einen funktionierenden Solar-Gebrauchtmarkt. Ob die Zeit dafür schon gekommen ist, müssen Kunden selbst entscheiden.
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