80 Jahre Kriegsende: Schüler und Vize-Bürgermeisterin erarbeiten Ausstellung - „Fast wie Pionierin“

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Gaben Einblicke in ihre Recherchearbeiten: (v. li.) Gymnasiastin Paula Englert, Filmemacher Michael von Ferrari, Ickings Vize-Bürgermeisterin Claudia Roederstein, Schuldirektor Stefan Nirschl und Lehrerin Susanne Schäfer. © Sabine Hermsdorf-hiss

Das Kriegsende 1945 markiert gleichzeitig Ende und Neuanfang. Wie genau diese Zeit in Icking ablief – das wollen die Vize-Bürgermeisterin und Schüler des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums herausfinden.

Icking - Zwölf Jahre Nazi-Herrschaft hinterließen in Deutschland vor 80 Jahren Schutt und Asche. Das Kriegsende 1945 markiert gleichzeitig Ende und Neuanfang. Wie genau lief diese Zeit – die Tage vor der Kapitulation und die Wochen danach – in Icking ab? Das wollen Ickings Vize-Bürgermeisterin Claudia Roederstein und Schüler des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums gemeinsam herausfinden.

Seit Anfang 2025 arbeiten sie mit Erinnerungen, Fotos und anderen historischen Quellen. Wie genau sie dabei vorgehen, berichteten Roederstein, Lehrerin Susanne Schäfer, Schülerin Paula Englert und Direktor Stefan Nirschl am Montag in einem Pressegespräch.

80 Jahre Kriegsende in Icking: Erinnerungen langfristig lebendig halten

„Wir möchten die Erinnerungen lebendig halten. Und zwar nicht nur, indem wir einmal eine Stunde lang daran erinnern, sondern langfristig darauf aufbauen“, so Roederstein. Ehrenamtlich hat die Ickingerin zu besagten Erlebnissen bereits zwölf Zeitzeugen aus der Gemeinde interviewt.

Sechs bis acht Gespräche stehen noch aus. Einiges hat die Vize-Bürgermeisterin durch ihre Recherchen herausgefunden: Bereits im April 1945 wussten auch die Ickinger, dass der Krieg langsam dem Ende zugeht. „Wahnsinnig groß war daher die Angst, ob nun die Amis oder die Russen zu uns kommen.“

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Am Wenzberg habe man im großen Stil Unterlagen aus der NS-Zeit verbrannt. Genauso berichteten ihr Zeitzeugen vom Todesmarsch der KZ-Häftlinge, die durch Dorfen zogen. Roederstein: „Das sind lauter Mosaiksteine – und die versuchen wir nun zusammenzufügen.“ Sie spricht bewusst von „wir“.

Denn nicht nur die Vize-Rathauschefin recherchiert zum Kriegsende in der Isartalgemeinde, sondern auch neun Gymnasiasten der 12. Klasse, die sich im Rahmen ihres W-Seminars „Befreiung und Wiederaufbau“ mit dem Thema auseinandersetzen. Bis zum Herbst soll daraus eine gemeinsame Ausstellung entstehen.

80 Jahre Kriegsende: Münchner Familien flohen in die Isartal-Gemeinde

„Ich wollte den Schülern zeigen, dass ein Archiv nicht tot ist, man damit arbeiten kann. Und seine Ergebnisse daraus in Relation setzen und einordnen kann“, erläuterte Susanne Schäfer, Leiterin der Fachschaft Geschichte und Seminarleiterin. Bei ihren Schützlingen stieß sie auf großes Interesse.

Beispielsweise bei Paula Englert. „Im Archiv las ich von Namen, die mir bereits etwas sagten, von Orten, die ich heute in Icking kenne. Das war total faszinierend“, berichtete die 18-jährige Walchstadterin. „Man fühlt sich fast wie eine Pionierin, weil es dazu noch keine Literatur gibt.“ Mit Erstaunen las die junge Frau beispielsweise, dass eine Schwangere am 9. Mai 1945 vom Bürgermeister einen Passierschein benötigte, um zur Entbindung mit dem Radl nach München in die Klinik fahren zu dürfen.

Man fühlt sich fast wie eine Pionierin, weil es dazu noch keine Literatur gibt.

Gleichzeitig sei es bedrückend gewesen, sich mit den Ereignissen vor 80 Jahren auseinanderzusetzen. „Es beschäftigt einen, man denkt viel darüber nach. Vor allem kann ich nicht verstehen, wie es damals so weit kommen konnte.“ Ein enger Bezug bestand zur Landeshauptstadt. Einige Münchner Familien besaßen in Icking Wochenendhäuser. Im Krieg flohen viele von ihnen aufs Land, verlagerten ihren Lebensmittelpunkt in das Dorf im Isartal.

Stichwort Kriegsende in München: Zu diesem Thema wird am Mittwoch, 7. Mai, im Ickinger Gymnasium der Dokumentarfilm „Ruinenschleicher und Schachterleis“ von Michael von Ferrari gezeigt (siehe Kasten). Einst besuchte der Münchner selbst das Ickinger Gymnasium.

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„Deshalb ist es für mich wirklich etwas Besonderes, dass ich dort meinen Film zeigen darf“, sagte er im Pressegespräch. Ganz wichtig ist von Ferrari, dass junge Menschen die Dokumentation sehen, an die schwierige Zeit damals erinnert werden. Dieser Meinung ist auch Roederstein: „Wenn sich die Jungen für das Thema interessieren, ist das für mich das Allerschönste.“ kof

Filmvorführung

Der Dokumentarfilm „Ruinenschleicher und Schachterleis“ von Michael von Ferrari, Angelika Wimbauer und Lutz Eigel wird am Mittwoch, 7. Mai, um 19 Uhr im Konzertsaal des Ickinger Gymnasiums vorgeführt. 28 Frauen und Männer, die das Kriegsende und die Nachkriegszeit in München erlebten, erzählen von ihrer Kinder- und Jugendzeit, vom Überleben, von Entbehrungen und Prügelstrafen, von Schulen ohne Papier, von US-Soldaten, Cola und auch von der Sprachlosigkeit ihrer Eltern über die Nazi-Vergangenheit.

Ergänzt wird das Ganze mit Fotos und Original-Filmausschnitten. Auch von Ferrari wird als ehemaliger Schüler zu Gast sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Im Anschluss stellen Vize-Bürgermeisterin Claudia Roederstein und die W-Seminar-Schüler erste Ergebnisse ihrer Arbeiten zum Kriegsende in Icking vor. Der Eintritt ist frei, über Spenden ist der Förderverein des Gymnasiums dankbar. Für Getränke ist gesorgt.

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