Warum dieser Pasta-Klassiker ein Klima-Sünder ist

Mögen Sie Spaghetti Bolognese? Statistisch gesehen stehen die Chancen gut. Nicht ohne Grund ist der Nudel-Klassiker eines der beliebtesten Abendgerichte in deutschen Familien. Wohl auch, weil das Rezept so simpel ist: Ein paar passierte Tomaten, Gewürze und Kräuter, ein bisschen Öl zum Hackfleisch in der Pfanne, und dann noch Wasser. Ein, maximal zwei Liter zum Kochen, ein paar Spritzer Nudelwasser für die Sauce, mehr braucht es nicht – oder?

Der wahre Wasserverbrauch von Spaghetti Bolognese

Bei den zwei Litern Wasser handelt es sich in Wahrheit eher um mehrere tausend Liter, wenn wir den gesamten Wasserverbrauch zugrunde legen, der bei der Produktion der Zutaten für Spaghetti Bolognese entsteht. Dieser sogenannte „Wasserfußabdruck“ fällt allerdings nicht nur bei den Spaghetti so katastrophal aus, sondern bei den meisten Lebensmitteln sowie vielen anderen Konsumgütern, etwa Kleidung. Nach Angaben des Umweltbundesamts werden in Deutschland tagtäglich pro Person etwa 7200 Liter Wasser verbraucht – und das, ohne dass davon jemand etwas mitbekommt. 

Wasser-Fußabdruck im Einkaufskorb

Werfen wir dazu mal einen Blick in den durchschnittlichen deutschen Einkaufskorb im Supermarkt. Der sieht, so hat es das Statistische Bundesamt errechnet, folgendermaßen aus:

  • Brot und Getreide: Reis und Roggenmehl, aber auch Brot, Pizza und Nudeln
  • Fleisch und Fleischwaren: Geflügel, Rind- und Schweinefleisch sowie daraus verarbeitete Produkte wie Salami oder Aufschnitt
  • Fisch: Fische und Fischfilets sowie Konserven (zum Beispiel Thunfisch), aber auch Meeresfrüchte
  • Molkereiprodukte und Eier: Vollmilch, Käse oder Joghurt - aber auch Eier
  • Speisefette und Speiseöle: Butter, Olivenöl und andere pflanzliche Öle
  • Obst: Dazu zählen neben Frischobst auch Zitrusfrüchte, Tiefkühl-Früchte und Trockenobst
  • Gemüse: Beispielsweise Salat, Tomaten, Gurken, Kürbisse
  • Kartoffeln
  • Zucker, Marmelade und andere Süßwaren
  • Sowie andere Nahrungsmittel: Also beispielsweise Soßen, Würzmittel oder Kindernahrung
     

All diese Produkte, egal ob Tiefkühlpizza, Rinderhackfleisch oder Apfel, brauchen zwangsläufig Wasser, um überhaupt hergestellt zu werden – sei es durch Bewässerung einer Pflanze oder weil in der Produktion Wasser hinzugefügt werden muss. Und genau diesen „Wasserfußabdruck“ beeinflussen wir mit jedem Einkauf.

Damit wir unseren Wasserverbrauch genau abbilden können, haben Forscherinnen und Forscher den „Wasserfußabdruck“ entwickelt. Das Konzept rechnet dabei auch mit ein, wie viel Wasser in der Herstellungsregion für die Produktion verwendet oder verschmutzt sowie verdunstet wird. 

  • Grünes Wasser: Natürlich vorkommendes Boden- und Regenwasser, das Pflanzen aufnehmen und verdunsten. Es ist vor allem für Obst und Gemüse, aber auch Kleidung (zum Beispiel aus Baumwolle) relevant.
  • Blaues Wasser: Grund- oder Oberflächenwasser, das in der Produktion entnommen wird, um ein Produkt herzustellen. Es wird in der Regel nicht mehr zurückgeführt und meist in der Landwirtschaft zur Bewässerung von Feldern verwendet.
  • Graues Wasser: Bezeichnet die Wassermenge, um entstandene Gewässerverunreinigungen (zum Beispiel durch Düngerückstände) wieder auf ein für Trinkwasser akzeptables Niveau zurückzuführen. 

