Christina Block ist unschuldig. Sagt Christina Block. Ihr Rechtsanwalt behauptet das auch. Ihr Medienbeauftragter ebenso. Bekannte und Freunde von Block haben daran nicht den geringsten Zweifel. Die Angeklagte, so der Tenor in diesen Kreisen, sei keine Täterin, sondern „Opfer“.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie wirft der 52-jährigen Unternehmerin (Steak-Kette „Block House“) schwere Gesetzesbrüche vor. Sie soll hinter der brutalen Entführung ihrer Kinder Klara und Theodor stecken. Die beiden waren in der Silvesternacht 2023/24 in Dänemark gekidnappt worden, wo sie seit 2021 bei ihrem Vater Stephan Hensel (51) leben.
Strafprozess gegen Christina Block: Es geht um Entführung ihrer Kinder
Im Strafprozess gegen Block und sechs weitere Angeklagte, darunter ihr Partner und Ex-Sportmoderator Gerhard Delling, sind 22 Verhandlungstage absolviert. Bislang gelang es der Mutter von vier Kindern halbwegs, ihre Version des Geschehens aufrechtzuerhalten. Teils unter Tränen beteuerte sie im Landgericht Hamburg mehrmals, sie habe die gewaltsame Entführung weder beauftragt noch bezahlt, ja noch nicht einmal davon gewusst.
Die Strafverfolger stuften diese Darstellung von Anfang an als substanzlose „Schutzbehauptung“ ein, sie bescheinigten Block im Zusammenhang mit den Vorwürfen stets „erhebliche kriminelle Energie“. Auf zahlreiche Indizien gestützt, formulierten sie eine erdrückende Anklage, die knapp 150 Seiten umfasst.
Die Sichtweise der Ermittler wird nun auf geradezu dramatische Weise erhärtet. Und auch wenn für Christina Block bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, so muss man sich nach den neuesten Enthüllungen fragen: Wie will die Angeklagte aus diesem Sumpf wieder herauskommen? Welche entlastenden Sachargumente kann sie noch vorbringen?
Geheime Aussage von Ex-Militär David Barkay: Block schwer belastet
Es geht um die – noch nicht in den Prozess eingeführte – Aussage eines Mannes, der bei der Entführung der Kinder wohl eine zentrale Rolle gespielt hat: David Barkay, 68, ein früherer israelischer Militär. Er gilt als Chef der Entführergruppe, die Blocks Kinder mit brutaler Gewalt nach Deutschland geholt hat.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Barkay im November bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ausgesagt. Seine Darstellung ist auf insgesamt 327 Seiten protokolliert. Zwar sind bislang nur Details durchgesickert und von einigen Medien veröffentlicht worden. Doch schon jetzt lässt sich sagen: Barkays Schilderungen sind purer Sprengstoff – und treiben Christina Block immer weiter in die Enge.
Nach einem Bericht der Wochenzeitung „Zeit“ hat Barkay bei seinen Einlassungen „ganz klar“ gesagt, dass „Christina Block und ihr Anwalt Andreas C. die Entführung der beiden Block-Kinder aus Dänemark beauftragt und bezahlt“ haben.
Damit stützt der Ex-Agent, der im Nachrichtendienst der israelischen Armee für verdeckte Operationen zuständig war, die zentralen Vorwürfe der Anklage gegen Block. Zudem bestätigt er das Bild einer sehr reichen, bis in höchste politische Kreise bestens vernetzten Frau, die sich alles kaufen kann und dabei möglicherweise auch Grenzen überschreitet.
Natürlich sind die Ausführungen mit der gebotenen Vorsicht zu genießen. Es stellt sich die Frage: Wie belastbar sind Barkays Anschuldigungen? Wie glaubwürdig ist es, wenn er behauptet, er sei lediglich „den Anweisungen“ von Christina Block und ihres Anwalts C. gefolgt?
Fakt ist, dass der Zeuge seine Vorwürfe gegen Christina Block offenbar mit etlichen von ihm angeblich erlebten Szenen und Detailschilderungen unterfüttert.
Christina Block soll 20.000 Euro in kleinen Scheinen überreicht haben
Laut Barkay begann alles, als ihn ein in Frankfurt am Main ansässiger israelischer Geschäftsmann kontaktierte und Anfang 2023 in Tel Aviv besuchte. Dieser Mann habe ihm von den beiden Block-Kindern erzählt, die bei ihrem Vater Stephan Hensel (51) in Dänemark lebten. Ende Januar 2023 soll es zu einem ersten Treffen bei einem Hamburger Edelitaliener gekommen sein. Am Tisch saßen angeblich: Christina Block, Rechtsanwalt Andreas C. und offenbar Blocks Lebensgefährte Gerhard Delling.
