Schmerzhaft steif - Polymyalgia Rheumatica: Symptome, Ursachen und Behandlung

Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Morgens auf und Ihre Schultern sind so steif, dass es Ihnen schwerfällt, aus dem Bett kommen. Diese Symptome können besonders beunruhigend sein, wenn sie scheinbar aus dem Nichts auftreten und Ihre Beweglichkeit und Unabhängigkeit beeinträchtigen. Falls Sie diese Beschwerden und Schmerzen erleben, könnte bei Ihnen eine Erkrankung namens Polymyalgia Rheumatica (PMR) vorliegen.

Was ist Polymyalgia Rheumatica?

Die Polymyalgia Rheumatica ist eine entzündliche Erkrankung, die durch Schmerzen und Steifheit in großen Muskelgruppen, insbesondere in den Schultern und Hüften, gekennzeichnet ist. Sie betrifft vorwiegend Menschen über 50 Jahre und tritt häufiger bei Frauen auf als bei Männern. Die genaue Ursache der PMR ist unbekannt; es handelt sich jedoch um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem des Körpers fälschlicherweise das eigene Gewebe angreift.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen der PMR sind noch nicht vollständig geklärt, jedoch vermuten Wissenschaftler eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren. Eine genetische Veranlagung scheint eine Rolle zu spielen, da Polymorphismen des HLA-DRB1-Gens mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der PMR in Verbindung gebracht werden. Umweltfaktoren, wie Infektionen, könnten ebenfalls als Auslöser dienen, die das Immunsystem aktivieren und eine Entzündungsreaktion verursachen.

Häufigkeit und Epidemiologie

PMR ist eine der häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen bei älteren Erwachsenen. In den USA sind etwa 50 von 100.000 Menschen jährlich betroffen. In Deutschland lag die Inzidenz zwischen 2011 und 2019 bei 18,6 pro 100.000 Personen. Die Erkrankung tritt fast ausschließlich bei Menschen über 50 Jahren auf, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt und ihren Höhepunkt zwischen 70 und 75 Jahren erreicht. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer.

Symptome und Diagnose

Hauptsymptome

Die Symptome der PMR können plötzlich oder allmählich einsetzen. Zu den Hauptsymptomen gehören:

  • Schmerzen und Steifheit: Diese treten symmetrisch in den Muskeln des Nackens, der Schultern, des unteren Rückens, der Hüften und der Oberschenkel auf. Die Beschwerden sind morgens und nach Ruhephasen am stärksten.
  • Bewegungseinschränkungen: Schmerzen und Steifheit können so stark sein, dass alltägliche Aktivitäten, wie das Anziehen oder das Aufstehen aus dem Bett, erheblich eingeschränkt sein können.
  • Allgemeine Symptome: Einige Betroffene leiden unter Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.

Diagnosekriterien

Die Diagnose der PMR basiert auf einer Kombination aus klinischen Befunden und Laborwerten. Wichtige Diagnosekriterien sind:

  • Symptome: Neue Schmerzen in Schultern, Nacken, Hüften oder Oberschenkeln, die mindestens zwei Wochen andauern.
  • Bluttests: Erhöhte Entzündungsmarker wie die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das C-reaktive Protein (CRP).
  • Ausschluss anderer Erkrankungen: Da die Symptome der PMR denen anderer Erkrankungen ähneln können, müssen andere Diagnosen wie rheumatoide Arthritis, Lupus oder Fibromyalgie ausgeschlossen werden.

Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) können ebenfalls zur Diagnose beitragen, indem sie Entzündungen und Veränderungen in den betroffenen Bereichen sichtbar machen.

Behandlungsoptionen bei PMR

Medikamentöse Therapie

Die Hauptbehandlung der PMR besteht in der Verabreichung von Kortikosteroiden. Prednison ist das am häufigsten verschriebene Medikament und führt zu einer schnellen Linderung der Schmerzen und Steifheit. Die Behandlung beginnt normalerweise mit einer niedrigen Dosis (10-15 mg pro Tag), die je nach Ansprechen des Patienten und den Ergebnissen der Bluttests schrittweise reduziert wird. Die Behandlung dauert in der Regel ein bis zwei Jahre, kann aber auch länger dauern, um Rückfälle zu vermeiden.