Genauere Informationen zum Wasserfußabdruck finden Sie beim Umweltbundesamt

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Mehr als zwei Millionen Schwimmbecken für Obst, Gemüse und Nüsse

Dabei berechnet der „Wasserfußabdruck“ auch mit ein, wie viel Wasser schon in der Herkunftsregion verbraucht wurde. Denn obwohl die Landwirtschaft sowie Fleisch- und Lebensmittelindustrie eine große Rolle in Deutschland spielen, werden die meisten Rohprodukte gar nicht bei uns angebaut. 

Das verdeutlichen die Ergebnisse einer Studie der TU Berlin, die vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben wurde. Dort wurde nämlich unter anderem untersucht, welche Sektoren in Deutschland den höchsten Verbrauch von blauem Wasser (also jenes, das für ein Produkt aus dem Wasserkreislauf entnommen wurde) aufweisen. Auf den ersten acht Plätzen rangieren ausnahmslos Lebensmittel und Güter, die später zu Lebensmitteln verarbeitet werden. 

So nehmen Gemüse, Früchte und Nüsse mit einem kombinierten Wasserfußabdruck von 5960 Milliarden Litern den ersten Platz ein - mit dieser gewaltigen Menge könnte man auch mehr als zwei Millionen Schwimmbecken befüllen. 

Warum sind unsere Lebensmittel Wasserschleudern?

Ein gutes Beispiel ist das Lieblingsgemüse der Deutschen: die Tomate. Pro Kilogramm fallen etwa 1000 Liter Wasser an, der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt bei 30 Kilogramm – im Jahr. Macht also 30.000 Liter Wasser pro Jahr und pro Person. Dazu zählen auch verarbeitete Produkte wie Ketchup. Doch nur vier Prozent der Tomaten stammen aus Deutschland, der Rest aus den Niederlanden oder Spanien. 

Länder wie Spanien sind allerdings besonders heftig von Dürre und Trockenheit getroffen. Im Winter fehlt es an Regen und Schnee, um die Reservoire aufzufüllen. Und im Sommer ziehen Hitzewellen über das Land, die den mageren Niederschlag regelrecht verpuffen lassen. Die Bauern dort müssen daher deutlich mehr bewässern als in anderen Ländern, um Ernteausfälle zu vermeiden. Weil es aber immer weniger verfügbares Wasser gibt, tragen sie somit zu einem höheren Wasserfußabdruck bei. Kaufen wir spanische Tomaten, importieren wir den höheren Wasserverbrauch also gleich mit. 

15.400 Liter für ein Kilo Rindfleisch

Völlig neue Dimensionen erhält die Frage nach dem Wasserverbrauch, wenn wir auf die eingangs erwähnte Bolognese blicken, genauer gesagt: Auf das Rindfleisch. Ein Kilo bringt einen Wasserverbrauch von knapp 15.400 Litern mit sich – und das hängt nicht damit zusammen, dass Kühe besonders durstig sind. Der größte Anteil wird für den Anbau von Futtermitteln verbraucht, eine verschwindend geringe Menge für das Trinkwasser der Tiere:

  1. Rindfleisch: 15.400 Liter Wasser pro Kilogramm
  2. Schweinefleisch: 6000 Liter Wasser pro Kilogramm
  3. Geflügel: 4300 Liter Wasser pro Kilogramm

Deutschland importiert Fleisch hauptsächlich aus den Niederlanden, Polen und Österreich sowie Argentinien. Entscheidend ist allerdings die Herkunft des Futters. Nutzpflanzen wie Soja, Hafer und andere Getreide kommen größtenteils aus China, aber auch Nord- und Südamerika: So gehört Brasilien zum größten Anbaugebiet für Soja, doch um die weltweite Nachfrage zu bedienen, werden immer wieder Teile des Regenwaldes, einem wichtigen Ökosystem und Kippelement unseres Planeten, gerodet. 

