Ab Dienstag Grenzen für Illegale dicht: Grenzpolizei setzt Merz Ultimatum
Der wahrscheinliche neue Kanzler Friedrich Merz hat es immer wieder betont und sein designierter Kanzleramtsminister hat es jüngst noch einmal unterstrichen: Von Tag eins an will die kommende Bundesregierung eine deutlich restriktivere Migrationspolitik verfolgen. "Jeder, der illegal nach Deutschland einzureisen versucht, muss vom 6. Mai an damit rechnen, dass an der deutschen Grenze Schluss ist", sagte Frei den Zeitungen der Funke Mediengruppe. An diesem Satz wird die Bundespolizei den Kanzler in spe messen, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, im Gespräch mit FOCUS online.
Bundespolizei will Grenze dicht machen: „Die Kollegen warten nur darauf"
Die Grenzbeamten seien bereit und in der Lage, eine solche Anweisung sofort umzusetzen. „Wir können Zurückweisungen und Zurückschiebungen ab Tag eins durchführen“, sagt Ostermann und schiebt hinterher: „Die Kollegen warten nur darauf.“ Damit wäre zunächst auch kein weiterer Personalaufwand verbunden. Vielmehr würde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entlastet, wenn die Zahl der Asylanträge durch die verschärften Grenzregeln sinke.
Rechtliche Bedenken hat Ostermann dabei nicht und verweist auf Rücknahmeabkommen, die bereits vor den Grenzöffnungen innerhalb des Schengenraums geschlossen worden seien. In der Vergangenheit gab es wiederholt Debatten, ob ein solches Vorgehen gegen EU-Recht verstoßen könnte.
Äußere eine Person an der Grenze ein Asylgesuch, dürfe sie nicht zurückgeschickt werden. Die Bundespolizei müsse das Schutzgesuch aufnehmen, an das Bamf weiterleiten und die Zuständigkeit eines anderen Landes individuell prüfen. Kritiker von Zurückweisungen, die es jetzt bereits gibt für Menschen, die keinen Asylwunsch äußern, sind nämlich der Ansicht, dass das Asylrecht inzwischen größtenteils auf europäischer Ebene geregelt wird und das europäische Recht an dieser Stelle Vorrang vor dem nationalen hat.
Befürworter von harter Asylpolitik verweisen auf Grundgesetz
Es gibt allerdings die gegenteilige Sicht auf die Rechtslage. Union und auch einige Rechts-Experten verweisen gern auf Paragraf 18 Asylgesetz (AsylG). Dort heißt es: Dem Ausländer, der um Asyl nachsucht, "ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist". Da Deutschland von EU-Staaten und der Schweiz umgeben ist, die alle als sichere Drittstaaten gelten, könnten demnach alle Flüchtlinge abgewiesen werden.
Und selbst im Grundgesetz findet sich dies wieder. Mit Bezug auf die Norm, dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen, heißt es: Darauf "kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist".
Merz kündigte Maßnahme an Tag 1 der Kanzlerschaft an
Nach dem Attentat von Aschaffenburg im Januar, verübt von einem abgelehnten Asylbewerber aus Afghanistan, hatte Merz sich genau darauf berufen und angekündigt, dass er „am ersten Tag meiner Amtszeit“ seinen Innenminister anweisen werde "die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“. Die Zurückweisung gelte „ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch“, sagte er.
Bundespolizeigewerkschafter Ostermann drängt darauf, dass den Worten der designierten Regierung Taten folgen. „Ich messe Merz an seiner Rhetorik“, sagt er. Es dürfe keinen Rückzieher geben mit dem Argument, dass erst eine Abstimmung mit den Nachbarländern erfolgen müsse. „Dann hat Merz ab Tag eins versagt, weil er die Leute belogen hat“, sagt Ostermann.
Er spielt damit auf den Satz im Koalitionsvertrag an, wonach die neue Regierung "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen" werde.
Gewerkschaft hat weitere Forderungen an Merz
Zurückweisungen an der Grenze und Zurückschiebungen nach einer unerlaubten Einreise wertet Bundespolizei-Mann Ostermann allerdings nur als einen „Baustein eines großen Baukastens“. Für eine ernsthafte Wende brauche es einen Dreiklang aus gesetzlichen Rahmenbedingungen, personeller und materieller Ausstattung – und in der Folge eine entsprechende finanzielle Grundlage.
Den Mehrbedarf in diesem Jahr beziffert Ostermann auf 800 Millionen Euro. Beim Sondervermögen für Infrastruktur dürfe die Bundespolizei nicht ausgeklammert werden. Alles andere wäre "ein Skandal". Ein neues Bundespolizeigesetz müsse die Voraussetzungen schaffen, um an der Grenze etwa Drohnen und Künstliche Intelligenz einzusetzen.
Zumindest eine Personalentscheidung lässt bei Ostermann Hoffnung aufkommen, dass Merz seine Ankündigungen ernst meint. „Mit Christoph de Vries als Staatssekretär liegt er goldrichtig“, sagt der Bundespolizei-Gewerkschafter. De Vries, der ins Ressort des künftigen Innenministers Alexander Dobrindt (CSU) wechseln soll, sei vom Fach, kenne die Bundespolizei und ihre Abläufe. „Ohne ihn würde das Innenministerium die Probleme nicht in den Griff bekommen“, sagt Ostermann. Ob die künftige Bundesregierung ein neues Grenzregime wirklich entschieden verfolgt, wird sich voraussichtlich schon am kommenden Dienstag zeigen – am wahrscheinlichen Tag eins der Kanzlerschaft von Friedrich Merz.