Medikamente ohne Rezept: Was Warkens Apothekenpläne für Sie bedeuten

Seit Wochen wird die geplante Apothekenreform diskutiert und kritisiert. Viele der bisher besprochenen Punkte bezogen sich jedoch eher auf die internem Apothekenstrukturen. Nun liegt ein Referentenentwurf für das sogenannte Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) vor, welcher einen direkten Einfluss auf die Patientinnen und Patienten hätte. Demnach sollen "öffentliche Apotheken weitere Aufgaben in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung" wahrnehmen. 

So sollen künftig etwa die sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen (pDLs) erweitert werden, indem unter anderem die "Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und weiteren tabakassoziierten Erkrankungen sowie die Früherkennung von hierfür maßgeblichen Erkrankungsrisiken" gesetzliche Apothekenleistungen werden. Darüber hinaus sollen Apotheken in bestimmten Fällen verschreibungspflichtige Medikamente ohne ärztliche Verordnung abgeben und weitere Impfungen verabreichen dürfen.

So sollen Sie verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept bekommen

Neben der geplanten pDL-Erweiterung sollen Apotheker und Apothekerinnen unter bestimmten Umständen künftig auch verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abgeben dürfen.

Das soll zum Beispiel bei "unkomplizierten Ausprägungen bestimmter akuter Erkrankungen" der Fall sein. Welche genau das umfasst soll später nach Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgelegt werden. Möglich wären zum Beispiel leichte Infekte oder Entzündungen.

Auch bei einer bekannten Langzeitmedikation soll die neue Regel gelten. Dafür muss das Arzneimittel vorher über einen Zeitraum von mindestens vier Quartalen, also einem Jahr verordnet worden sein. Der Nachweis darüber soll über die elektronischen Patientenakte (ePA) laufen

Nur ein Einzelfällen anzuwenden

Laut Entwurf soll es sich dabei aber nur um Einzelfälle handeln, bei denen die Arzneimittel "einmalig in der kleinsten Packungsgröße abgegeben werden, sofern die Fortführung der Anwendung des Arzneimittels keinen Aufschub erlaubt". 

In sensiblen Fällen soll es von dieser Möglichkeit Ausnahmen geben: "Im Sinne der Patientensicherheit gilt dies insbesondere nicht für Arzneimittel mit hohem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial". Auch Arzneimittel, die "off label“, also außerhalb der von der zuständigen Zulassungsbehörde genehmigten Anwendungsgebiete, verschrieben wurden, sind ausgenommen. 

Auf diese Dienstleistungen haben Sie bereits jetzt Anspruch

Bereits jetzt haben Patientinnen und Patienten Anspruch auf fünf pDLs in Apotheken. Diese wurden 2022 eingeführt um die Versorgung der Versichterten zu verbessern und ein niederschwelliges Angebot außerhalb von Arztpraxen anzubieten

Jeweils einmal jährlich haben Versicherte seit 2022 Anspruch auf

  1. Blutdruckmessung bei diagnostiziertem Bluthochdruck
  2. Einweisung in Inhalationstechnik, etwa bei einem neuen Inhaliergerät
  3. erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation (mehr als fünf verschiedene verordnete Arzneimittel)
  4. pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie
  5. pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten

Je nach Kapazität führen diese die Apotheken spontan oder per Termin durch. Den können Sie direkt bei den Apotheken buchen – entweder telefonisch oder über ein Online-Buchungssystem, welches mittlerweile viele anbieten.

Vier weitere Dienstleistungen sollen hinzukommen

1. Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus

  • Rauchen,
  • Bewegungsmangel,
  • Fehlernährung,
  • Stress)

und zu Risikoerkrankungen wie

  • Diabetes mellitus,
  • Bluthochdruck,
  • Fettstoffwechselstörungen
  • und Adipositas

umfassen.

