Taufkirchen: Bürger wehren sich gegen Großsiedlung in Flaring
Im Taufkirchener Ortsteil Flaring ist ein Neubaugebiet mit 113 Wohneinheiten geplant: Jetzt starten Anwohner eine Petition gegen die Großsiedlung.
Große Plakate untermauern die Sorgen der Anwohner vor einem geplanten rund vier Hektar großen Baugebiet in Flaring. Immer mehr Taufkirchener finden das Vorhaben überdimensioniert in dem dörflichen Ortsteil. Sie fürchten dramatische Auswirkungen auf die Natur, vor allem durch Hochwasser, und horrende Folgekosten in den Ausbau der Infrastruktur für die hoch verschuldete Gemeinde. Mit einer Petition und Unterschriftenliste wollen sie Bürgermeister Stefan Haberl und den Gemeinderat zum Umdenken bewegen.
Waren es anfangs fast 140 Wohneinheiten, die in Geschosswohnungen, Tiny-, Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern entstehen sollten, sind es nur mehr 113, weil ein Anlieger seinen Grund nicht mehr verkaufen wird.
Ausbau Zufahrtsstraße
Die Straße von der B15 in Richtung Waldbad ist für die zu erwartende Verkehrszunahme nicht ausgelegt, eine Verbreiterung wegen bestehender Bebauung und fehlender Bereitschaft der Anlieger, dafür Grund zu verkaufen, ist nicht vorhanden. Soll es dann zu Enteignungen kommen, fragen sich die Betroffenen. Und wer soll das am Ende bezahlen?
Heute schon nutzen die Straße viele regelmäßig als Abkürzung, sagt Landwirt Thomas Hupfer. Sein Betrieb grenzt direkt an das umplante Areal. Ein weiteres Problem für den 45-Jährigen ist, dass seine Hofstelle von der Zufahrt für die neue Siedlung durchkreuzt wird. Eine breitere Straße sowie noch mehr Verkehr würden seine Arbeitsabläufe so sehr behindern, dass seine berufliche Existenz gefährdet sei.
Er sei zwar als einziger Anlieger von Bürgermeister Haberl und dem damaligen Geschäftsführer Martin Bauer vorab informiert worden, dass ein Bauvorhaben geplant sei, jedoch ohne konkrete Details. Für ihn sei der Umfang der Planung ein Schock.
Gemeinderätin Sosa Balderanou hatte mehrfach – auch in der Gemeinderatssitzung – nachgefragt, ob mit den betroffenen Anwohnern gesprochen wurde. Dies wurde bejaht. Betroffene jedoch beteuern, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspreche.
Mangelnde Infrastruktur
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Die über den Bach führende Brücke sei vor rund 20 Jahren errichtet worden, aber nur einspurig befahrbar, erklärt Christian Lohner, der ebenfalls direkt an der Straße seine Hofstelle hat. Ihm ist der Naturschutz wichtig. „Wir sind nicht prinzipiell gegen eine dortige Bebauung, aber bitte in einem verträglichen Rahmen.“
Der Klimawandel mache sich bemerkbar, Starkregenereignisse häuften sich. Vor zwei Jahren habe er zwei Mal Wasser im Keller gehabt, obwohl er erhöht wohnt. Eine Elementarversicherung würde ihn 850 Euro im Jahr kosten. „Was müssen dann die neuen Anlieger im Tal dafür erst berappen?“, fragt er. Der Kanal sei jetzt schon überlastet, müsse also ausgebaut werden.
Außerdem seien durch den Zuzug mehr Kita-Plätze notwendig, ergänzt Lenje Gatz. Ein weiteres Problem sei die ärztliche Versorgung in Taufkirchen. Diese sei bereits am Anschlag. Durch einige hundert mehr Einwohner werde sich die Situation noch verschlimmern, ist sich die Ärztin und Unternehmensberaterin sicher.
