Marienkirche in Hohenlinden: Ein Uhrwerk ohne Uhr

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Alte Ansicht der kleinen Marienkirche in Hohenlinden. Hinten das Abthaus. Klar zu sehen ist, dass das Gotteshaus einmal eine Uhr hatte. © Privat

Offenbar gab es mal eine Uhr in der kleinen Kirche: Der Hohenlindener Franz Czech sucht nach Nachweisen.

Hohenlinden – Die kleine Kirche in Hohenlinden wird nur noch selten für Gottesdienste genutzt. Meist ist sie inzwischen verriegelt. Einen Schlüssel hat Mesnerin Franziska Reitmeir. Sie schaut immer wieder nach dem Rechten. Schließlich handelt es sich hier um ein historisch bedeutendes Gebäude, das ein wenig aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten ist, seit es die große St. Josef Kirche in Blickweite gibt.

Im Moment bietet das äußerlich leicht in die Jahre gekommene Gotteshaus in der Hauptstraße insbesondere im Innern eine willkommene Abkühlung. Gefühlt ist es drinnen an so manchem Sommertag 15 Grad kühler als in der prallen Sonne draußen. Das ist es aber nicht, was Franz Czech aus der Oberen Steinstraße in diesen Tagen motivierte, mit der Mesnerin und der EZ einmal den Turm des ehrwürdigen Gotteshauses im Innern zu besteigen.

Die Kirche Mariä Heimsuchung in Hohenlinden, wie sie sich heute darstellt.
Die Kirche Mariä Heimsuchung in Hohenlinden, wie sie sich heute darstellt. © J.Dziemballa

Czech hatte auf Umwegen eine mithilfe eines ganz normalen Tintenstrahldruckers angefertigte Kopie einer alten Aufnahme der Kirche erhalten; und zwar aus dem Fundus von Konrad Wolfram. Darauf zu sehen ist ein Kirchturm und eindeutig auch eine Uhr.

Dass es tatsächlich eine Zeitanzeige am Kirchturm gab außer der (leider falsch gehenden) Sonnenuhr am Haupteingang, ist allerdings nirgendwo verbrieft. Nach Czechs Recherchen gibt es weder in den Unterlagen der katholischen Pfarrei noch sonst wo Nachweise. Die Informationslage sei dünn, sagt er, will aber einstweilen noch nicht aufgeben, weitere Erkenntnisse zu sammeln.

Auch Martin Hubner, jahrelang erster Vorsitzender des Historienvereins „Hohenlinden 2000“ und Kenner der Ortsgeschichte, muss passen. An die Sonnenuhr könne er sich noch gut erinnern, schon als Kind habe er sie bewundert. An eine Uhr im Kirchturm aber nicht. Hinweise könne man bestenfalls noch im Turminnern suchen: also auf einen Standort, an dem ein Uhrwerk einmal gestanden haben könnte.

So wie Hubner geht es auch anderen: Ludwig Mauer, Bürgermeister und Hubners Nachfolger bei „Hohenlinden 2000“, weiß ebenfalls nicht mehr. Er ist auch noch rund 20 Jahre jünger als sein amtierender Vize im Verein.

Dass Czech mit seiner Vermutung jedoch richtig liegen könnte, bestätigt ein Foto, das Museumsleiter Rolf Kaiser der Heimatzeitung auf Nachfrage zur Verfügung stellte. Eindeutig zu sehen: eine Kirchturmuhr. Nach Kaisers Einschätzung könnte es sich – nach Ansicht der historischen Aufnahme – um eine Einzeigeruhr gehandelt haben, so wie sie auch schon in der Filialkirche in Kronacker verbaut worden war. Hubner: „Das wäre nicht unüblich, bei so relativ kleinen Kirchen wie hier hat man das früher oft gemacht“.

Baubeginn geht auf das 15. Jahrhundert zurück

Also: Die Holzstiege hinauf und nachschauen. Der Aufstieg im Innern des Turms der kleinen Kirche brauchte kaum weitere Erkenntnisse. Knapp hinter der Orgel auf der Empore befindet sich nicht nur eine in der Regel verriegelte Tür, sondern auch ein altes, bereits Rost angesetztes Uhrwerk. Von der Größe her erscheint es vergleichbar mit dem in Kronacker; doch für die große Kirche ist es zu klein. Und außerdem: In Kronacker besteht das Uhrwerk noch, und in St. Josef ebenfalls. Ist das tischgroße Gerüst aus Eisen also der Nachweis? Möglich, meint Hubner, aber nicht zu 100 Prozent gesichert.