Auch zu Optionen zur lebensstilbezogenen Vorbeugung und verschiedenen Früherkennungsangeboten, wie dem "Check-up" soll in der Apotheke beraten werden. Zum Einsatz kommen sollen dabei zum Beispiel Blutdruckmessungen und die Messung des Body-Mass-Index (BMI).

Blutdruck Apotheken
Bereits jetzt können Personen mit Bluthochdruck ihre Werte in der Apotheke checken lassen. Wenn Sie mindestens einen verordneten Blutdrucksenker einnehmen, haben Sie darauf einmal jährlich Anspruch. GettyImages/South_agency

2. Beratung zur Vorbeugung tabakassoziierter Erkrankungen

Apotheken sollen zukünftig auch bei der Tabakentwöhnung beraten und begleiten. Personen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, sollen dann einmal im Jahr Anspruch auf ein kurzes, zielgerichtetes Gesprächs- oder Beratungsangebot sowie Informationen über weiterführende Hilfsprogramme bekommen.

3. Pharmazeutisches Medikationsmanagement bei komplexer oder neu verordneter Dauermedikation

Die Apotheke soll die Arzneimitteltherapie während einer ärztlichen Behandlung begleiten. "Im Sinne eines Managements ist bei dieser Maßnahme von einer fortlaufenden Patientenbetreuung mit Interventionsmöglichkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten und Erfolgskontrollen bei strukturierter interprofessioneller Kommunikation auszugehen" heißt es dazu im Gesetzentwurf.

Als einzige pDL muss diese verpflichtend ärztlich verschrieben werden. In der Begründung heißt es "Es soll ärztlich entschieden werden, ob Patientinnen oder Patienten eine stärkere pharmazeutische Betreuung benötigen." 

4. Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Autoinjektoren 

Bei der letzten geplanten pDL soll es ähnlich wie bei der Einweisung in Inhalationstechnik, um eine Demonstration gehen. Zu den Autoinjektoren zählen beispielsweise Adrenalinpens bei allergischen Schocks oder Insulinpens bei Diabetes. 

Mehr Impfungen in den Apotheken geplant

Zudem sollen Apotheken zukünftig Impfungen mit allen Impfstoffen, die keine Lebendimpfstoffe sind, durchführen können. Seit 2020 dürfen sie bereits gegen Grippe impfen, seit 2022 gegen das Coronavirus. Mit den neuen Plänen könnten sich Versicherte dann beispielsweise auch Tetanus- und FSME-Impfungen in den Apotheken geben lassen.

Apothekerverband kündigt "massiven politischen Widerstand" an

Durch die Neuerungen soll "die Wirtschaftlichkeit der Apotheken verbessert und ein flächendeckendes Netz an Präsenzapotheken weiterhin erhalten bleiben", heißt es im Entwurf. 

Zwar begrüßt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) die stärkere Einbindung der Apotheken in die Primärversorgung. Das sei aber aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Apotheken überhaupt nicht leistbar, erklärte Abda-Präsident Thomas Preis am 21. Oktober. Diese Pläne würden "ad absurdum geführt, wenn man die Apotheken kaputt spart. Denn nur wirtschaftlich stabile Apotheken und ein flächendeckendes Apothekensystem können diese zusätzlichen Aufgaben hinreichend stemmen."

Problematisch sei dabei vor allem, dass die Apothekenreform in den Bereichen der Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln, den Öffnungszeiten von Apotheken und der Dienstbereitschaft Änderungen vorsieht. Laut Preis hätten diese "in Summe zur Folge, dass die qualitativ hochwertige Versorgung der Bürgerinnen und Bürger durch Apotheken immer weiter ausdünnt und schließlich ganz zusammenbrechen könnte." Auch die Mechanismen für zukünftige Honoraranpassungen seien "völlig unzureichend und viel zu ungenau". 

Aus Sicht der Apotheken sei das so nicht akzeptabel und werde "massiven politischen Widerstand zur Folge haben". Die Verbände können sich bis Anfang November dazu im Bundesgesundheitsministerium äußern. Danach wird sich entscheiden, ob das Gesetz so umgesetzt wird.