Warum manche Schongauer steinreich waren und andere lieber blau machten: Das erfährt man bei der neuen Erlebnisführung „Alles in Butter“, die Renate Zöpf ab sofort anbietet. Eine Reise durch die Geschichte der Stadt und die deutsche Sprache.
Beinahe wäre die Premiere der neuen Stadtführung ins Wasser gefallen: Denn mit dem Glockenschlag begann es zu tröpfeln. „Wir sind nicht aus Zucker“, waren sich die Gäste einig, die Führung dennoch zu machen. Unter ihnen waren wahre Stadtführung-Fans aus Schongau und auch ein Ehepaar aus München. „Wir sind extra wegen der Stadtführung nach Schongau gekommen“, meinten sie mit einem Augenzwinkern. Und die Fahrt hat sich gelohnt. Denn ihnen wurde wahrlich kein „dummes Gewäsch“ präsentiert, sondern eine amüsante Führung, die für viele Aha-Erlebnisse sorgte.
„Unterhaltsam soll sie sein“, meinte Renate Zöpf, die seit mittlerweile 14 Jahren Führungen durch die Stadt Schongau anbietet, und diese auch erarbeitet. Dieses Mal hat sie sich durch zwei Bücher gewühlt, die alte Sprichwörter und Redewendungen erklären. Geschickt hat sie zahlreiche davon in die sonst „normale“ Stadtführung eingeflochten.
An acht ausgewählten Stationen erfuhren die Gäste alles über die Geschichte der Stadt. Und bei den dazu passenden Redewendungen durften sie sogar mitraten. Beispielsweise beim Stopp am Stadtmodell neben der Stadtpfarrkirche: „Es gab verschiedene Einteilungen der Bürger. Und nur die reichsten von ihnen bauten sich damals Häuser aus Steinen. Sie waren also steinreich“, erklärte Zöpf. Und was war das mit den „Spießbürgern“? Diese gehörten laut der Stadtführerin auch zur „gehobenen Gesellschaft“ und wurden mit Waffen, oft eben Spießen, ausgestattet, mit denen sie die Stadt verteidigen sollten.
Ein Highlight einer jeden Stadtführung ist die Begehung des Wehrgangs hinterhalb des jetzigen Seniorenheims, früher des Klosters. Warum nur noch diese 400 Meter von innen begehbar sind, erfuhren die Gäste auch: Der Rest wurde nämlich nach der Blütezeit Schongaus quasi privatisiert. „Die Bürger konnten sich Teile davon sichern. Sie mussten sich bei dem relativ geringen Preis eigentlich nur entscheiden: Eine Maß Bier oder ein Stück Mauer“, erzählte Zöpf schmunzelnd. Der Säkularisation sei es zu verdanken, dass der Stadt heute wenigstens noch dieser Teil des Schongauer Wahrzeichens gehört.
Apropos Bier: Darum rankt sich eine Redewendung, die für sehr viel Erheiterung bei den Gästen sorgte. Um die kostbare Farbe Blau herzustellen, mussten die Färber im Mittelalter alles geben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zur Farbmischung war, neben der Färberwaid, vor allem ein Inhaltsstoff von elementarer Bedeutung: Urin. „Also tranken die Färber Unmengen von Bier, um genügend davon zusammenzubekommen. Praktischerweise musste dieser Sud dann einen Tag lang ziehen, und die Färber konnten ihren Rausch ausschlafen. Sie machten also blau.“
Letzte Station Ratsstube
An Ausschlafen war bei den Mönchen der „Unbeschuhten Karmelitern“, die im Schongauer Kloster wohnten, nicht zu denken. Ihnen brannten die Messen, die oft noch vor Sonnenaufgang stattfanden, quasi unter den Nägeln. Oder, wie es eigentlich korrekt heißt: auf den Nägeln. Denn, um im Schummerlicht etwas in den Gebetbüchern erkennen zu können, fixierten die Mönche Kerzenstummel auf ihren Daumennägeln. „Und wenn die Messe zu lange dauerte, kann man sich vorstellen, dass es schmerzhaft wurde“, erklärte Renate Zöpf anschaulich.
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Den Schmerz konnten die Mönche dann im selbstgebrauten Bier ertränken – wenn beim Brauen alles glattgegangen war. Denn sonst war „Hopfen und Malz verloren“. Über solche und andere Geschichten haben dann bestimmt auch die „Waschweiber“ an einem der insgesamt 14 Stadtbrunnen getratscht: Sie haben also „Gewäsch betrieben“ oder „schmutzige Wäsche gewaschen“, und das nicht nur im handwerklichen Sinne.
Letzter Halt der Erlebnisführung war bei der Premiere die Ratsstube im Ballenhaus, denn mittlerweile hatte es begonnen, in Strömen zu regnen. Hier erfuhren die Gäste noch einiges über den Handel in Schongau. Und natürlich zu den Redewendungen, die aus diesem Bereich kommen. Wo man damals beispielsweise genau sein „Geld auf die hohe Kante“ gelegt hat, und warum manche „auf den Hund gekommen“ sind. Doch alles soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden.
Interessierte können sich jederzeit bei der Tourist-Information (Telefon: 08861/214181) in kleinen Gruppen für diese informative und kurzweilige Führung anmelden. Denn mit dieser ist man sicher nicht „auf dem Holzweg“.