Banken fürchten Finanzkrise: An Putin schleicht sich langsam ein Geldproblem heran

Was das Nachrichtenmagazin Bloomberg berichtet, könnte eine Wende im Ukraine-Krieg einleiten. 

  • Vertreter von mindestens drei systemwichtigen Banken haben darüber gesprochen, wie sie sich am besten vom Staat retten lassen.
  • Offenbar brauchen die Banken innerhalb der kommenden zwölf Monate Geld, weil ihnen Kredite auszufallen drohen.
  • Offiziell stehen die Banken gut da. Interne Dokumente und Aussagen von Beschäftigten zeigten jedoch, dass viele Kredite in deutlich größerer Gefahr sind als angegeben.
  • Können zu viele Firmen und Personen ihre Kredite nicht zurückzahlen, droht eine Finanzkrise: Dann muss der Staat Banken retten.

Ursache dieser Probleme ist der Ukraine-Krieg. Die Finanzkrise könnte Russland in diesem entscheidend schwächen.

Die Ausgangslage: Rüstungsboom überzeugt Russen vom Krieg

Die Krise entsteht, weil Russland die Folgen westlicher Sanktionen gegen seine Wirtschaft lange durch mehr Staatsausgaben ausglich: 

  • Alleine im vergangenen Jahr steigerte Russland seine Verteidigungsausgaben um 25 Prozent.
  • Hohe Gehälter für Soldaten und Rüstungsbeschäftigte, Zahlungen an Witwen Gefallener, günstige Kredite und Staatshilfen beim Hauskauf trieben den Wohlstand der Russen.
  • Die russische Wirtschaft wuchs 2023 und 2024 um mehr als vier Prozent, berichtet die Financial Times.
  • Putin ließ für Rüstung und Subventionen neues Geld drucken sowie Erspartes ausschütten. Dadurch stiegen Geldmenge und Inflation - auf zuletzt zehn Prozent.
  • Viele Russen fühlten sich trotzdem reicher als vorher: die Löhne stiegen noch stärker als die Inflation, die Zahl der Arbeitslosen sank. Rentner und Staatsbedienstete wie Lehrer profitierten zwar weniger. Insgesamt bewerteten viele Russen ihre finanzielle Lage zuletzt so gut wie lange nicht. 

Weil sich die Menschen besser fühlten, unterstützen mehr von ihnen den Krieg in der Ukraine, sagt der russische Oppositionelle Alexey Minyaylo. 

  • Will der Westen den Krieg in der Ukraine gewinnen, müsse er den Russen das Gefühl nehmen, davon zu profitieren, meint Minyaylo. Aus diesem Grund verschärft die EU immer wieder ihre Sanktionen gegen Russland.
  • Putin versuche hingegen, die Menschen durch höhere Löhne hinter sich zu bringen. 

Diesem Konflikt entwächst die drohende Finanzkrise.

Die Wende: Wirtschaft schwächelt

Derzeit mehren sich die Zeichen, dass die russische Wirtschaft trotz Rüstungsmilliarden schwächelt.

  1. Die russische Zentralbank hat ihren Leitzins auf 20 Prozent geschraubt, um die Inflation zu bekämpfen. Unternehmen können sich dadurch aber kaum noch Kredite leisten. Das bremst die Wirtschaft.
  2. Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für Russland auf 1,5 Prozent für 2025 und 0,9 Prozent für 2026 gesenkt. Deutlich weniger als die vier Prozent in den vergangenen beiden Jahren.
  3. Die niedrigen Öl- und Gaspreise belasten die Staatsfinanzen: Rund ein Drittel der russischen Einnahmen stammt aus dem Rohstoffhandel. Sinken diese, sinkt die Fähigkeit des Staates, die Wirtschaft zu befeuern.
  4. Auch die Ersparnisse des Staates gehen zur Neige. Nach Daten des russischen Finanzministeriums sanken die flüssigen Rücklagen des Staatsfonds seit dem Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 um rund ein Drittel. Gemessen am wachsenden Staatsdefizit könnten sie in diesem Jahr aufgebraucht werden, sagt Benjamin Hilgenstock von der Kyiv School of Economics. Einen Teil des Geldes (rund 300 Milliarden Euro) hat der Westen bereits durch Sanktionen eingefroren.
  5. Die Löhne steigen seit Anfang des Jahres schwächer als zuletzt, ergab eine Auswertung von Jobanzeigen der Financial Times.

