Wenn am Donnerstag die neue Steuerschätzung kommt, hält sie ziemlich sicher einen Paukenschlag bereit: Deutschland steht vor Rekordeinnahmen. 120 Milliarden Euro mehr sollen in den nächsten vier Jahren in die Staatskassen fließen, als man sich das noch im Frühjahr dachte. Das klingt nach guter Nachricht – ist aber in Wahrheit eine dreifache Zumutung.
Die 3 Zumutungen der deutschen Steuerpolitik
Denn erstens muss sich der Arbeitskreis Steuerschätzung, das Hohepriesterkollegium der deutschen Finanzpolitik, eingestehen, dass er über mehrere Quartale falsch gelegen hat. Immer wieder hatten die Ökonomen düstere Prognosen abgegeben und sinkende Einnahmen prophezeit. Und nun? Eine Kehrtwende um 180 Grad. Die Steuereinnahmen sprudeln so stark wie selten. Das ist kein kleiner Ausrutscher, das ist ein Offenbarungseid der Prognosekunst. Intern ist sogar vom „Steuerrätsel“ die Rede, berichtet das „Handelsblatt“. Wer in solchem Ausmaß danebenliegt, sollte sich fragen, wie solide die Modelle sind, auf deren Basis eine Regierung ihre Politik rechtfertigt.
Die zweite Zumutung: Trotz dieses Geldregens schafft es der Staat nicht, damit auszukommen. Im kommenden Jahr wird Deutschland die Schallmauer von einer Billion Euro Steuereinnahmen durchbrechen – das ist mehr als jemals zuvor in der Geschichte dieses Landes. Und trotzdem reicht es nicht. Der Finanzminister predigt weiter Sparen, als wäre die Staatskasse leer. Dabei ist sie prall gefüllt, nur eben schlecht verwaltet. Das Problem liegt nicht auf der Einnahmeseite, sondern auf der Ausgabenseite.
Bürgergeld-Ausgaben steigen
Gerade heute kommt die Nachricht, dass die Ausgaben fürs Bürgergeld erneut erheblich gestiegen sind, obwohl die Regierung seit Jahren das Gegenteil verspricht. Allein die Mehrausgaben im ersten Halbjahr sind schon doppelt so hoch, wie das, was der Staat durch die geplante Reform des Bürgergelds in Richtung einer Grundsicherung sparen will. Das alles aber sind Peanuts gegenüber den Zuschüssen, die aus Steuergeld ins Rentensystem fließen: Mehr als 120 Milliarden Euro sind es in diesem Jahr. Bürgergeld, Renten – überall wird verteilt, nirgendwo wird wirklich reformiert. Der deutsche Staat gleicht einem Haushalt, in dem das Einkommen stetig steigt, die Ausgaben aber noch schneller wachsen.
Die dritte Zumutung: Noch nie hat Deutschland so viele Schulden gemacht – und das in Zeiten von Rekordeinnahmen. Die Zinslasten, die daraus entstehen, fressen einen wachsenden Teil der zusätzlichen Milliarden gleich wieder auf. Wir nehmen Geld auf, um Versprechen für eine bessere Zukunft zu finanzieren, während die Zinsen die Zukunftshoffnungen gleich wieder vernichten.
Es ist das Paradoxon einer Wohlstandsillusion: Der Staat schwimmt in Geld und versinkt in Schulden. Dass die Steuereinnahmen jetzt stärker steigen, liegt nicht an genialer Regierungskunst, sondern an robusten Arbeitnehmern, die trotz Flaute brav Lohnsteuer zahlen. 5,7 Prozent mehr Einnahmen aus dieser Steuer in den ersten neun Monaten des Jahres – das ist das Ergebnis des Fleißes von Millionen Beschäftigten und nicht von Milliardenprogrammen.
Politik verkauft das als Erfolg
Aus dem Finanzministerium heißt es inzwischen beschwichtigend, die Mehreinnahmen zeigten, dass der „Investitionsbooster“ wirke. Schön wär’s. In Wahrheit zeigen sie vor allem, dass der Staat in der Lage ist, immer mehr von der Wirtschaftsleistung abzuschöpfen – während Unternehmen und Bürger mit Energiepreisen und Steuerlast kämpfen. Die Politik verkauft das als Erfolg, dabei ist es vor allem ein Zeichen wachsender fiskalischer Gier.
Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil wird am Donnerstag betonen, dass der Sparkurs nötig bleibe. Er wird die frohe Botschaft kleinreden, um den Eindruck zu vermeiden, man könne jetzt wieder großzügig werden. Doch genau das war über Jahre das Problem: Großzügigkeit ohne Prioritäten. Deutschland hat sich in ein System hineingeschaukelt, das Umverteilung mit Wirtschaftspolitik verwechselt.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit "Business Punk".