Indisches Springkraut und Co: Die Invasoren zerstören unsere Flora
Indisches Springkraut und andere Neophyten zerstören zunehmend die heimische Flora im Landkreis Ebersberg. Der Agrarbiologe Josef Ruegg sagt, der Kampf sei verloren. Dennoch kämpft er weiter.
Landkreis – Die Kinder lieben es, wenn seine Kapseln zwischen den Fingern schnackeln, sein schwerer, süßlicher Geruch ist Geschmackssache. Hiesigen Naturfreunden wird schon beim Anblick schlecht: Das Indische Springkraut dominiert Wald-, Feldränder und Böschungen im Landkreis Ebersberg, blüht heuer so prächtig wie lange nicht mehr. Josef Rüegg steht im orangefarbenen Hemd und Strohhut auf einer Wiese bei Englmeng im Osten Ebersbergs. Allgegenwärtig leuchten die pinken Blüten in der Augustsonne. „Der Kampf ist verloren“, sagt der 60-jährige Agrarbiologe. Er kämpft ihn trotzdem. Für den Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands, eines gemeinnützigen Vereins mit Sitz im Landratsamt, ist das mehr als nur sein Beruf. „Mir geht es darum, unsere Heimat zu erhalten“, sagt er.

Das Indische Springkraut gehört zu den Neophyten, ins hiesige Ökosystem eingewanderten Pflanzenarten. Was es zum Invasoren macht: Es raubt der heimischen Flora den Platz. „Das ist ein Verdrängungskampf“, sagt Josef Rüegg. Hinter einer Reihe Hainbuchen ist er einen Abhang hinuntergestapft. Unter seinen Schnürstiefeln schmatzt zwischen Gras und Schilf das Wasser. Zitronenfalter und Kohlweißlinge flattern zwischen Kohldistel, Wasserminze und Gilbweiderich umher. Wildbienen laben sich am Wasserdost. Die Fläche um den Antoliniweiher bei Englmeng, ein Biotop im Eigentum des Landkreises, ist ein klassisches Niedermoor. Um die Grundwasser-Quellbereiche siedeln seltene und Pflanzen und Insekten. Sumpf-Stendelwurz, Breitblättriges Knabenkraut, Mädesüß-Perlmuttfalter, Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Und zwischen dem Schilf wuchern die Neophyten.
„Da wird mir ganz übel“, sagt Josef Rüegg. Er geht in die Hocke und rupft an einem Kraut mit leuchtend gelben Blüten. Hübsch anzuschauen, ist die Kanadische Goldrute in gewisser Weise schlimmer als das einjährige Indische Springkraut, das mit konsequentem Mähen in Schach gehalten werden kann. Die mehrjährige Goldrute trotzt Balkenmäher und Winterkälte, erklärt Rüegg. Der Fachmann fährt mit dem Zeigefinger die kräftige Wurzel entlang: „Die reißt hinten ab und treibt wieder aus. Um die Goldrute wirklich sicher loszuwerden, müssten wir eigentlich zehn Zentimeter Mutterboden austauschen.“

Weil der Landschaftspflegeverband aber kein ganzes Biotop umgraben will und kann, stapfen immer wieder junge Leute im Rahmen ihres Freiwilligen Ökologischen Jahrs (FÖJ) durch die Biotope der Region und zerren, rupfen, reißen gegen den unerwünschten Bewuchs. „Zielführend, aber Sträflingsarbeit“, gibt Rüegg zu. Doch ein Biotop ist eben keine Wildnis und kein Urwald, sondern braucht Pflege, damit die Arten, die es erhalten soll, nicht das Nachsehen haben. Flächen wie am Antoliniweiher gelten als Trittsteine für jene heimischen Pflanzen und Tiere, die auf den intensiv bewirtschafteten Fluren dazwischen nicht überleben können. Die Neophyten wie Springkraut, Goldrute oder Japanischer Staudenknöterich dringen in diese Refugien vor. Das kann eine Kettenreaktion auslösen: Verdrängte heimische Pflanzenarten fallen als Nahrungsangebot für Insekten weg, die wiederum den Vögeln fehlen.

Klar könnte man auch der Natur ihren Lauf lassen und akzeptieren, dass Bambus, Riesen-Bärenklau, Schmetterlingsflieder, Asiatischer Marienkäfer, Spanische Wegschnecke und Buchsbaumzünsler im Landkreis Ebersberg heimische Tiere und Pflanzen verdrängen. „Spielt es eine Rolle, wenn wir eine heimische Art verlieren?“, fragt Rüegg rhetorisch. Für sich kennt er die Antwort. Er versetzt sich in die Perspektive seines Urgroßvaters, der wohl Orte wie den Antoliniweiher als typisch für die Region wiedererkennen würde. „Das ist Heimat“, sagt der 60-Jährige.
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Der Landkreis betreibt für solche Biotope einigen Aufwand, erzählt Rüegg. Gemäht wird mit dem Ein-Achs-Balkenmäher. Das Material wird mit der Seilwinde herausgezogen. „Alles Handarbeit“, sagt der Agrarbiologe. Umso härter trifft es ihn, wenn diese letzten Arteninseln unter den Druck der Neophyten geraten. Der Landschaftspfleger und Naturschützer richtet daher einen Appell an die Hobbygärtner, ihr Schnittgut gratis in den Kompostöfen abzugeben, und nur dort.

Oft gedankenlos im Wald verklappte Reste oder gar ausgesetzte Tierarten wüchsen sich immer wieder zum echten Problem aus. Das zeige etwa der rund 500 Quadratmeter große Bambuswald in der Frauenneuhartinger Filze, der aus einer solchen unerlaubten Entsorgungsaktion entstanden ist und nun den Naturschützern im Landratsamt gewaltiges Kopfzerbrechen bereitet. Oder aufwändige Räumaktionen wie am Ilchinger Weiher bei Kirchseeon, wo sich unerlaubt ausgesetzte Goldfische fröhlich vermehrten.

Ja, auch eingewanderte Tiere, Neozoen genannt, stellen für die Ökosysteme im Landkreis ein Problem dar, besonders am und im Wasser. Seien es Nager wie Bisam, Waschbär oder Nutria. Dazu die Dreikantmuschel, der Signal- oder der Kamberkrebs. Sie alle sind hier – und kämpfen den Verdrängungskampf mit, zählt Rüegg nur ein paar Beispiele auf.

Vom Klimawandel ist da noch gar nicht die Rede. Vögel wie der Bienenfresser oder Insekten wie der Ameisenlöwe, die Zebraspinne oder das Taubenschwänzchen profitierten von milden Wintern und steigenden Temperaturen. „Damit kommt das Ökosystem zurecht“, sagt der Landschaftspfleger über diese nicht per se schädlichen Klimaprofiteure. Doch es stehen auch andere, weniger harmlose Arten auf seinem Zettel, von denen er erwartet, dass sie bei uns eingeschleppt werden. Plagegeister wie der Ochsenfrosch, die Asiatische Hornisse oder die Feuerameise zum Beispiel. Die Asiatische Tigermücke, potenzieller Krankheitsüberträger, war auch darunter. Sie ist mittlerweile im Landkreis nachgewiesen (wir berichteten).