Angriff auf NATO-Ostflanke im Baltikum? „Absolut wahrscheinliches Szenario“

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Ein weiterer Angriff Russlands ist keine abstrakte Idee mehr, sagen Experten. Der verteidigungspolitische Sprecher der Union kritisiert unterdessen die Bundesregierung.

Berlin – Und plötzlich geht wieder ein Gespenst um in Europa: Die Angst vor einem weiteren Angriff Russlands wächst. NATO-Experten sprechen schon länger darüber, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Ostgrenze der NATO bereits als Ziel im Blick habe. Wenn alles schiefläuft, könnten sich die Ereignisse diesmal schnell überschlagen.

Plant Putin Angriff aufs Baltikum? Russland hat Reserven schneller wieder aufgefüllt als gedacht

„Ein Angriff auf das Baltikum ist ein absolut realistisches Szenario“, sagte Florian Hahn, der verteilungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, jetzt bei einem Pressegespräch in Berlin. Womit lange Zeit keiner gerechnet hatte: Russland ist offenbar nicht nur in der Lage, den Verbrauch an Material aus dem Ukrainekrieg nachzuproduzieren und auszugleichen, sondern kann inzwischen auch Depots wieder auffüllen. „Das heißt, der Zeitraum nach einem Ukraine-Krieg, in dem Russland befähigt ist, auch das Baltikum anzugreifen, ist deutlich verkleinert worden“ so Hahn.

Ernsthafte Sorgen an der NATO-Ostflanke: Warnung vor „Pearl-Harbour-Moment“

Dort, an der NATO-Ostflanke, macht man sich ernsthafte Sorgen. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hatte vor wenigen Tagen in einem Interview vor einem „Pearl-Harbor-Moment“ für die NATO gewarnt. Litauen könne zu den ersten NATO-Staaten gehören, die Putin angreifen würde. Unterdessen fehlt der Ukraine wichtige Unterstützung aus den USA: Das US-Repräsentantenhaus blockiert Ukraine-Hilfen der Vereinigten Staaten im Wert von rund 60 Millionen US-Dollar. Vor allem republikanische Abgeordnete vom rechten Rand stemmen sich gegen weitere US-Hilfen. Europa müsse sich beim Thema Verteidigung innerhalb der NATO schnell auf eigene Füße stellen, sagte Landsbergis, sonst könne es bald zu spät sein.

Die NATO-Partner Deutschland und Litauen wollen derweil bis 2027 eine vollständige Einsatzbereitschaft einer neuen deutschen Kampfbrigade in der baltischen Republik erreichen. Geplant ist eine dauerhafte Präsenz von mindestens 4800 Soldatinnen und Soldaten und 200 zivilen Unterstützern. Dafür soll eine umfangreiche Infrastruktur in Rudninkai nahe der Hauptstadt Vilnius sowie in Rukla bei Kaunas entstehen.

Litauen-Brigade der Bundeswehr: „Aus NATO-Sicht wäre schnelle Verlegbarkeit sinnvoller“

Ingo Gädechens, Obmann der Union im Verteidigungsausschuss, hält das für sehr ambitioniert: „Ich habe mir die Infrastruktur angeschaut, da ist noch eine Menge zu tun. Eine Brigade verbindlich zu versprechen, damit wäre ich äußerst vorsichtig.“ Zumal aus NATO-Sicht eine schnelle Truppenverlegbarkeit sinnvoller sei als eine dauerhafte Präsenz von Streitkräften.

Florian Hahn findet es „ziemlich lässig, zu sagen: Bis 2027 haben wir eine Litauen-Brigade.“ Dann könne es schon zu spät sein, und es sei auch nicht ersichtlich, wie das finanziert werden solle. Denn das Parlament wisse aktuell nicht genau, wie es um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bestellt sei, monierte Hahn. „Der Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft 2023 wurde dem Plenum bislang vorenthalten, trotz mehrfacher Nachfrage.“ Diesen Bericht gibt das Verteidigungsministerium meist zum Jahresanfang heraus. Diesmal seien erst für das zweite Quartal Auskünfte angekündigt worden, so Hahn.

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