„Ein Unding“: Scharfe Kritik an Lauterbachs Klinik-Atlas

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Der sogenannte Klinik-Atlas von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht massiv in der Kritik. © Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Vor einigen Wochen stellte Karl Lauterbach den „Bundes-Klinik-Atlas“ vor, der Patienten die Orientierung im Krankenhaus-Dschungel erleichtern sollte. Er erntete einen Sturm der Kritik, jetzt wurde nachgebessert. An den grundsätzlichen Problemen ändert das aber nichts.

Gerade im Oberland gibt es sehr viele Krankenhäuser. Und alle haben sie ihre Stärken und Schwächen, können manche Behandlung besonders gut, bei anderen Eingriffen hat indes das Nachbar-Krankenhaus unter Umständen mehr Erfahrung. Für die Patienten ist es da schon ausgesprochen schwierig, die Übersicht zu behalten und das Krankenhaus zu finden, in dem man mit seiner spezifischen Erkrankung am besten aufgehoben ist.

Krankenhaus-Atlas Weilheim
Für das Weilheimer Krankenhaus weist der Klinik-Atlas eine überdurchschnittliche Personalausstattung aus. © SET

Deswegen startete das Bundesgesundheitsministerium vor einigen Wochen den so genannten „Klinik-Atlas“. Er sollte den Patienten die Orientierung eigentlich erleichtern. Doch in der Realität verstärkte er stattdessen vor allem die Verwirrung. Deswegen wurde jetzt nachgesteuert: Statt nach sage und schreibe 23 000 unterschiedlichen Eingriffen kann im Klinik-Atlas nur noch nach den 20 häufigsten gesucht werden. Doch die Kritik am Klinik-Atlas bleibt.

Daten sind alles andere als aktuell

„Der Atlas vermittelt den Eindruck, dass die Zahl der Eingriffe und die personelle Ausstattung mit Pflegekräften die alleinigen Qualitätskriterien bei Krankenhäusern wären“, so der Geschäftsführer der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH, Thomas Lippmann, im Gespräch mit der Heimatzeitung. Dem sei natürlich nicht so.

Dass in Schongau kein Krankenhaus mehr, sondern nur ein Gesundheitszentrum betrieben wird, spielt keine Rolle. © set

Dabei könnte sich Lippmann zumindest beim Personal entspannt zurücklehnen und sich auf die Schulter klopfen. Denn sowohl dem Weilheimer als auch dem Schongauer Krankenhaus wird im Atlas ein „weit überdurchschnittlicher“ Personalpflegequotient attestiert.

Moment mal – dem Schongauer Krankenhaus? Seit Anfang März gibt es doch in Schongau gar kein Krankenhaus mehr, sondern stattdessen das „SOGesund“, ein Gesundheitszentrum mit einer Station, eingemieteten Fachärzten und einem angegliederten medizinischen Versorgungszentrum. Das könnte durchaus daran liegen, dass die Daten, die im Klinik-Atlas verarbeitet wurden, alles andere als aktuell sind.

Setzt Lauterbach Masse und Klasse gleich?

„Davon mal ganz abgesehen, ist die Orientierung an den nackten Zahlen auch nicht unbedingt aussagekräftig“, meint Lippmann. Selbst wenn beim Pflegepersonal „weit überdurchschnittlich“ stehe, sage das vergleichsweise wenig aus: „Da ist immer noch unklar: Sind es die richtigen Leute, die die richtige Qualifikation haben und die richtigen Dienste zugeteilt bekommen?“, so Lippmann.

Auch die Einstufung aufgrund der reinen Fallzahlen sage wenig über die tatsächliche Qualität der Behandlung aus. Wie schon bei der Krankenhausreform, würden auch hier von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Masse und Klasse gleichgesetzt. „Da spielen beispielsweise Komplikationsraten bei Eingriffen überhaupt keine Rolle“, so Lippmann. Es herrsche die Denke vor, dass die Qualität automatisch steige, wenn möglichst viele Eingriffe einer bestimmten Art erfolgen.

Zudem seien die Krankenhäuser, die da bewertet wurden, überhaupt nicht gehört worden: „Mit uns hat zumindest niemand gesprochen.“ Da gebe es andere Übersichten, die seiner Ansicht nach deutlich aussagekräftiger seien als der Klinik-Atlas des Bundes: „Beispielsweise der AOK-Gesundheitsnavigator oder das Deutsche Krankenhausverzeichnis.“

Krankenhaus-Landschaft befindet sich im Umbruch

Ohnehin sei es „ein Unding“, den Klinik-Atlas gerade jetzt ins Netz zu stellen, so Lippmann weiter. Denn durch die Krankenhausreform befinde sich die deutsche Krankenhaus-Landschaft gerade im Umbruch. Abteilungen werden geschlossen oder verlagert, andere neu eröffnet. Da verändere sich extrem viel. Und dann ein Portal mit offensichtlich veralteten Informationen im Netz zu eröffnen, trage eher zur Verwirrung als zu zusätzlicher Aufklärung bei.

Krankenhaus-Atlas Weilheim
Die Verantwortlichen in Penzberg kritisieren die Erhebung in Klinik-Atlas als „wenig plausibel“. © set

Tatsächlich tauchen, wenn man nach Krankenhäusern in der Umgebung sucht, ohne eine genaue Behandlung auszuwählen, zunächst die riesigen Häuser in München ganz oben auf der Trefferliste auf. Sie haben immense Fallzahlen, die über dem Durchschnitt liegen. Gleichzeitig wird – egal ob Großhadern oder Rechts der Isar – auch gleich immer mit angegeben, dass der Personalpflegequotient unterdurchschnittlich ist. Allerdings ist aufgrund der veralteten Datenbasis auch unklar, wie dieser Quotient jetzt für die Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH ausfallen würde, nachdem zum Jahresende gut 200 Mitarbeiter entlassen wurden (wir berichteten).

Daten stammen aus einem Corona-Jahr

Bei den „Starnberger Kliniken“, zu denen das Penzberger Krankenhaus gehört, will man sich momentan noch nicht zum Klinik-Atlas äußern. Dr. Susanne Rogers, ärztliche Direktorin in Penzberg und Starnberg, erklärte auf Nachfrage dazu nur, dass die Zahlen im Klinik-Atlas, die man bisher verglichen habe, „offensichtlich nicht plausibel sind und ständig wechseln“. Nach genauerer Analyse würden die „Starnberger Kliniken“ aber für alle Häuser zum Klinik-Atlas Stellung nehmen. Dazu ein Tipp, einen Blick in die Datengrundlage zu werfen. Dies verrät, dass zum Beispiel die Fallzahlen, auf denen der Klinik-Atlas aktuell basiert, Daten aus dem Jahr 2022 sind, also das Jahr 2021 abbilden – und das war noch ein Corona-Jahr.

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