„Campus Tölz“-Investor im Interview: „Wir wollen die Lethargie durchbrechen“

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„Es wird von allen mehr Mut verlangt, weniger auf den Staat zu schauen“: Investor Hannspeter Schubert. © Tobias Huber

Bad Tölz verändert sich – unter anderem am nordöstlichen Ortsrand an der B13, wo der „Campus Tölz“ entsteht. Wer steckt hinter diesem Großprojekt und was treibt ihn an?

Bad Tölz - Zwei große Kräne am Ortseingang von Bad Tölz künden von der Entstehung eines Großprojekts, das etwas für die Region völlig Neuartiges darstellt: Die Bauarbeiten für den „Campus Tölz“ laufen. Im April wurde wie berichtet der erste Spatenstich gefeiert. Hier sollen sich neben einer Außenstelle der Hochschule München auch innovative Technologie-Unternehmen ansiedeln. Der Kopf hinter dem Projekt ist der in Holzkirchen ansässige Unternehmer Hannspeter Schubert. Für ihn, so erklärt er im Interview, handelt es sich um weit mehr als ein reines Immobilienprojekt. Er möchte für Aufbruchstimmung sorgen und eine Lücke im Oberland füllen.

Wer ist Dr. Hannspeter Schubert, der als Investor für den „Campus Tölz“ auftritt? Würden Sie sich für unsere Leser in ein paar Worten vorstellen?

Als ausgebildeter Wirtschaftsprüfer habe ich 20 Jahre lang eine Beteiligungsgesellschaft geführt, die zuletzt börsennotiert war. Dabei habe ich mehrere mittelständische technologie㈠orientierte Unternehmen restrukturiert und zu einem gemeinsamen Erfolg geführt. Ich bin also kein Immobilienentwickler, sondern unternehmerisch geprägt. Forschung und Entwicklung werden andererseits für Unternehmen zunehmend wichtiger, da sich die Märkte und die Technologien immer schneller verändern. Aus dieser Position heraus möchte ich mit dem „Campus Tölz“ gerne einen Ort schaffen, der sowohl von den Räumlichkeiten als auch vom Ansatz her einen Raum für Innovation und Technologie bietet.

Was hat Sie zu dem Projekt „Campus Tölz“ motiviert?

Zum einen habe ich ein Interesse an guter und zukunftsorientierter Unternehmensführung. Zum anderen ist es für mich auch ein Bekenntnis zum Standort Deutschland. Ich will ihn mit einer Investition unterstützen, weil ich sehe, dass man – auch in Bayern – auf private Initiative setzen muss, weil sonst nicht mehr viel vorangeht.

„Wir wollen einen städtebaulichen Akzent setzen“: Der „Campus Tölz“ soll am Ende aus vier Gebäuden bestehen.
„Wir wollen einen städtebaulichen Akzent setzen“: Der „Campus Tölz“ soll am Ende aus vier Gebäuden bestehen. © SMPL GBR MÜNCHEN

Der „Campus Tölz“ wird auch die Heimat des „Tizio“ werden, des Technologietransferzentrums der Hochschule München. Zuerst war aber Ihre Idee des Campus da, richtig?

Genau. Von mir ging die Vision aus, mit attraktiver Architektur auf einem Areal von 25 000 Quadratmetern etwas zu machen, was Akzente setzt. Es war aber auch von Anfang an klar, dass man Forschung und Entwicklung nicht ohne Wissenschaft betreiben kann, sondern dass man dafür auch vor Ort eine hochschulbasierte Zusammenarbeit benötigt. Wir haben deswegen mit verschiedenen Hochschulen gesprochen. Die Hochschule München war interessiert, sich im südlichen Landkreis Bad Tölz mit einem Technologietransferzentrum zu positionierten. Man muss dazu sagen, dass es am „Tizio“ keinen Hochschulbetrieb geben wird. Es geht hier vielmehr um die Einrichtung von Laboren, die das Wissen aus der Hochschule in die Region tragen sollen, und zwar durch konkrete, praktische Projekte in Zusammenarbeit mit der heimischen Wirtschaft.

Es handelt sich für mich nicht um ein Immobilienprojekt, sondern um ein Projekt zur Förderung von Innovation und Entwicklung.

Welchen Stellenwert hat das Projekt für Sie persönlich?

Es hat einen sehr hohen persönlichen Stellenwert – auch deshalb, weil es sich für mich nicht um ein Immobilienprojekt handelt, sondern um ein Projekt zur Förderung von Innovation und Unternehmensentwicklung. Es ist mir wichtig, attraktiven Unternehmen einen Standort zu geben und einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich technologieorientierte Unternehmen hier wohlfühlen und in einem kollaborativen Netzwerk wiederfinden. Ich würde mir wünschen, dass dieses Projekt als ein Impuls für das Oberland empfunden wird, zu einer Aufbruchsstimmung beiträgt und die allgemeine Lethargie, in die wir Gefahr laufen hineinzuschlittern, durchbricht.

