Raummangel an Gymnasien: Landkreis Oberallgäu und Stadt Kempten verhandeln über Kostenteilung

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Voraussichtliche Entwicklung der Gymnasialschülerinnen und -schüler, die im nördlichen Oberallgäu wohnen. © Daten: Landratsamt Oberallgäu / Grafik: Fischer

An den drei Kemptener Gymnasien wird die Zahl der Schülerinnen und Schüler bis 2035 um ca. 720 steigen. Dafür, aber auch wegen der Wiedereinführung des G9, braucht man zusätzliche Unterrichtsräume, die erst geschaffen werden müssen. Aber wer soll diese finanzieren?

Oberallgäu/Kempten – Zwischen der Stadt und dem Landkreis laufen seit einiger Zeit Gespräche darüber. Diese wurden von Kempten initiiert. Der Grund ist die angespannte Finanzlage, aber auch die Struktur der Schulbesucher: Von den 2.660 Gymnasiasten leben derzeit 48 Prozent im Oberallgäu. Dieser Anteil soll in den nächsten zehn Jahren auf 54 Prozent steigen.

In Kempten gab es über den Stand der Verhandlungen mehrmals Berichte in den Stadtratsgremien. Im Landkreis wurde jetzt erstmals öffentlich im Kreisausschuss darüber gesprochen.

Zusätzliche Unterrichtsräume: Neue Schule bauen?

Ein neues Gymnasium zu bauen, war eine der Lösungsmöglichkeiten, um die Lücke zu schließen, berichtete Ralph Eichbauer, Leiter der Abteilung „Mensch und Gesellschaft“ im Landratsamt. Das sei aber vom Tisch, weil man die vom Kultusministerium für eine Schulgründung notwendigen Voraussetzungen nicht erfülle. Ein zusätzliches Schülerpotential von 650 müsste nachgewiesen werden. Man komme aber nur auf 420 bis 520, weil Kempten laut neuesten Zahlen in den bestehenden Gymnasien noch 200 bis 300 Gymnasiasten unterbringen könne. Das fand Markus Kubatschka (SPD) „überraschend“, früher habe man das Gegenteil kommuniziert. Auf Nachfrage des Kreisboten erklärte Thomas Baier-Regnery, Leiter des Referats Jugend, Schule und Soziales in Kempten, dass man Räumlichkeiten, die in den Zeiten, als das möglich war, der Schülermitverwaltung oder als Kollegzimmer für die Oberstufe zur Verfügung gestellt hatte, wieder zu Unterrichtsräumen umfunktionieren werde. Außerdem brauche man keine Computerräume mehr, weil die Technik bereits in den normalen Klassenzimmern stehe.

Landrätin Indra Baier-Müller hätte das Konzept von drei gleich großen Gymnasien für sinnvoll gehalten und fand es schade, dass Kempten dies ablehne. Auf die Nachfrage des Kreisboten erläuterte sie: Der Landkreis habe vorgeschlagen, das Carl-von-Linde-Gymnasium (CvL) ohne die geplante Erweiterung in eine Realschule umzuwandeln und dafür ein neues Gymnasium zu bauen. Wenn man die Schülerströme anschaue, müsste dieses sowieso in Kempten stehen, am besten in Bahnhofsnähe, sagte sie in der Sitzung. Baier-Regnery entgegnet im Gespräch mit unserer Zeitung, dass der Schüleranstieg im Realschulbereich (320 aus dem Oberallgäu, 80 aus Kempten) in den bestehenden drei Realschulen und in der Wirtschaftsschule, die im neuen Modell ab der 5. Klasse junge Menschen aufnehme, aufgefangen werden könne. Ein neues Gymnasium wäre auch deshalb nicht genehmigungsfähig, weil dieses die bestehenden existenziell gefährden würde. Außerdem dauere ein Neubau viel zu lange, wegen der Rückkehr des G9 habe man gar keine Zeit dafür. Das seien die Gründe, warum man über dieses Thema in Kempten öffentlich gar nicht diskutiert habe.

Ausbau der Kemptener Gymnasien: 500 zusätzliche Plätze

Die einzige realistische Möglichkeit sei die Erweiterung der bestehenden Gymnasien, erklärte Eichbauer. Im CvL entstehen sechs neue Klassenzimmer, am Allgäu-Gymnasium (AG) und am Hildegardis-Gymnasium werden jeweils vier in Modulbauweise geplant. In den insgesamt 18 neuen Räumen könnten etwa 500 Schüler untergebracht werden.