Ein paar Meter höher wird es eng. Nach einer hölzernen Treppe mit gut einem Dutzend Stufen erreichen wir sozusagen die erste Ebene. Was man sieht im Halbdunkeln? Rundherum jede Menge Löcher in den Wänden, die für eine Uhr geeignet erscheinen. Sicher aber ist sich Czech nicht. Und hofft nun, dass sie womöglich doch noch geschichtskundige Hohenlindener finden lassen, die etwas mehr wissen darüber, ob es wirklich eine Uhr in der kleinen Kirche gab und wie sie ausgesehen haben könnte; über das vorhandene Fotomaterial als Beleg hinaus.

Die kleine Kirche, auch Marienkirche oder Nebenkirche Mariae Heimsuchung genannt, ist ein spätgotischer Bau, den der Benediktinerabt Sebastian Häfele vom Kloster Ebersberg während der Jahre 1488/89 errichten ließ. Ihr Schöpfer war der Baumeister des Klosters Ebersberg, Ulrich Randeck.

Auf der Homepage der politischen Gemeinde lesen wir eine Menge über das Haus: „Auf dem Höhepunkt des großen Benediktinerklosters Ebersberg und 100 Jahre vor seinem Niedergang ließ einer der bekanntesten Äbte dieses Klosters noch mehrere Kirchen bauen. Für eine davon wählte er einen besonderen Platz aus: Am Ende seines Herrschaftsgebietes, im Schnittpunkt mehrerer Fahrwege, umgeben im Westen von den herzöglichen Landgerichten Schwaben und Erding, im Norden vom Bereich des bischöflichen Kollegialstiftes Isen und im Osten an der Grenze seines Klosterlandes zur Reichsgrafschaft Haag.“

Ferner heißt es: „Vom Kloster führte eine fast schnurgerade Straße bis zu der Stelle, an der seine Kirche errichtet wurde. Von hier ging ein Fahrweg nordwestlich nach Forestarin (dem heutigen Forstern), wo der letzte Zehentstadel des Klosters stand. Nördlich davon war die Urpfarrei Buch am Buchrain...“ Für Abt Sebastian Häfele (1472 - 1500) „ains Hafners sun von Villspyburg” – sein Wappen ist ein irdener Topf – war dieser Standort in Hohenlinden deshalb wichtig, weil um diese Zeit andere Wallfahrtsorte in ihre Marienkirchen Gläubige anzogen, so ab 1439 Maria Thalheim, 1441 Tuntenhausen, 1450 Maria Dorfen und 1490 Altötting. Für seine Hohenlindener Kirche wählte er mit Mariae Heimsuchung auch ein besonderes Patrozinium, das erst um 1500 von Papst Innozenz IX in der römischen Kirche eingeführt wurde.

Im Jahre 1499 erhielt Bauherr Ulrich Randek vom Herzog Sigismund einen weiteren Auftrag: Neubau der heutigen Pfarrkirche in Untermenzing mit vielen Ähnlichkeiten zur Hohenlindener Kirche. Um 1509 ist Ulrich Randek den Quellen nach in München gestorben. Von einer Uhr ist nicht die Rede.

Geblieben ist in jedem Fall bis heute ein kunsthistorisch keineswegs unbedeutendes Gotteshaus. In der kleinen Kirche sind, so heißt es in der Chronik der Gemeinde, besonders beachtenswert die Wandpfeiler, die ein gotisches Netzgewölbe tragen, mit zwei Schlusssteinen, auf denen die Bilder Maria Heimsuchung und der bethlehemitische Kindermord eingemeißelt sind. Die Halbfiguren und Wappen an den Kragsteinen sollen die Bedeutung der Kirche an diesem Standort herausheben.

Die Büsten und Wappen sollen derweil hinweisen auf die Geschichte des Klosters, die Grafen von Ebersberg, die Bischöfe von Freising und bayerischen Herzöge. Auch der Baumeister Randek hat sich mit seinem Meisterzeichen verewigt.

