D-Day in der Normandie – Scholz als dritter Bundeskanzler zu Gedenktag eingeladen
Deutschland pflegt eine andere Erinnerungskultur als die ehemaligen Alliierten. Deswegen nimmt Scholz erst als dritter Kanzler am D-Day-Gedenken teil.
Omaha Beach – 25 Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Monarchen sind nach Frankreich gereist, um den diesjährigen Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 beizuwohnen. Olaf Scholz ist einer von ihnen, aber erst der dritte deutsche Regierungschef, der eingeladen wurde. Es begann 2004 mit seinem mittlerweile in Ungnade gefallenen SPD-Parteigenossen Gerhard Schröder, der am 60. Jahrestag des D-Day eine symbolische Umarmung mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac austauschte.
„Wir in Deutschland wissen, wer den Krieg verbrochen hat“, sagte Schröder damals in seiner Rede. „Wir kennen unsere Verantwortung vor der Geschichte“, fuhr er fort, „und wir nehmen sie ernst.“ Seine Worte erfassen die Essenz der deutschen Einstellung zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg, das vom Nie-Wieder geprägt ist.
Olaf Scholz gedenkt als dritter Kanzler in der Normandie dem D-Day
Auch in diesem Jahr marschierten Darsteller, die die amphibische Landung nachstellten, über französische Strände. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sprangen schon am Mittwoch etwa 320 britische, belgische und US-amerikanische Fallschirmjäger über der Normandie ab, um an die Männer zu erinnern, die am 6. Juni 1944 hinter den deutschen Linien gelandet waren. Diese Form des uniformierten Gedenkens ist in Deutschland undenkbar. Nicht zuletzt, weil Uniformen hierzulande mit dem Militarismus eines preußischen Deutschlands, das den Ersten Weltkrieg mitverantwortete, und eines Nazi-Deutschlands, das den Zweiten Weltkrieg verschuldete, identifiziert werden.

Warum Deutsche erst so spät an den Feierlichkeiten in der Normandie teilnahmen und den 6. Juni erst recht nicht in der Heimat feierten, hat aber einen weiteren Grund. Bundeskanzler Helmut Kohl sagte über den 40. D-Day-Jahrestag 1984, zu dem er nicht eingeladen worden war: „Es ist für den deutschen Bundeskanzler kein Grund zum Feiern, wenn andere ihren Sieg in einer Schlacht begehen, in der zehntausende Deutsche elend umgekommen sind.“
Ein feierliches Gedenken war den Deutschen lange Zeit nicht möglich
Kohl sei „eng verbunden mit der Kriegsgeneration“ gewesen, ordnet der Militärhistoriker Peter Lieb gegenüber der Deutschen Welle ein. Für die Kriegsteilnehmer, von denen in den 1980er-Jahren noch viele gelebt hätten, wäre es „undenkbar gewesen, dass sie gemeinsam mit amerikanischen, britischen, französischen Soldaten feiern“, so Lieb weiter. Man sollte allerdings erwähnen, dass 1984 überhaupt der erste Jahrestag der Landung war, zu dem Frankreich internationale Staatschefs, darunter den US-Präsidenten Ronald Reagan und die englische Königin Elisabeth II., einlud.

Charles de Gaulle hatte sich als französischer Präsident zum Beispiel stets geweigert, den Gedenkveranstaltungen zum D-Day beizuwohnen, obwohl sie in den 1960er-Jahren noch eine weitgehend nationale Angelegenheit waren. Der Kriegsveteran war der Meinung, so der französische Historiker Denis Peschanski gegenüber France24, dass er von den Alliierten im Hinblick auf die Landung unangemessen behandelt worden sei, da sie ihn weder an deren Planung noch an der Umsetzung beteiligt hätten.
Meine news
Mittlerweile ist Deutschland aus der internationalen Erinnerung an den 6. Juni 1944 nicht mehr wegzudenken. Indem man den D-Day als Anfang vom Ende der Nazi-Diktatur betrachtet, wird er gleichzeitig zu einem Ursprungsmoment für die deutsche Nachkriegs-Demokratie, die wohl die wichtigste Errungenschaft Deutschlands im 20. Jahrhundert ist.
D-Day-Gedenken 2014 brachte Wladimir Putin und Petro Poroschenko zusammen
Neben Schröder war mit Wladimir Putin 2004 auch erstmals ein russischer Regierungschef bei den D-Day-Feierlichkeiten dabei. 2014 wurde er wieder eingeladen, obwohl Russland kurz zuvor die Krim annektiert hatte und die mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gelangten „grünen Männchen“ in der Ukraine eingefallen waren. Angela Merkel und der damalige französische Präsident François Hollande hielten es vor diesem Hintergrund für eine gute Idee, Putin im Rahmen des Gedenkens in der Normandie mit seinem ukrainischen Gegenüber Petro Poroschenko zusammenbringen.
So erblickte das Normandie-Format aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine das Licht der Welt. In diesem Forum wollten die beiden EU-Führungsstaaten auf eine diplomatische Lösung des Konflikts in der Ostukraine hinarbeiten. Zum bisher letzten Mal traf man sich im Februar 2022 – wenige Tage vor dem Einmarsch Russlands in sein Nachbarland, der den Ukraine-Krieg auslöste. Deswegen ist Putin dieses Jahr nicht dabei.