Immenser Schaden: Bambuswald wächst in Frauenneuhartinger Filze

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Philipp Mühlbacher, Fachreferent für Naturschutz in der Unteren Naturschutzbehörde, zeigt auf den Störfaktor. © Stefan Rossmann

In der Frauenneuhartinger Filze ist ein 500 Quadratmeter großer Bambuswald entstanden. Ein Experte zeigt an diesem Beispiel, welche schwerwiegenden Folgen die Entsorgung von Grünschnitt haben kann.

Frauenneuharting – Dass man Kühlschränke, Sofas und Restmüll nicht im Wald entsorgen darf, ist mittlerweile – fast – allen Bürgerinnen und Bürgern bekannt. Aber wie ist das mit Gartenabfällen? Natur kommt wieder in die Natur, könnte man meinen. Doch die Sache ist komplexer, als man denkt. Welche schwerwiegenden Folgen Grünschnitt oder Erdaushub für das Ökosystem haben können, zeigt ein fast 500 Quadratmeter großer Bambuswald in der Frauenneuhartinger Filze im südlichen Landkreis Ebersberg.

Ein fast 500 Quadratmeter großer Bambuswald ist in der Frauenneuhartinger Filze entstanden. Der Schaden, den der Bambus in der Filze angerichtet hat, ist immens, ökologisch und ökonomisch.
Ein fast 500 Quadratmeter großer Bambuswald ist in der Frauenneuhartinger Filze entstanden. Der Schaden, den der Bambus in der Filze angerichtet hat, ist immens, ökologisch und ökonomisch.  © SRO

Philipp Mühlbacher, Fachreferent für Naturschutz in der Unteren Naturschutzbehörde, führt an die besagte Stelle östlich des Weilers Alme. Das Mückenspray ist hier ist ratsam, ein Fahrzeug mit Allradantrieb unerlässlich. Es geht am Almersbach entlang über einen stark ausgewaschenen Waldweg, der dem Fahrer nach Regentagen ein geschicktes Manöver abverlangt. Jenseits des Baches sieht man einen lichten Birkenbestand, dazwischen Kiefern und Schwarzerlen. Bäume dürfen hier alt werden und als Totholz das Ökosystem bereichern. Der regennasse Tag verleiht dem Wald einen besonderen Reiz. Man hätte gerne mehr Zeit, um dieses nahezu unberührte Stück Natur auf sich wirken zu lassen. Da stoppt Philipp Mühlbacher sein Fahrzeug, steigt aus und deutet über den Bach. Und hier sieht man in zweiter Reihe den dichten Bambusbestand, der sich innerhalb von etwa drei Jahren über ein Viertel des Waldes ausgebreitet hat. Wo die kräftigen Halme stehen, dicht an dicht, droht nun das Aus für heimische Gewächse.

Bambus hat mehr Biomasse als jede andere Pflanze

Durch sein schnelles Wachstum besitzt Bambus auf dieser Welt mehr Biomasse als jede andere Pflanze. Man kennt ihn von tropischen Gebieten und aus dem einen oder anderen urbanen Garten nach fernöstlichem Vorbild. In Europa kommt diese Pflanze in freier Natur nicht vor, und wenn doch, dann durch kontaminierte Gartenabfälle. Seine Vorzüge sind unbestreitbar, etwa als Sauerstofflieferant oder als nachhaltiger Rohstoff. Nur: in der Frauenneuhartinger Filze sind invasive Neophyten (so der Fachbegriff für jene sich stark ausbreitenden und die Vielfalt gefährdenden Pflanzen aus anderen Kontinenten) nicht erwünscht.

Der Schaden, den der Bambus in der Filze angerichtet hat, ist immens, ökologisch und ökonomisch. Zum Bambuswald jenseits des Baches führt eine kleine Brücke und ein kaum befahrbarer Weg. Schwer, sich auszumalen, wie Bagger und Transporter dorthin gelangen sollen. Das noch größere Problem: Da sich Bambus unterirdisch über Wurzelausläufer (Rhizome) verbreitet, darf kein Wurzelstück in der Erde bleiben, damit sich nicht wieder neuer Bewuchs bildet.

Experte vermutet, das kontaminierte Erde ausgebracht wurde

Philipp Mühlbacher vermutet, dass hier nach einem Aushub eine mit Rhizomen kontaminierte Erde ausgebracht wurde. Anders ist die schnelle und flächige Verbreitung nicht zu erklären. Ließe man den Bambus stehen, würde er sich unkontrolliert ausbreiten, das Ökosystem empfindlich stören und möglicherweise auch mit großen Bäumen in Konkurrenz treten. Die Ratlosigkeit ist in jedem Satz von Philipp Mühlbacher hör- und spürbar. Er gehe davon aus, dass diese Aktion mehr als 10 000 Euro verschlingen wird.

Ein Warnhinweis in der Frauenneuhartinger Filze: Längst nicht jeder hält sich an die Anweisungen.
Ein Warnhinweis in der Frauenneuhartinger Filze: Längst nicht jeder hält sich an die Anweisungen. © SRO

Grundstückeigentümer ist der Landkreis. Der Wald wurde 2011 als Ausgleichsfläche angekauft, eine isolierte Fläche mit schlechter Zuwegung, ohne wiederkehrende Pflegemaßnahmen und in einem guten ökologischen Zustand. Die perfekte Voraussetzung also, „den Wald sich hier sich selbst zu überlassen, damit er sich von alleine und in einer standortangepassten Weise erneuern kann“, sagt Philipp Mühlbacher. Er nennt es „Luxus“ und spricht von der Notwendigkeit und den Chancen, hier „die natürliche Moorvegetation und Leitarten unter den Tieren so gut wie möglich zu erhalten“. Nun muss der Wald mithilfe von Steuergeldern vom Bambus befreit werden.

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Angesichts der Umstände in der Frauenneuhartinger Filze stellt man sich die Frage, wer um alles in der Welt sich die Mühe macht, in diesem unwegsamen Gelände seinen Gartenabfall und Erdaushub zu entsorgen, obwohl es allerorten kostenlose Entsorgungsmöglichkeiten in Kompost- und Wertstoffhöfen gibt. Das Ausbringen von invasiven Gewächsen in der freien Natur sei eine Ordnungswidrigkeit, sagt Philipp Mühlbacher, haftbar gemacht werden nicht die Eigentümer des Grundstücks, sondern die Verursacher, ihnen können die Kosten für die Entsorgung aufgebürdet werden. Dieser Hinweis ist Philipp Mühlbacher wichtig, denn wahrscheinlich sei es Unwissenheit, die zum Bambuswald geführt hat.

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