Azubis: Betriebe im Landkreis Ebersberg müssen buhlen

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667 offene Azubi-Stellen haben die Betriebe im Landkreis Ebersberg an die Arbeitsagentur gemeldet. Ende Juli waren davon noch 315 unbesetzt. © DPA/Martin Schutt

Der Ausbildungsmarkt im Landkreis Ebersberg ist von einem Überangebot an Lehrstellen gekennzeichnet: Die Jugendlichen sind von Arbeitgebern stark umworben.

Landkreis – 667 offene Azubi-Stellen haben die Betriebe im Landkreis Ebersberg an die Arbeitsagentur gemeldet. Ende Juli waren davon noch 315 unbesetzt – also mehr als die Hälfte. Der Arbeitskräftemangel schlägt damit längst auf den Ausbildungsmarkt durch. Andererseits hatten von 529 ausbildungswilligen Jugendlichen 150 noch keine berufliche oder schulische Perspektive, so die Zahlen der Behörde.

Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger (66) wagt einen Erklärungsversuch zu diesen Zahlen, die auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen. „Viele Jugendliche haben überhaupt keine Idee“, sagt er. Oft fehle die Vorstellung, was zu den Alltagstätigkeiten von Schreinern, Raumausstattern oder Büchsenmachern gehöre. Deshalb setze die Kreishandwerkerschaft (KHW) darauf, Schülern möglichst viele Berufsbilder überhaupt erst einmal zu zeigen, etwa in den ersten Orientierungswochen in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungswerk binnen sechs Tagen drei Arbeitsplätze vorzustellen.

Kreishandwerksmeister: Die Erwartungshaltung ist „brutal hoch“

Damit sei es aber noch nicht getan. „Die Erwartungshaltung ist brutal hoch“, diagnostiziert der Kreishandwerksmeister bei einem Teil der Bewerberinnen und Bewerbern. „Sie wollen viel Geld verdienen und wenig arbeiten.“ Das sorge Für Frust – auch bei den Arbeitgebern. Dabei bereite gerade das Handwerk nach wie vor den sprichwörtlichen goldenen Boden als Lohn für Anstrengung. „Wenn ich gut bin, verdiene ich auch gutes Geld“, sagt Schwaiger.

Sonja Ziegltrum (54) vom Ebersberger Regionalausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK), beobachtet, dass weiterhin immer mehr junge Leute auf ein Studium schielten, statt eine Ausbildung zu machen. „Schade!“, findet sie. „Es gibt viele Betriebe, die ausbildungswillig sind.“ Und: „Das System ist sehr durchlässig.“ Will heißen: Beruflicher Aufstieg und Studium sind mit einer Ausbildung gut möglich. Doch gerade kleinere Firmen täten sich bei der Azubi-Gewinnung schwer: „Die sind nicht so sichtbar.“

Die Ansprüche der Arbeitgeber werden geringer

Angesichts schwindender Bewerberzahlen lässt die Chefin der Parsdorfer Blumenzentrale durchklingen, dass sie zunehmend Bewerbungen akzeptiert, die früher durchgefallen wären. Mit der Folge, dass ein Ausbildungsverhältnis manchmal in der Probezeit ende – aber immer wieder auch mit positiven Überraschungen, wenn sich junge Leute zu wertvollen Mitarbeitern mauserten.

Die neun Azubi-Plätze, die Ziegltrum in ihrer Firma anbieten könne, bekomme sie aber nicht gefüllt. Sieben Berufsneulinge im Groß- und Außenhandel sowie in der Gärtnerei werden es, falls die beiden Azubis auftauchen, die Ziegltrum zum 1. September eingestellt hat. Mittlerweile recherchiere sie vorab schon den Anreiseweg ihrer Azubis mit dem öffentlichen Nahverkehr, erzählt die IHK-Vorsitzende. Lange Wege und viele Umstiege seien ein prominenter Grund für kurzfristige Rückzieher. „Das macht keiner lange“, konstatiert sie.

Die Arbeitgeber in der Region hätten gemerkt, dass sie sich strecken müssen, wenn sie gute Bewerberinnen und Bewerber erreichen wollen, konstatieren IHK-Sprecherin Ziegltrum und Kreishandwerksmeister Schwaiger gleichermaßen. Schließlich könnten nicht alle zusätzliche Monatsgehälter zahlen, wie die in den Landkreis zugezogenen Konzerne BMW und Krauss-Maffei. Andere Anstrengungen zahlen sich aber offenbar durchaus aus. Die Handwerkskammer berichtet von 16 Prozent mehr Azubi-Neuverträgen als noch 2023, die IHK ein Plus von 18 Prozent.

Azubis erhalten Hilfe bei der Wohnungssuche

Attraktiv findet der Nachwuchs laut den beiden Arbeitgeber-Vertretern etwa Hilfe bei der Wohnungssuche, Werbung über neue Online-Plattformen wie TikTok und Instagram, flexible Arbeitszeitmodelle von der Gleitzeit bis zur Vier-Tage-Woche oder gar ein 45-km/h Auto, als „Dienstwagen“: „Die Betriebe sind mittlerweile sehr, sehr kulant“, sagt Schwaiger. Dazu gehöre auch, dass der 1. September als Ausbildungsstart nicht in Stein gemeißelt sei, räumt IHK-Fachfrau Ziegltrum ein. Bis Jahresende hätten Nachzügler noch gute Chancen, wenn sie den Schulstoff nachholen könnten.

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Ihr wichtigster Rat lautet: Sorgfalt bei der Bewerbung. „Wenigstens mal die Homepage der Firma durchlesen!“ Es sei ja verständlich, dass man nachlässig werde, wenn man auf der Suche nach einer Ausbildung 50 Anschreiben an 50 Betriebe formulieren solle. Aber die falsche Adresse, der falsche Ansprechpartner oder das Datum vom letzten Jahr machten einfach so einen schlechten Eindruck, dass es für die Arbeitgeber meist ein K.o.-Kriterium sei.

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