Bundesfinanzminister Lars Klingbeil kann Geld gut gebrauchen: Nach Planungen seines eigenen Ministeriums fehlen in den Bundeshaushalten für die Jahre 2027 bis 2029 insgesamt 172 Milliarden Euro. Das ist die größte Haushaltslücke in der Geschichte der Bundesrepublik. So ein Loch gab es weder nach der Wiedervereinigung noch in den Rezessionsjahren Anfang des Jahrtausends, die 2004 zur Agenda 2010 führten.
Doch jetzt zeichnet sich überraschend eine Entlastung ab: Nach einem Bericht des „Handelsblatts“ wird die neueste Steuerschätzung, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird, für Klingbeil überaus erfreulich ausfallen: Die Steuerschätzer rechneten bis 2029 mit Mehreinnahmen von rund 100 Milliarden Euro, berichtet die Wirtschaftszeitung.
Einnahmen aus Lohnsteuer überraschend stark gestiegen
Auslöser für den unerwarteten Geldregen sind vor allem zwei Effekte: Trotz eines stagnierenden Wirtschaftswachstums entwickeln sich die Steuereinnahmen im laufenden Jahr erstaunlich stabil – sie wachsen sogar. In den ersten neun Monaten 2025 hat der Bund laut „Handelsblatt“ rund 15,3 Milliarden Euro oder 5,7 Prozent mehr Steuern eingenommen als im Vorjahr. Vor allem die Einnahmen aus der Lohnsteuer seien überraschend hoch. Das führe dazu, dass die Steuerschätzer ihre Prognose für das laufende Jahr heraufsetzen werden. Diese höhere Absprungbasis wirke sich dann auch unmittelbar positiv auf die Schätzungen für die kommenden Jahre aus.
„Investitionsbooster“ soll Steuer-Geldregen auslösen
Der entscheidende Hebel liegt jedoch woanders – und muss sich erst bewahrheiten. Denn die Steuerschätzer gehen offenbar von einer spürbaren Belebung der Konjunktur durch den sogenannten „Investitionsbooster“ aus, den die Regierungskoalition im Sommer beschlossen hat. Er enthält unter anderem großzügige Abschreibungsregeln für Unternehmen, die zusätzliche Investitionen auslösen sollen.
Dadurch könnten die Steuereinnahmen bis 2029 um bis zu 120 Milliarden Euro ansteigen. Da die zusätzlichen Abschreibungen gleichzeitig die Steuerlast der nutznießenden Unternehmen drücken, bleiben unter dem Strich aus beiden Effekten rund 100 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen. Genaue Zahlen gibt es erst am Donnerstag.
Angst vor neuen Begehrlichkeiten
Die Reaktion aus dem Bundesfinanzministerium auf die Handelsblatt-Zahlen fällt erstaunlich verhalten aus. Steuermehreinnahmen in dieser Größenordnung wären zwar „erfreulich“ zitiert das Handelsblatt nicht näher definierte „Kreise“. Doch selbst Mehreinnahmen in dieser Größenordnung würden die Haushaltsprobleme des Bundes nicht lösen. Es sei daher weiter Sparen angesagt.
Tatsächlich kommt die gute Nachricht für Bundeskanzler Friedrich Merz und seinen Finanzminister zur Unzeit. Seit Monaten mühen sie sich, ihre Ressorts kollektiv auf Sparkurs zu trimmen. Denn auch die jüngst beschlossenen Kürzungen beim Bürgergeld sind nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zusätzliche Milliarden könnten nun Druck vom Sparkessel nehmen – und die Ministerien sogar veranlassen, passend zur bevorstehenden Weihnachtszeit neue Wunschzettel zu schreiben.
Noch ist das Geld nicht da
Zumal die avisierten Milliarden noch nicht da sind. Steuerschätzungen unterliegen regelmäßig großen Schwankungen, weil meist kurzfristige Trends auf Jahre extrapoliert werden. Ob aber der Investitionsbooster tatsächlich die geplanten – und von der Wirtschaft versprochenen – Investitionen in Deutschland auslöst, muss sich erst noch zeigen. Zudem könnten anhaltende finanzielle Engpässe in der Rentenversicherung und bei den Krankenkassen die Lage weiter verschärfen.
Klingbeil darf sich also nur ein bisschen freuen – die Arbeit ist noch nicht getan. Jetzt schon das Fell des Steuer-Bären zu verteilen, könnte sich als fatal erweisen.