Für viele Patientinnen und Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, ist diese die letzte noch offene Behandlungsmöglichkeit. Doch Spenderorgane sind rar, in der Regel werden mehr benötigt als gespendet werden – über 8000 Menschen standen daher Ende Dezember in Deutschland auf der Warteliste. Über 600 Personen warten hierzulande gerade auf eine Herztransplantation.
Eine vielversprechende Möglichkeit liegt darin, nur einen Teil eines Herzens zu transplantieren. Europaweit das erste Mal gelungen ist das nun einem Ärzte-Team aus Genf. Wie die "Universitätsspitäler Genf" am 16. Oktober mitgeteilt haben, hat der 12-jährige Patient die Operation gut überstanden und das Krankenhaus bereits verlassen.
Schweres Schicksal seit der Geburt: Ein angeborener Herzfehler
Nach Angaben der Mediziner litt der Junge an einem angeborenen Herzfehler, einer anhaltenden Truncus arteriosus. Dabei treten die Aorta und die Lungenarterie nicht getrennt aus dem Herzen aus, sondern aus einem einzigen Blutgefäß. Symptome sind neben einer blauen Hautfärbung vor allem Beschwerden einer Herzinsuffizienz. Darunter
- Kurzatmigkeit,
- schlechte Nahrungsaufnahme,
- Schwitzen
- und schnelle Atmung.
Der Junge hatte zum Zeitpunkt der Transplantation bereits drei Operationen hinter sich, in denen ihm sogenannte "biologische" Herzklappenprothesen eingesetzt worden waren. Diese werden in der Regel aus Gewebe von Rindern oder Schweinen hergestellt. Zwar sind diese gut verträglich, halten aber nicht lange – gerade für jüngere Patienten, insbesondere Kinder ein Problem.
In den letzten Jahren begannen jedoch beide ersetzten Klappen zu versagen. "Er verglich sich mit seinen Freunden: Er war nicht so schnell wie sie und nicht so stark wie sie", erinnert sich seine Mutter. "Er begann, einige Hobbys aufzugeben, weil er zu müde war. Das Schwierigste für ihn war, wenn sein Körper einfach nicht mehr mitmachte."
Partielle Herztransplantation als letzter Ausweg
Als es dem Jungen immer schlechter ging, musste eine Alternative zu den zwei herkömmlichen Behandlungsoptionen her. Allerdings bringen beide auch Nachteile mit sich, wie die Mediziner berichten.
- Mechanische Herzklappen aus Carbon erfordern eine lebenslange Therapie mit Blutgerinnungsmitteln wie Marcumar.
- Biologische Herzklappen verschleißen mit der Zeit und müssen wiederholt ersetzt werden, was insbesondere bei Kindern im Wachstum problematisch ist.
"Wir mussten uns zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Option entscheiden und ... etwas Neuem", berichten die Genfer Ärzte.
Die Wahl der Mediziner um Tornike Sologashvili und Julie Wacker fiel auf das Neue: Statt eines ganzen Spenderherzens transplantierten sie nur die Herzklappen, während das eigene Herz des Kindes erhalten blieb.
Erfolgreiche Transplantation von zwei "gespendeten" Herzklappen
Bei der Operation wurden die beiden Klappen transplantiert, die für das Pumpen des Blutes aus dem Herzen verantwortlich sind:
- Aortenklappe
- Pulmonalklappe.
Im Gegensatz zu mechanischen oder biologischen Herzklappen, die routinemäßig verwendet werden, wachsen die transplantierten Klappen mit dem Kind mit. "Der Herzmuskel bleibt erhalten, das Risiko einer Abstoßung wird deutlich verringert und die Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie ist begrenzt", berichtet Kinder-Kardiologin Wacker.
Das Verfahren würde Patientinnen und Patienten mit bestimmten angeborenen Herzfehlern daher wichtige Perspektiven liefern.
Operation bisher einmalig in Europa
Das erste Mal kam dieses Verfahren 2022 an der Duke University in den USA zum Einsatz. Seitdem wurde diese "partielle" (teilweise) Herztransplantationen nur etwa 30 mal durchgeführt – alle in den Vereinigten Staaten.
Diese gesunden Herzklappen werden dabei von Spendern entnommen, deren gesamtes Herz aufgrund einer beeinträchtigten Herzfunktion oder des Fehlens eines kompatiblen Empfängers nicht für eine vollständige Transplantation verwendet werden kann. Das erhöht die Chancen passende Spender zu finden enorm.
Dem Team aus Genf ist die rund fünfstündige Transplantation das erste Mal nun auch in Europa gelungen.