Und warum gerade der Standort Bad Tölz?

Die Stadt Bad Tölz war interessiert, den Standort direkt neben dem Unternehmen SAM weiterzuentwickeln und attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist auch so, dass Bad Tölz in der Metropolregion München ein gewisses Vakuum darstellt, was Technologie und Innovation angeht. In Bad Tölz gibt es einen starken Gesundheits- und Bäderbereich, die Region ist stark handwerklich und touristisch geprägt, aber innovative, technologische Unternehmen sind noch unterrepräsentiert. Das Potenzial dafür ist aber da. Es ist eine sehr attraktive Gegend, es ist viel Know-how vorhanden. Dabei haben wir nicht nur Bad Tölz beziehungsweise den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im Blick, sondern die ganze Planungsregion 17, landläufig als Oberland bezeichnet.

Ist das Oberland auch Ihre Heimat?

Ich wohne seit 30 Jahren im Landkreis Miesbach, bin in Tegernsee in die Schule gegangen und der Region sehr verbunden.

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Aber ist der Standort Bad Tölz auch für Unternehmen interessant – oder wollen die nicht lieber in die Großstadt München?

Für Unternehmen sind Mitarbeiter das wichtigste Gut. In der Coronazeit haben wir – Stichwort: Homeoffice – gesehen, dass man vom täglichen Pendeln weggegangen ist. Das ist ineffizient, kostet viel Zeit – und ein Vergnügen ist es auch nicht, täglich nach München zu fahren. Deswegen halte ich es für eine gute Idee, in Bad Tölz Wohnen und Arbeiten zusammenzubringen. Die Gegend hat einen hohen Freizeitwert, und für junge Familien ist Bad Tölz vermutlich machbarer als zum Beispiel der Tegernsee. Ich glaube, dass Bad Tölz ein interessanter Standort ist. Hier laufen mehrere Projekte, zum Beispiel die Entwicklung des Moraltgeländes, diverse Hotelprojekte und die neue Straßenanbindung durch die Nordspange. Die umfassende Infrastruktur, die Sicherheit und Sauberkeit werden geschätzt. Ich wünsche mir, dass der „Campus Tölz“ auch von München aus gesehen wird, quasi als Garching des Südens.

In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft befindet sich die Firma SAM. Auch ein Standortvorteil?

Mit dem Unternehmen SAM haben wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis, und wir können uns vorstellen, gemeinsam ein Cluster im Bereich Luft- und Raumfahrt zu entwickeln. Luft- und Raumfahrt wird sicher ein spannendes Thema bleiben, zum Beispiel, was die Antriebstechnik angeht. Wir wollen das Thema gerne hier weiter etablieren.

Zwei weithin sichtbare Kräne künden vom Baubeginn für den „Campus“ Tölz an der B13. Die ersten Gebäude sollen 2025 bezugsfertig sein.
Zwei weithin sichtbare Kräne künden vom Baubeginn für den „Campus“ Tölz an der B13. Die ersten Gebäude sollen 2025 bezugsfertig sein. © Arndt Pröhl

Sie nennen auch Themen wie Künstliche Intelligenz, Robotik und nachhaltigen Tourismus als Schwerpunkte für die gewünschten Unternehmensansiedlungen.

Ein zukunftsweisendes Thema ist die Materialforschung, wie zum Beispiel hybride Materialien, Kompositmaterialien oder Materialien mit weiteren Funktionswerten. Das ist ein Bereich, der sich stark entwickelt und bei dem wir uns vorstellen können, dass entsprechende Beiträge auch durch die Hochschule München kommen. Gerne wollen wir Unternehmen begrüßen, die sich mit solchen Themen beschäftigen und eine überdurchschnittliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit leisten.

Auf der Homepage Ihres Unternehmens „Southern Blue“ schreiben Sie, dass Sie auf nachhaltige Entwicklung und wertebasierte Unternehmensethik setzen. Werden sich auch diese Kriterien auf dem „Campus Tölz“ wiederfinden?

Wir bauen nicht nur nachhaltig. Wir suchen auch Unternehmen, die eine gewisse Nachhaltigkeit ausstrahlen, konkreter formuliert: die umweltgerecht arbeiten, mit sozialer Verantwortung und einer bestimmten Führungskultur gegenüber den Mitarbeitern. Ich glaube, dass der Erfolg eines Unternehmens zu einem wesentlichen Anteil davon abhängt, wie es mit seinen Mitarbeitern und dem sozialen Umfeld umgeht, wie es kommuniziert und wie es auf Herausforderungen reagiert.

