Einsamer Abi-Jahrgang in Bayern: Prüfungen starten für nur wenige junge Menschen
Weniger Schüler als sonst treten heute zu den Abitur-Prüfungen an. Denn wegen der Umstellung von G8 auf G9 gibt es keinen regulären Abi-Jahrgang.
Geretsried – Selten war es so einfach, sich besonders zu fühlen wie dieser Tage. Zumindest für Martha Marlies. Die 18-Jährige aus Geretsried gehört zu den etwa 5500 jungen Menschen, für die heute in Bayern das Abitur beginnt. In allen anderen Jahren sind es etwa 34.000. Aber dieser Jahrgang ist außergewöhnlich. „Ich finde es schön, in diesem Jahr Abi zu machen“, sagt Martha Marlies. Das macht es noch unvergesslicher, findet sie.
2025 kaum Abiturienten in Bayern: Umstellung ist der Grund
So richtig spüren wird sie das „besondere Abi“ erst heute, mit der ersten Prüfung. Die vergangenen Wochen hat sie genau wie ihre Mitschüler vor allem am Schreibtisch verbracht, englische Vokabeln gepaukt oder über mathematischen Gleichungen gegrübelt. Die 18-Jährige besucht das Gymnasium Geretsried und hat dort die Mittelstufe plus gewählt. Dadurch hatte sie vier statt drei Jahre Zeit für den Stoff der Mittelstufe und dafür weniger Nachmittagsunterricht. Ein Teil ihres Jahrgangs hat bereits vor einem Jahr Abi geschrieben, die Mittelstufe-plus-Schüler sind erst dieses Jahr dran – und damit in einem Jahr, in dem es wegen der Umstellung von G8 auf G9 kaum Abiturienten gibt in Bayern.

Am Geretsrieder Gymnasium spüren die Schüler das etwas weniger als an anderen Schulen – denn die Schule gehört zum sogenannten Auffangnetz. Rund 100 der 430 Gymnasien in Bayern wurden zu Auffangschulen deklariert, allein in Oberbayern gibt es mehr als 25. Sie bieten in diesem Jahr ein letztes Mal Prüfungen nach den Bedingungen des G8 an. Für Martha Marlies und ihre Mitschüler bedeutet das, dass sie einige der Abiturienten nicht kennen, die heute mit ihnen die Deutschprüfung schreiben werden. Sie kommen von Schulen, an denen keine Prüfungen stattfinden. Neben Mittelschule-plus-Absolventen sind die Abiturienten in diesem Jahr Schüler, die das Abi im vergangenen Jahr nicht bestanden haben oder zurückgetreten sind. Oder diejenigen, die nach dem Mittleren Schulabschluss gezielt auf die Qualifikation der Oberstufe hingearbeitet haben. Vereinzelt gibt es noch einige Schüler, die die Lernzeit verkürzt haben und ihr Abi vorzeitig ablegen.
„Mathelehrerin hofft, dass wir alle durchkommen“
Auch Carla Schröder gehört zu den Mittelstufe-plus-Schülern aus Geretsried. Sie hat sich Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn sie das Abi nicht schafft. Denn die ersten G9-Abiturienten im kommenden Jahr haben nach einem anderen Lehrplan gelernt. „Unsere Mathelehrerin hat gesagt, sie hofft, dass wir alle durchkommen“, erzählt die 18-Jährige. Eine zweite Chance gäbe es im Herbst. Wer die Prüfung jetzt nicht besteht, kann im September oder Oktober die drei schriftlichen und die beiden mündlichen Abi-Prüfungen im G8-System noch einmal absolvieren. Carla Schröder versucht, sich so wenig Stress wie möglich deswegen zu machen. „Nervös bin ich natürlich trotzdem.“ Aber das wäre sie auch, wenn es ein ganz normales Abi-Jahr wäre.
Gegen die Nervosität hilft Vorfreude auf die Zeit nach den Prüfungen. Carla Schröder wird mit ihrer Familie Urlaub machen und dann einen Tanzkurs mit ihren Freunden – für den Abiball. Denn da es in Geretsried rund 80 Abiturienten gibt, müssen sie auch auf die Feiern nach dem Abi nicht verzichten. Und für Martha Marlies wird es nach dem Abitur erst richtig spannend. Sie reist im August für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Kolumbien. Auslandserfahrung hat sie bereits. Sie hat die 10. Klasse in Amerika gemacht. Dank Mittelschule plus konnte sie danach auf Probe vorrücken und musste das Jahr nicht wiederholen. Ein paar ihrer Freundinnen aus demselben Jahrgang haben ihr Abitur bereits letzten Sommer gemacht. Martha Marlies hat es nicht bereut, dass sie sich ein Jahr länger Zeit ge㈠geben hat. Rückblickend sagt sie: „Es war schön, noch mehr Zeit mit meinen Freunden verbringen zu können.“