Die Anwohner sehen durch den Ausbau der Infrastruktur, sei es der Kläranlage, der Zubringerstraße, der Erweiterung von Kindergärten auf die Gemeinde und damit auf die Bürger hohe Kosten zukommen.
Hochwassergefahr
Sie habe Experten zum Thema Hochwasser kontaktiert, sagt Gatz. Wenn durch die Bebauung 30 000 Quadratmeter Grund versiegelt würden, falle in kurzer Zeit so viel Regenwasser an, dass Zisternen nicht ansatzweise reichen würden. Allein für die geplanten Dachflächen von 17 200 Quadratmetern seien knapp 3000 Quadratmeter Versickerungsfläche nötig. „Die Verdichtung wird die Hochwassergefahr für alle, die nah am Fluss wohnen, deutlich erhöhen. Denn es ist keine Versickerung geplant, sondern stumpfes Ableiten“, sagt sie. „Seit 2020 haben wir hier jedes Jahr Hochwasser und der Weg entlang des Baches, der künftig als Ausweichstraße dienen soll, ist jedes Mal unter Wasser gewesen.“
Gatz kritisiert, dass die regelmäßigen Regen-Peaks nicht bei der Planung berücksichtigt worden seien. Ein Hochwasserkonzept wie die Gemeinde zu erstellen, sei löblich, aber man sollte es nicht nur diskutieren.
Zerstörung der Natur
Ein Großteil des neuen Baugebiets liege im Trinkwasserschutzgebiet, sagt Gatz. „Während andere Gemeinden Versickerungsbereiche für den Erhalt unseres Grundwassers schaffen, bauen wir sie mit Beton zu.“ Jeder wisse, Trinkwasser werde zunehmend knapp. 4,5 Hektar Trinkwasserschutzgebiet zuzubauen, sei unverantwortlich.
Stellungnahme des Bürgermeisters
„Ich nehme die Ängste der Bürger ernst“, erklärt Taufkirchens Bürgermeister Stefan Haberl. Er habe ein Gespräch mit der Petitionsführerin und zwei unmittelbaren Nachbarn gesucht. Dabei habe er sich auch entschuldigt, wenn es Informationsdefizite gegeben habe. Er werde für transparente Informationen sorgen, versprach er. Auch in der Bürgerversammlung wurde das Thema angesprochen und es habe keine Fragen gegeben. Die Gemeinde spüre eine starke Nachfrage nach Bauland. In Flaring habe sich die Möglichkeit für Grunderwerb geboten. Man habe 200 Anfragen nach Bauland. Der Verkauf werde nach Vergaberichtlinien erfolgen, der Bodenrichtwert liege aktuell bei 550 Euro. Es werde eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung geben, bei der um die 40 Fachstellen angefragt würden. Sollte Hochwassergefahr bestehen, müsse man sehen, welche Maßnahmen und Lösungen es dafür gebe. Für die Kläranlage liege ein Ertüchtigungskonzept vor. Im Kinderhaus Gutswiese gebe es 100 weitere Kita-Plätze.
Die massive Bebauung werde auch Einfluss haben auf die seltenen Eisvogel-Populationen, Libellen und Amphibien, die es noch an der Vils gebe, ist Gatz sich sicher. Sie fordert den Erhalt dieser Au-Landschaft.
Probleme für Landwirtschaft
Landwirt Thomas Hupfer führt einen Rinderaufzuchtbetrieb, bei dem es betriebsbedingt rund um die Uhr laut und unruhig ist. Er erinnert daran, dass durch die gesetzlichen Bestimmungen seine Ställe intensiv belüftet werden – gerade im Sommer komme es zu einer deutlichen Zunahme der Geruchsemissionen.
Er fürchtet, dass sich die neuen Siedler durch den Lärm und Geruch seines Betriebs gestört fühlen werden. Christian Lohner ergänzt, dass durch das abgeleitete Wasser die Wiesen und Felder an der Vils kaum noch nutzbar sein würden.