„Frau Block habe geweint und der Anwalt C. über die Tragödie der Kinder gesprochen: Sie seien womöglich in Gefahr“, schreibt die „Zeit“ unter Berufung auf das Vernehmungsprotokoll. Barkay habe schließlich einen Plan entwickelt, um Informationen über die Kinder zu sammeln und sie notfalls zu „retten“. Blocks Anwalt C. habe ihm mehrfach erklärt, die Rückholung der Kinder sei rechtmäßig.
Sein Team habe die oberste Etage in der Kanzlei des Block-Anwalts C. in Hamburg nutzen dürfen. Anwalt C. habe einem seiner Mitarbeiter den Großteil des Honorars in bar übergeben – insgesamt 150.000 Euro, so Barkay. Ihm selbst habe Anwalt C. im Sommer 2023 weitere 50.000 Euro in bar ausgehändigt. „Christina Block habe ihm im September 2023 zudem 20.000 Euro in kleinen Scheinen überreicht“, schreibt die Wochenzeitung.
Wie der „Spiegel“ ebenfalls unter Verweis auf das Vernehmungsprotokoll schreibt, habe Barkays Firma Cyber Cupula die Familie Hensel in Dänemark observiert. Die Operation lief demnach unter dem Codeword „Golden Eyes“. Auf die Frage der vernehmenden drei Hamburger Staatsanwälte und einer Kripo-Beamtin, ob Christina Block von den Kameras wusste, antwortete der Zeuge: selbstverständlich.
Angeblich machte Block "wahnsinnig emotionalen Druck"
David Barkay soll zudem ausgesagt haben, dass Christina Block einen „wahnsinnig emotionalen Druck“ auf ihn ausgeübt hat. Die „Bild“-Zeitung meldet, Block soll das Team „immer wieder angetrieben haben, ungeduldig, beinahe fiebrig vor Entschlossenheit“. So habe sie ohne Beweise in den Raum gestellt, ihr Ex-Mann Stephan Hensel könne die Kinder verletzen. Deshalb müssten sie nach Deutschland geholt werden.
Christina Block sei in die Einzelheiten des Rückhol-Planes nicht eingeweiht gewesen, gab David Barkay zu Protokoll. Allerdings habe sie seinem Team einen Plastikbeutel mit Kleidungsstücken von sich selbst sowie einen Teddybären mitgegeben. „Es sei Christina Block wichtig gewesen, dass die Kinder vom ersten Moment an verstünden: Diese Entführer handeln im Auftrag der Mutter“, so Barkay.
Kurz vor der Entführung sei es am 28. Dezember 2023 zu einem Treffen in einem Konferenzraum des Hamburger Hotel Élysée gekommen. Fast alle Mitglieder des späteren Entführungsteams seien maskiert gewesen. Die „Zeit“ schreibt unter Berufung auf Barkays Aussage: „Christina Block habe dem Team versichert, ihre Kinder seien verschleppt worden, und sich bedankt, dass das Team versuchen wolle, sie zurückzuholen. Sie habe von einer „legalen Aktion“ gesprochen“.
Wie der „Spiegel“ berichtet, soll Barkay im Laufe seiner Vernehmung den Ermittlern eine Chatgruppe des Messenger-Dienstes Signal mit dem Namen „BKH“ (für „bring kids home“, auf Deutsch „Bring die Kinder heim“) gezeigt haben. Angebliche Mitglieder der Gruppe neben Barkay und dessen Geschäftspartnerin: Anwalt C. und Christina Block.
Barkay fühlt sich „getäuscht von einer reichen, starken Familie“
Über die Entführung in der Silvesternacht sagte der Israeli laut Akten, die Situation sei für ihn „schrecklich“ gewesen und es tue ihm sehr leid. Heute sieht sich Barkay „fürchterlich getäuscht von einer reichen, starken Hamburger Familie“ samt deren Anwalt Andreas C. Der mutmaßliche Chef-Entführer soll am 16. Dezember vor dem Landgericht Hamburg aussagen.
Die angeklagte Christina Block, die sich bis zum heutigen Tag als absolut unschuldig bezeichnet und stattdessen ihren Ex-Mann permanent in den Schmutz zieht, hat sich zu den neuen schweren Vorwürfen gegen sie bislang nicht geäußert. Auch ihr sonst so sendungsbewusster und eloquent scheinender Verteidiger Ingo Bott schweigt zu den nun bekannt gewordenen Inhalten.
Block-Anwalt Ingo Bott pocht auf "Unschuldsvermutung“
In einer Erklärung beklagte der Rechtsanwalt unterdessen – wie schon so oft – seine Mandantin werde „in der Öffentlichkeit massiv vorverurteilt“. Er wies darauf hin, dass für sie weiterhin „die Unschuldsvermutung gilt“. Ein „selektives Weitergeben und Besprechen von Akteninhalten“ stehe dem „erheblich entgegen“, so Bott.
Man darf gespannt sein, was der Anwalt und seine Mandantin demnächst im Prozess zu den Vorwürfen sagen. Das gilt auch für den Angeklagten Delling, der ebenfalls behauptet, er werde von der Justiz zu Unrecht verfolgt.