Die Wirtschaft kühle sich ab, fasste Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow auf einer Konferenz in St. Petersburg zusammen: "Nach der derzeitigen Stimmung zu urteilen, stehen wir vor einer Rezession."

Weniger Geld und weniger Ersparnisse bedeuten: Das ohnehin geschwächte Land kann eine Finanzkrise jetzt schlechter bewältigen.

Der Ausblick: Noch keine Katastrophe für Putin, aber es wird ernst

Die Russen könnten den Krieg bald im eigenen Geldbeutel spüren, meinen Experten. Die Möglichkeiten des Staates, westliche Sanktionen durch Mehrausgaben auszugleichen, scheinen zunehmend aufgebraucht:

  • Bleibt der Ölpreis niedrig und sind die Staatsrücklagen aufgebraucht, muss sich Putin anderswo Geld beschaffen oder Ausgaben kürzen.
  • Geld beschaffen kann sich Putin wohl schwer: Ausländische Investoren kaufen bislang kaum russische Staatsanleihen. Am Anleihemarkt findet Russland wohl kein neues Geld. Höhere Exportzölle bringen dem Staat zwar Mittel, schwächen aber die Wirtschaft. Auch eine schwierige Idee.
  • Bleiben nur Kürzungen, meinen Experten: Das Militär müsse Putin weiter zahlen, wenn er den Krieg weiter führen will. Also drohen Einschnitte beim Sozialen. Diese treffen die Menschen direkt, wohl besonders die vielen Rentner. Auch die russische Bevölkerung altert.
  • Trotzdem: Das Wachstum der vergangenen Jahre dürfte sich kaum fortsetzen, meinen Ökonomen. Eine tiefe Krise erwarten dennoch die wenigsten.
  • Die alternde Bevölkerung und der Ukraine-Krieg verknappen das Angebot an Arbeitskräften. Die verbleibende Bevölkerung findet also wohl weiter Jobs und kann dafür gute Löhne verlangen. "Der Arbeitskräftemangel bleibt noch lange", sagt Oleg Kuzmin von Renaissance Capital aus Moskau.

Kommt nun eine Finanzkrise zu den ohnehin bestehenden Problemen, verschärft diese die Probleme jedoch. Zwar sagt die russische Zentralbank, sie besitze viele Geldreserven, um Kredite zu retten. Wegen der schwierigen Datenlage bleiben das Ausmaß der Krise und die Fähigkeit der Zentralbank zum Gegensteuern aber schwer abschätzbar. 

Sicher scheint: Die Krise ist ernstzunehmend. 

  • "Schon jetzt steht fest, dass es nicht leicht wird", sagte Herman Gref, Chef von Russlands größter Bank Sberbank laut Bloomberg auf der Bilanzpressekonferenz seiner Firma. "Ich hoffe, wir finden gemeinsam einen Weg durch diese schwierige Zeit."
  • Banken melden zudem auch offiziell mehr gefährdete Kredite. Diese nähern sich den Werten von 2016, als der Staat die Banken schon einmal retten musste.

Inwieweit die Zentralbank jetzt gegensteuern kann, ist also offen. Die Ursachen, die Banken derzeit unter Bedrängnis bringen, bleiben aber: hohe Staatsausgaben für den Krieg, Inflation und deswegen hohe Zinsen. Ändert sich daran nichts, bleiben die Folgen, egal wie diese Runde ausgeht.

Bislang konnte noch kein Land die Probleme einer Kriegswirtschaft dauerhaft durch hohe Staatsausgaben ausgleichen. Die Zeichen mehren sich, dass auch Russland dies nicht gelingen wird.