Kommentar: Die Wahrheit nach der Wahl – Verstaatlichung des Walchenseekraftwerks von vornherein aussichtslos

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Bei genauerem Hinsehen war von vornherein klar, dass eine Verstaatlichung des Walchenseekraftwerks nicht umsetzbar sein würde, kommentiert Andreas Steppan, stellvetretender Redaktionsleiter des Tölzer Kurier. © Arndt Pröhl/Uniper

Im Wahlkampf war die Forderung nach der Verstaatlichung des Walchenseekraftwerks ein Dauerthema. Doch das Vorhaben war von Beginn an nicht umsetzbar. Ein Kommentar von Andreas Steppan, stellvertretender Redaktionsleiter des Tölzer Kurier.

Für komplexe Fragen gibt es meistens keine einfachen Antworten. Das ist blöd für Politiker, die beim Wähler punkten wollen. Denn lange Erklärungen wollen sich viele Menschen nur ungern anhören, sondern springen lieber auf griffige Slogans auf. So was nennt sich dann wohl Populismus.

Kommentar zur Verstaatlichung des Walchenseekraftwerks: Ausgangslage kompliziert

So verhielt es sich auch beim Wahlkampf-Thema Walchenseekraftwerk. Politiker mehrerer Parteien forderten vergangenes Jahr: Das Walchenseekraftwerk muss wieder verstaatlicht werden! Das hört sich gut an, ja, ich bin auch gar nicht dagegen. Nur: Bei genauerem Hinsehen war von vornherein klar, dass diese Idee nicht umsetzbar sein würde.

Die Ausgangslage war kompliziert: Eigentümer und Betreiber des Kraftwerks ist der Konzern Uniper. Der wiederum gehört seit 2022 zu 99 Prozent dem Bund, der das in der Gaskrise ins Straucheln geratene Unternehmen gerettet hatte. Hierin sah nun mancher eine Chance, aus dem ohnehin in öffentlicher Hand befindlichen Konzern die Sparte Wasserkraft herauszulösen und zurück an den Freistaat zu übertragen – so wie in der guten, alten Zeit vor Stoibers Privatisierungs-Orgie der 1990er-Jahre.

Enteignung scheidet in der freien Marktwirtschaft aus

Den Befürwortern schien auch noch in die Hände zu spielen, dass die Wasserrechte – also das Recht, die Wasserkraft in dem Bereich zur Stromgewinnung zu nutzen – 2030 auslaufen und neu vergeben werden müssen. Doch um das Walchenseekraftwerk zurück in staatliche Hand zu führen, hätte man den Uniper-Konzern zerschlagen müssen. Die Sparte Wasserkraft hätte sich der Staat sichern müssen – aber wie eigentlich?

Da eine Enteignung in der freien Marktwirtschaft so ziemlich ausscheidet, wäre ein Kauf für eine unbekannte Summe die einzige Möglichkeit gewesen. Doch dafür fehlte es an einem willigen Verkäufer. Warum auch sollten entweder Uniper oder der Bund als vorübergehender Eigentümer den Bereich eines Konzerns, der lukrativ ist, abstoßen und selbst mit den Trümmern anderer problematischer Unternehmensteile zurückbleiben?

Walchenseekraftwerk: Weder Uniper noch die Bundesregierung wollten verkaufen

Jedenfalls haben weder Uniper noch Bundesregierung jemals irgendeine Neigung zum Verkauf der Wasserkraftwerke gezeigt. Das Bundesfinanzministerium verwies zudem darauf, dass die Uniper-Rettung nach EU-Beihilferecht an die Voraussetzung geknüpft war, dass der Konzern so schnell wie möglich an die Kapitalmärkte zurückgeführt wird.

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Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat nun recht beiläufig ausgesprochen, dass eigentlich schon lange klar war: Es führt schlicht und einfach kein Weg zum Einstieg des Staates in die Wasserkraftwerke von Uniper. Bei einem Besuch am Walchenseekraftwerk fünf Monate vor der Landtagswahl hatte er das so allerdings nicht ausgesprochen – obwohl die Faktenlage damals dieselbe und auch bekannt war.

Auch SPD und Grüne müssen sich den Schuh der Wählertäuschung anziehen

Der Kochler SPD-Politiker Klaus Barthel hat Recht, wenn er der Staatsregierung nun Wählertäuschung vorwirft. Nur: Den Schuh müssen sich dann seine SPD und die Grünen ebenfalls anziehen, die die unwahrscheinliche Kraftwerks-Verstaatlichung ja noch lauter propagierten.

Nun will ich auch nicht populistisch alle Politiker in einen Topf werfen. Auch vor der Wahl gab es durchaus differenzierte Äußerungen von Kandidaten und Volksvertretern. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben: Wirklich klar von dem Vorschlag distanziert hatte sich als einzige Partei die FDP mit ihrem Stimmkreiskandidaten Tim Sachs. Genutzt hat es den Liberalen wenig. (ast)

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