Um die Bedeutung des Gotteshauses herauszuheben, hat der Nachfolger, Abt Leonhardt oder Lienhard, der von 1500 - 1509 dem Kloster vorstand, noch zwei wertvolle farbige Glasfenster gestiftet. Das linke Fenster zeigt den hl. Sebastian mit einem Pfeil in der Rechten. Rechts hat sich mit nur halber Körpergröße Lienhard mit Abtstab an den Mantel des Pestheiligen gelehnt. Auf dem rechten Glasfenster sehen wir Maria als liebliche Frau mit dem Kind auf dem rechten Arm im Strahlenkranz, rechts unten das Ebersberger Wappen (Wildschwein). Eine Rundscheibe zeigt – passend zur linken – das Wappen des Münchner Glasers mit der Inschrift „Hans Winhart glaser 1489”. Überliefert jedenfalls ist folgendes: „Es ist anzunehmen, dass auch die Langhauswände Farbglasfenster hatten, die bei der Barockisierung der Fenster mit Rundbögen verschwunden sein können. Bis zur letzten Renovierung waren beide Farbglasfenster noch im ersten Fenster an der östlichen Längswand. Seitdem leuchten sie jetzt vor allem bei Sonnenlicht am Vormittag über dem Altar.“

Herausragendes Bauwerk des Klosters Ebersberg

Doch man weiß noch ein wenig mehr: In der zweiten Diözesanbeschreibung mit den damals vorhandenen Pfarr- und Filialkirchen aus dem Jahre 1524 ist auch die kleine Kirche in Hohenlinden schon dabei. 1725 genehmigte der Freisinger Fürstbischof Franz Johann Ecker zur Aufbesserung der Besoldung eine Stiftung, die Matthias Käser, Wirt in Hohenlinden, und dessen Vater Georg Käser, Wirt von Albaching, gemacht hatten. Darum hatte auch der Postwirt von Hohenlinden in dieser Kirche eine eigene Kniebank, auf der mit schwarzem Pinsel geschrieben ist: „denen Postknechten gewidmet”.

Es heißt: „Als 1775 die Malteser das Kloster in Ebersberg übernahmen, verringerte sich auch immer mehr von dort der Einfluss. Der letzte bekannte Benefiziat wohnte schon nicht mehr in Hohenlinden, sondern in Ebersberg. In der 3. Diözesanbeschreibung von 1738 wird zu den Filialen der Pfarrei Mittbach neben Kronacker, Pyramoos und Burgrain auch schon die Kirche von Hohenlinden gezählt. Sie hatte nie einen Friedhof. Dieser befand sich in Kronacker.“

Das ungefähre Aussehen der Kirche um 1800 zeigt ein Kupferstich, den der Pariser Graveur Andonin anlässlich der Schlacht von Hohenlinden unter dem Bild des Generals Moreau zeichnete. Vielleicht wurde bei dieser Schlacht die Spitze des Westturms beschädigt und später durch die heutige Zwiebel ersetzt. Auch glaubt man zu wissen, dass im Rahmen der napoleonischen Kriege das Gotteshaus zeitweise auch als Pferdestall diente.

Auch mal unter Napoleon ein Pferdestall

Die Chronik berichtet weiter: „Als um 1890 der Plan zum Neubau einer großen Pfarrkirche greifbare Gestalt annahm, dachten manche Leute daran, die Alte Kirche abzubrechen und auf dem gleichen Platze die neue zu errichten.“ Der damalige Konservator vom heutigen Landesamt für Denkmalpflege, Prof. Dr. Hager, schreibt, wohl auf eine diesbezügliche Anfrage des Pfarrer Neumair am 12. Oktober 1897 zurück: „Die Alte Kirche in Hohenlinden zählt nach meinem Dafürhalten zu jenen Baudenkmälern, welche im Interesse unseres bayerischen Denkmalschutzes entschieden erhalten werden müssen. Der Umstand, dass sie durch die Inschrift im Glasgemälde und durch den Meisterschild an der Gewölbekonsole als Werk des Ulrich Randeck von München bezeugt ist, erhebt sie weit über den Wert gewöhnlicher gotischer Landkirchen.” Zuletzt fand 1989 unter Pfarrer Heinrich Bujok mit dem Kirchenpfleger Michael Jedl eine grundlegende Renovierung statt. Das Gotteshaus erlebte in einer Festwoche vor 35 Jahren durch die überaus starke Teilnahme der Gläubigen in ihrer 500-jährigen Geschichte wohl ihre größten Festtage.

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