Werden Sie denn Unternehmen finden, die genauso ticken?

Wir bekommen sehr guten Zuspruch für den Campus. Aktuell sind wir mit Unternehmen im Gespräch und wollen sehen, wie wir einen interessanten Mix zwischen etablierten Unternehmen und Start-up-Unternehmen zusammenstellen können.

Ich wünsche mir, dass der „Campus Tölz“ auch von München aus gesehen wird, quasi als Garching des Südens. 

Setzen Sie auf Bewerber aus der Region – oder vielleicht sogar aus ganz Deutschland?

Das wird sehr unterschiedlich sein. Wir sehen, dass der Süden der Metropolregion München attraktiv ist und doch bislang unterrepräsentiert in puncto Technik und Innovation. Gleichzeitig sehen wir clusterspezifische Interessen, die wir auf Bad Tölz fokussieren wollen. Grundsätzlich sind wir offen und stehen allen Anfragen positiv gegenüber.

Aber Bedenken, dass Sie genügend passende Interessenten finden, haben Sie nicht?

Natürlich ist der „Campus Tölz“ ein Novum und kein klassisches Gewerbegebiet. Der Gedanke, an dem Standort Technologieunternehmen zu bündeln und daraus ein Netzwerk entstehen zu lassen, findet aber großen Zuspruch. Mit dem Interesse am Spatenstich und den bisherigen Gesprächen und Kontaktaufnahmen sind wir sehr zufrieden.

Wie ist der weitere Fahrplan für den Bau?

Der erste Bauabschnitt umfasst zwei Gebäude mit insgesamt 4000 Quadratmetern Fläche. Davon wird „Tizio“ der Hochschule München 650 Quadratmeter belegen. Wir planen die Inbetriebnahme der ersten beiden Gebäude für das zweite Halbjahr 2025. Danach werden wir die Erfahrungen und Bedürfnisse der Nutzer abgleichen und dann über weitere Bauabschnitte entscheiden. Ob mehr Büroentwicklung, mehr Werkstätten und Labore oder mehr Produktion gefragt sind, ist dann im Feintuning zu bestimmen, aber alles ist machbar. Wichtig ist nur, dass der Campus ein einheitliches architektonisches Bild abgibt. Insgesamt werden vier Gebäude, die durch entsprechende Außenanlagen arrondiert sind, den Campus bilden. Damit wollen wir auch einen städtebaulichen Akzent setzen.

Und wann soll alles zusammen fertig sein?

Das hängt vom individuellen Bedarf der Unternehmen ab. Langfristige Planungen sind schwierig. Wir wissen nicht, wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren aussehen. Eines steht aber fest: Am langen Ende werden viele Unternehmen auf schnelle, effiziente Forschung und Entwicklung setzen müssen. Auch die Regierung muss dieses Thema als oberste Priorität für den Standort Deutschland sehen, sonst verlieren wir den europäischen und internationalen Anschluss.

Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wird von allen mehr Mut verlangen, weniger auf den Staat zu schauen, sondern auf unternehmerisches Handeln. In schwierigen Zeiten sind staatliche Zuschüsse vielleicht hilfreich, aber entscheidend ist die Zuversicht. 

Die Rahmenbedingungen waren auch in den vergangenen Jahren alles andere als einfach. Gab es einen Punkt, an dem das ganze Projekt auf der Kippe stand?

Da gab es mehrere Momente. Der ganze Genehmigungsprozess war sehr mühsam, und auch die Verhandlungen mit öffentlichen Stellen, die für Bewilligungsbescheide für die Hochschule zuständig sind, gestalteten sich streckenweise länger als gedacht. Auch die Entwicklung der Baukosten hat uns vor Herausforderungen gestellt. Aber wir haben alles lösen können und sind jetzt sehr zuversichtlich, dass wir das Projekt in relativ kurzer Zeit umsetzen.

Bei den Feierlichkeiten zum ersten Spatenstich wurde in einigen Ansprachen Ihr Mut gelobt. Braucht man den in diesen Zeiten ganz besonders?

Natürlich sind eine Ambition und eine gewisse Weitsicht gefragt. Es wird aber generell so sein, dass die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung von allen viel mehr Mut verlangt, weniger auf den Staat zu schauen, sondern stattdessen auf ein unternehmerisches Handeln. In schwierigen Zeiten sind staatliche Zuschüsse vielleicht hilfreich, aber entscheidend ist die Zuversicht.

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