Einmal um die Welt statt regional: Bayerische Wolle landet in der Mülltonne – weil der Pullover kratzt
Für Schafhalter ist die Wolle „ein Draufzahlgeschäft“. Weil sie aus dem Ausland importiert wird, müssen die Schäfer unverarbeitete Wolle als Sondermüll entsorgen.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Einst ein geschätztes und kostbares Gut, landet Schafwolle inzwischen tonnenweise unverarbeitet im Müll. Das Problem: Das Geschäft mit der Wolle lohnt sich nicht mehr. „Hauptgrund für die Schafhaltung ist heute oftmals der Idealismus“, sagt Hubert Liebhart, Vorsitzender der Schafhaltervereinigung Bad Tölz-Wolfratshausen, der seine Herde selbst mit Leidenschaft hält.
Aus Gründen der natürlichen Landschaftspflege und Biodiversität schätzt Brigitte Huber ihre zwölf Schafe und den Bock. Sie seien mehr als nur „Rasenmäher“. Durch das Abfressen halten die Tiere beispielsweise Gräser zurück und im Fell tragen sie Samen über die Wiesen, die irgendwann zu Boden fallen und keimen.
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Mit Leib und Seele bei der Arbeit
Der Schäferin ist beim Besuch unserer Zeitung deutlich anzumerken, mit welcher Hingabe und Liebe sie sich um die Huftiere kümmert. Mit strahlenden Augen berichtet sie: „Die Schäferei macht viel Arbeit, ist aber wirklich schön.“ Finanziell bleibe jedoch nicht viel übrig. „Ich komme bei weitem nicht an den Mindestlohn heran.“
Die Ammerlanderin, die ihre Tiere selbst schert, verarbeitet die Wolle der Paarhufer vollständig zu Düngepellets und Woll-Urnen. Für letztere filzt sie in stundenlanger Handarbeit einzigartige, naturfarbene Bestattungsurnen, in denen die Asche verstorbener Menschen würdevoll in die Erde hinabgelassen wird. Selbstverständlich ist die Verwertung der Wolle nicht mehr: Seit China als Abnehmer weggebrochen sei, blieben viele Schäfer im Landkreis auf dem Rohstoff sitzen und können ihre Kosten nicht mehr decken.
Ein Großteil der Halter in Bayern züchtet laut Liebhart Tiere mit gröberem Fell. Diese Arten seien nicht so anfällig und kämen besser mit den Wetterbedingungen und Niederschlägen klar. „Ein Bergschaf wird jeweils im Frühjahr und Herbst geschoren“, so der Vereinsvorsitzende. Pro Tier und Scherung zahlt der Holzhauser fünf Euro. „Unsere Vereinsmitglieder halten im Schnitt 50 Schafe.“ Daraus ergeben sich für Schäfer im Landkreis allein für die Schur Kosten in Höhe von durchschnittlich 500 Euro im Jahr.
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Regionale Wolle wird in Deutschland kaum verarbeitet
Sehr zum Leidwesen der Schafhalter wird die regionale Wolle in Deutschland kaum noch verarbeitet. „Ein Pullover aus heimischer Wolle kratzt auf der Haut“, erklärt Liebhart. Deshalb kaufen Spinnereien feinere Qualitäten, wie etwa Merinowolle, aus Australien oder Neuseeland. Aus diesem Grund hatten die etwa 80 Vereinsmitglieder der Schafhaltervereinigung in der Vergangenheit schon mehrere kreative Einfälle, wie der Rohstoff anderweitig verwendet werden kann. Vor zehn Jahren etwa wurde das Schafskleid zu Dämmmaterialien für Gebäude verarbeitet. Dann wurden jedoch die gesetzlichen Auflagen verschärft.
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Gegen Ende der 2010er-Jahre startete der Verein im Landkreis eine Sammelaktion, bei dem die Naturfasern zu Düngepellets für den umweltfreundlichen Gartenbau gepresst wurden. In diesem Jahr wird allerdings nicht mehr für die Pellets gesammelt, da die Restbestände aus dem Vorjahr noch verkauft werden müssen. Liebhart: „Das ist momentan aber schwierig, da die Pellets inzwischen zu Spottpreisen aus dem Ausland kommen und den Markt überfluten.“
Die Konsequenz für die Schafhalter: „Jeder muss selbst schauen, wie er die Wolle loswird.“ Immer häufiger landen die Tierhaare im Müll oder auf dem Misthaufen. Das wirft neue Probleme auf, denn Schafwolle gilt als Sondermüll und muss eigentlich verbrannt werden. „Das ist einfach ein Draufzahlgeschäft“, fasst der gelernte Schreiner das Dilemma zusammen. Pro Tier fallen drei bis vier Kilogramm Wolle beim Scheren an – bei größeren Schäfereien kommen schnell mehrere Tonnen zusammen. „Wir brauchen eine Lösung, die uns die Masse abnimmt“, so der Holzhauser.
Wollzöpfe bieten Grund zur Hoffnung
Eine sinnvolle Verwendung von Schafswolle wird laut Liebhart bereits im Nachbarlandkreis Starnberg getestet. Dort werden die Fasern von der Herrschinger Firma Frischwasser Tech zu Wollzöpfen verarbeitet. Diese sollen Schmutzstoffe wie Öl aus dem Wasser filtern und könnten im Straßenbau eingesetzt werden.
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Aus wirtschaftlicher Sicht mache die Schafhaltung keinen Sinn mehr, sagt Liebhart. Aber: „Wenn die Idealisten die Schafzucht aufgegeben, birgt das Gefahren.“ Denn auch die Pflanzenwelt profitiert von den Paarhufern. „Ohne Schafe geht uns ganz viel verloren“, bestätigt Brigitte Huber und weist auf das Potenzial der Fasern hin: „Wolle ist ein tolles, natürliches Produkt.“