Neben den Kortikosteroiden können auch andere Medikamente zur Reduzierung des Kortikosteroidbedarfs und zur Verringerung von Nebenwirkungen eingesetzt werden:

  • Methotrexat: Ein Immunsuppressivum, das oft in Kombination mit Kortikosteroiden verwendet wird.
  • Biologika: Tocilizumab, ein biologisches Medikament, das für die Behandlung von Riesenzellarteriitis zugelassen ist, kann auch bei PMR wirksam sein.

Nebenwirkungen von Kortikosteroiden

Langfristige Kortikosteroidtherapien können erhebliche Nebenwirkungen haben, darunter:

  • Gewichtszunahme
  • Osteoporose
  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Katarakte

Deshalb sollten Patienten unter Kortikosteroidtherapie regelmäßig überwacht werden. Zur Vorbeugung von Osteoporose sind die ergänzende Einnahme von Kalzium und Vitamin D sowie regelmäßige Knochendichtemessungen empfehlenswert.

Lebensstiländerungen und alternative Ansätze

Neben der medikamentösen Therapie können auch Lebensstiländerungen und alternative Ansätze zur Linderung der Symptome beitragen:

  • Ernährung: Eine gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und fettarmen Proteinen kann helfen, Nebenwirkungen der Medikamente zu minimieren.
  • Bewegung: Regelmäßige, schonende körperliche Aktivität wie Schwimmen, Radfahren oder Spazierengehen kann die Beweglichkeit verbessern und die Muskeln stärken. Physiotherapie kann ebenfalls sinnvoll sein.
  • Ruhe: Ausreichend Ruhe und Erholung sind wichtig, um dem Körper die nötige Zeit zur Regeneration zu geben.

Polymyalgia Rheumatica und Riesenzellarteriitis

Etwa 10-20% der Patienten mit PMR entwickeln auch eine Riesenzellarteriitis (RZA), eine Entzündung der großen Arterien, insbesondere der Schläfenarterien. Diese Erkrankung kann schwerwiegende Komplikationen wie eine Erblindung verursachen, weshalb eine frühzeitige Diagnose und Behandlung entscheidend sind.

Anzeichen und Symptome der Riesenzellarteriitis

  • Starke Kopfschmerzen: Besonders in den Schläfenbereichen.
  • Empfindlichkeit der Kopfhaut: Besonders beim Kämmen oder Berühren.
  • Kieferschmerzen: Beim Kauen.
  • Sehstörungen: Dazu gehören verschwommenes Sehen, Doppeltsehen oder plötzlicher Sehverlust.

Impfung und Polymyalgia Rheumatica

Es gibt keine spezifische Impfung gegen die PMR. Patienten mit PMR sollten jedoch sicherstellen, dass ihre routinemäßigen Impfungen auf dem neuesten Stand sind, insbesondere Grippe- und Pneumokokken-Impfungen, um Infektionen zu vermeiden, die einen Schub der Krankheit auslösen könnten.

Fazit

Polymyalgia rheumatica ist eine herausfordernde Erkrankung, die das Leben erheblich beeinträchtigen kann. Eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung sind entscheidend, um die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität zu verbessern. Da die Krankheit dazu neigt, chronisch zu verlaufen, ist eine kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Therapie erforderlich. Patienten sollten eng mit ihren Ärzten zusammenarbeiten, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und mögliche Komplikationen zu vermeiden.

Über Volker Sutor

Volker Sutor ist seit über 25 Jahren als Physio- und Sporttherapeut (Msc.) tätig. Er ist Inhaber einer Gruppe von Therapiezentren im süddeutschen Raum (Gesundheitsrondell GmbH) und Mitbegründer des Fortbildungsunternehmens Digotor für orthopädische Medizin. Als Fachbuchautor hat er in verschiedenen Verlagen Bücher für Fach- und Laienpublikum veröffentlicht. Im Sport engagiert er sich im Profi-, Leistungs- und Freizeitbereich und ist als leitender Physiotherapeut für den Deutschen Schwimmverband tätig.

Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.