Mit Pflanzen-Plan will Jakob in der Wüste unser Klima retten
Eine Plantage in der Wüste, die jährlich Millionen Tonnen CO2 speichert – klingt ambitioniert. Jakob Neu ist in Afrika aufgewachsen, hat in Deutschland studiert und nun ein Startup gegründet, mit dem der 40-Jährige genau das schaffen will. „CQT“ heißt es – und das steht für „Carbon Sequencing Terra“.
So will Jakob in der Wüste das Klima retten
Pflanzen entziehen der Atmosphäre CO2, speichern und wandeln es in Kohlenstoff um. An der marokkanischen Atlantikküste will Jakob Neu eine Mischung aus heimischen Bäumen und Sträuchern und Arten aus anderen Weltregionen anbauen, zum Beispiel Eukalyptus.
Das Wasser für die Pflanzen soll aus dem Meer kommen, entsalzt in einer solarbetriebenen Anlage. Falls Sonnenenergie dazu nicht reicht, soll grüner Strom von küstennahen Windparks helfen. Sind die Pflanzen ausgewachsen, will Neu sie in einem Spezialverfahren erhitzen und in Kohle umwandeln. Im Boden gelagert, ist das CO2 dann gebunden – und liefert Nährstoffe für die Landwirtschaft. Anfangs will Neu auf diese Weise 50.000 Tonnen CO2 pro Jahr speichern – bis 2040 sollen es zehn Millionen Tonnen pro Jahr sein. Aber das Projekt steht noch am Anfang.
Diese Serie ist eine Kooperation mit der Lehrredaktion der Kölner Journalistenschule (KJS). Die angehenden Journalistinnen und Journalisten porträtieren hier Menschen, die selbst etwas gegen die Klimakrise unternehmen. Das sind ihre Lösungen:
Teil 1: Der verrückte Plan, mit dem Auto-Tüftler CO2 aus der Luft speichern will
Teil 2: Die Physikerin, die von Brandenburg aus unser Klima retten will
Teil 3: Mit DIY-Box will Daniel unsere grauen Städte Klima-fit machen
Teil 4: Mit Pflanzen-Plan will Jakob in der Wüste unser Klima retten

In Deutschland geboren, in Afrika aufgewachsen
Jakob Neu wurde in Lübeck geboren, ist aber im nordafrikanischen Tunesien aufgewachsen. Sein Vater hatte dort einen Job in der Entwicklungshilfe angenommen. Nach der Trennung seiner Eltern zog er gemeinsam mit der Mutter wieder zurück nach Lübeck – es waren die ersten von insgesamt 20 Umzügen. „In all der Zeit war das Haus meiner Großeltern in Arnsberg im Sauerland der einzige geografische Fixpunkt“, erinnert sich Neu.
In Mauretanien, einem Nachbarland Marokkos, hat er knapp sechs Jahre verbracht, und dort die Schule besucht. Er zog im Alter von zehn Jahren zu seinem Vater, der in der Zwischenzeit eine Mauretanierin geheiratet hatte. Hier ist Neu viel herumgereist, sogar mehr als seine mauretanischen Klassenkameraden. Er hat Sprache, Kultur und die Menschen kennengelernt. Wissen, das ihm heute hilft, im Nachbarland zu investieren, sagt er.
Sonne, Sicherheit, Standortvorteile: Darum Marokko
Marokko ist als Wirtschaftsstandort attraktiv. „Die Regierung ist sehr wirtschaftsfreundlich. Was geopolitische Sicherheit und Investitionssicherheit angeht, ist Marokko auf einem Niveau mit Italien oder Griechenland“, erklärt Neu.
Und auch klimatisch bietet das Königreich gute Bedingungen. Neu zählt auf: „Die hohe Sonneneinstrahlung, die Energie für die Pflanzen liefert und gleichzeitig die Nähe zum Ozean, der die Temperaturen wieder in einen annehmbaren Bereich bringt.“ Zudem ist Marokko „ein Champion für erneuerbare Energien in Afrika“, sagt Neu.

EU-Klimaziele schaffen neue Märkte für CO2-Projekte
Ein weiterer Vorteil: Die Pflanzen, die Neu in der Wüste pflanzen will, wären ohne sein Zutun nicht gewachsen. In der Fachsprache nennt man das „Zusätzlichkeit“ – ein wichtiges Kriterium im Handel mit Emissionszertifikaten. „Das heißt, dass wir für jeden investierten Dollar auch wirklich zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre nehmen“, erklärt der Gründer. Deshalb kann CQT die Emissionen anderer Unternehmen kompensieren – gegen Gebühr.
Aber auch EU-Staaten könnten künftig zu Neus Kunden zählen. Anfang Juli erklärte die EU-Kommission, bis 2040 die Emissionen in Europa um 90 Prozent senken zu wollen. Ab 2036 dürfen die EU-Staaten drei Prozent der Emissionen ihrer Volkswirtschaften durch Klimaprojekte in Nicht-EU-Ländern, wie Marokko, kompensieren. Gute Vorzeichen also für CQT.
Die Geburtsstunde
Die Idee für CQT hatte Neu Ende 2019, während er seine Master-Arbeit über Mensch-Umweltbeziehungen an der Universität Bayreuth schrieb. „Der Klimawandel ist eine geologische Zäsur“, sagt der Unternehmer. „Und Pflanzen tun schon seit Millionen von Jahren etwas fürs Klima.“ Sein Mitgründer Hannes Brandner, ein studierter Philosoph und Volkswirt, war der Einzige, der sich damals für die Idee interessiert. Die Freunde sprachen immer wieder lose über die Idee. Richtig Fahrt nimmt das Projekt aber erst auf, als die beiden Anfang 2022 beschließen, es systematisch voranzutreiben. “Wir haben wissenschaftliche Publikationen gelesen und Expertinnen und Experten befragt – zum Beispiel zur Wasserentsalzung oder Energieausbeute bei Solaranlagen in der Wüste“, erinnert sich Neu.
Die Idee nimmt Formen an. Mit der Startup-Förderung in Bayreuth sind sie weniger glücklich. Darum verlegen die beiden ihr Start-Up nach München, an die Technischen Universität – für bessere Bedingungen. Hier bekommen sie von der Universität einen Betreuer an die Seite gestellt und holten einen Finanzexperten ins Boot.
Wie geht es weiter?
Heute sucht Jakob Neu von München aus nach Investoren – angeblich zeigt ein DAX-Konzern Interesse. Für den Start soll eine Million Euro zusammenkommen. Außerdem ist noch ein Waldbau-Fachmann zum Team gestoßen.
Und auch vor Ort in Marokko gibt es erste unverbindliche Vereinbarungen mit der marokkanischen Agentur für Investitions-und Exportentwicklung, der staatlichen Anlaufstelle für ausländische Unternehmen. „Wenn wir die Investoren haben“, sagt Neu optimistisch, „brauchen wir noch knapp ein Jahr bis zum ersten Spatenstich“.
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