Fällt die Entscheidung im Supermarkt also für passierte Tomaten und Rindfleisch, dann holt man sich damit einen kombinierten Wasserfußabdruck von schätzungsweise 8700 Litern Wasser mit nach Hause – für knapp vier Portionen Spaghetti Bolognese. 

Und auch wenn jeder diese Bilanz mit seinen Entscheidungen im Einkaufskorb theoretisch beeinflussen kann, hat auch die Lebensmittelindustrie ein Interesse daran, den Wasserverbrauch zu senken. Denn ein übermäßiger „Wasserfußabdruck“ wird immer mehr zum Kostenfaktor. 

Aldi, Lidl, Tesco: Warum Wasser das neue Gold ist

Für die Lebensmittelindustrie sind diese Zahlen freilich nichts Neues. Im Interview mit dem „Spiegel“ erklärte der Bertolli-Manager Tomislav Bucic zum Beispiel, warum sein Unternehmen seit sieben Jahren Bauern darin schult, wie sie ihre Äcker besser bestellen und weniger Wasser verbrauchen.

Denn Dürre oder Starkregen führen letztendlich zu Ernteeinbußen und weniger Olivenöl, das Bertolli wiederum für einen höheren Preis an die Supermärkte liefern muss. Das hat Nachteile für alle, sagte Bucic: „Wenn eine Flasche Öl in Spanien 14 Euro kosten würde und ein Haushalt im Schnitt jede Woche eine Flasche verbraucht, wer würde das kaufen?“

Ähnlich sahen das auch große Supermarktketten, darunter Aldi, Lidl, Tesco und Sainsbury's, vor etwa zwei Jahren: Die kritisierten öffentlichkeitswirksam die Pläne zum Bau einer gigantischen Erdbeerfarm in Andalusien, einem der wichtigsten Anbaugebiete für Erdbeeren in Europa und zugleich Heimat eines großen Naturschutzgebietes. Spaniens damalige Umweltministerin Teresa Ribera konnte schließlich ein Umweltschutzpaket durchpauken, das nicht nur Bewässerungsauflagen für die Bauern in der Region vorsieht, sondern auch weniger Monokulturen. Geplant sind 1,4 Milliarden Euro an Förderungen. 

Beide Fälle zeigen, dass der größte Hebel nicht in den Händen der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern bei der Lebensmittelindustrie liegt. Doch für einen wassersparenden Anbau müssen alle an einem Strang ziehen, vom internationalen Konzern bis hin zum Kleinbauer in Andalusien. 

Zu diesem Zweck gibt es die „Water Stewardships“: Erzeuger und Abnehmer tun sich zusammen, um einen ökologischen wie wirtschaftlichen Kompromiss für alle zu finden. Mars, der Konzern hinter der Marke „Uncle Ben's“, hat dies bereits für einen CO2 und Wasser sparenden Reisanbau umgesetzt. Und Edeka kooperiert mit dem WWF, um das Gleiche beim Anbau von Zitrusfrüchten in Spanien sowie von Bananen in Ecuador zu erreichen. Vielleicht sind die Spaghetti Bolognese also in einigen Jahren schon sparsamer unterwegs. 

Verantwortungsvoll und bewusst einkaufen - darauf können Sie achten

Wer seinen Wocheneinkauf künftig bewusster gestalten will, kann einige Tipps und Tricks beachten. 

Zum einen gibt es eine Reihe an Siegeln, die einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen sicherstellen sollen. Eine Liste der gängigsten Siegel und ihre Bedeutung finden Sie hier.

Zum anderen gibt es einige Tools, mit denen Sie sich detaillierter über den Wasserfußabdruck Ihrer Lebensmittel oder Ihrer Ernährung informieren können:

  • Water Footprint Toolbox: Das Projekt der TU Berlin sammelt die wichtigsten Ressourcen, um sich zum Wasserfußabdruck zu informieren.
  • Waterfootprint Network: Neben zahlreichen Infomaterialien bietet die gemeinnützige Organisation auch einen Rechner an, mit dem man den eigenen Wasserfußabdruck bestimmen kann.