Über die Entwicklungen habe man bereits zweimal in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe berichtet, so Eichbauer. Er fasste die wichtigsten Ergebnisse der Verhandlungen zusammen:

1. Der Landkreis erkenne den genannten zusätzlichen Raumbedarf an, die Zahlen habe man geprüft. Er werde sich an den Investitionskosten beteiligen. Das gelte aber nicht für die Instandhaltung und Sanierung bestehender Räume, die durch die gezahlten Gastschulbeiträge bereits gedeckt seien, sondern nur für die notwendigen Erweiterungen.

2. Die Planung und Durchführung bleibe bei der Stadt Kempten, der Landkreis beschränke sich auf die Mitfinanzierung. Diese betrage 55 Prozent des von der Stadt Kempten zu tragenden Eigenanteils. Mitberücksichtigt würden nur die im Förderbescheid der Regierung von Schwaben als förderfähig anerkannten Ausgaben. Nur in zwei Fällen mache man eine Ausnahme: Einerseits bei den Baunebenkosten, weil man wisse, dass die dort festgelegte Pauschale von 18 Prozent nicht ausreiche. Andererseits bei Preissteigerungen, die die förderfähigen Kosten betreffen. Baier-Regnery betont, dass bei den Erweiterungen keine Kosten entstehen würden, die nicht förderfähig wären.

3. Der Landkreis lehne die Gründung eines Zweckverbands für weiterführende Schulen ab, weil dafür die Zeit zu knapp sei.

4. Über den Themenkomplex Realschulen werde zu einem späteren Zeitpunkt extra verhandelt.

Kosten liegen bei rund 42 Millionen Euro

Der Bruttoinvestitionsbedarf für die Erweiterungen liege bei insgesamt ca. 42 Millionen Euro, sagte Eichbauer. Die Zahlen, die sie aus der Presse erfahren hätten, habe die Kämmerei in Kempten bestätigt. 2025 werde noch kein Geld fließen. Einen konkreten Beschluss fassen könne der Kreistag erst, wenn die Kostenberechnung der Leistungsphase 3 vorliege, sagte Reinhard Reitzner, Leiter der Abteilung Finanzen, Liegenschaften, Hoch- und Tiefbau, Kommunales im Landratsamt. Diese setze eine Prüfung durch die Regierung von Schwaben voraus.

Er finde es richtig, dass man den Beschluss erst dann fasse, wenn die Kosten für Leistungsphase 3 feststünden, betonte Thomas Eigstler (CSU) und sprach seine Anerkennung aus: „Gut ausgehandelt!“ Beim jetzigen Handlungsstand gebe es keinen Dissens, sagte die Landrätin. Sie möchte nach Kempten das Signal senden: „Wir sind dabei und warten auf konkrete Zahlen.“

Was das CvL betreffe, sei man jetzt in der Leistungsphase 5, so Baier-Regnery. Reitzner sei Mitglied in der Expertenkommission gewesen und habe alle Unterlagen. Bei den Modulbauten befinde man sich in der Leistungsphase 2 und warte auf den Beschluss des Landkreises, damit man den Antrag bei der Regierung einreichen könne. Beim CvL werde die Stadt nämlich auf jeden Fall bauen, bei den Modulteilen nur dann, wenn der Landkreis mitmache. „Die Stadt Kempten hat von uns alles, um die Anträge zu stellen“, war die Aussage von Eichbauer in der Sitzung.

Raummangel an Kemptener Schulen: Schüler abweisen?

Man sollte Druck auf die Stadt Kempten ausüben, damit sie die Anträge schnell einreiche, forderte Thomas Gehring (Grüne). Er wolle vermeiden, dass Schüler abgewiesen werden. Das mit der Abweisung sei eine unglückliche Aussage, antwortete Eichbauer. „Das geht nicht!“ Kempten als Sachaufwandsträger könne gar nicht darüber entscheiden. Es sei die Aufgabe des Ministerialbeauftragten (MB) zu vermeiden, dass es so weit komme. Das bestätigt auch Baier-Regnery. Wenn in Kempten die Plätze nicht ausreichen würden, wäre es die Aufgabe der MB-Stelle, nach alternativen Lösungen zu suchen. Das könnte bedeuten, dass man beispielsweise junge Leute aus Waltenhofen dem Gymnasium in Immenstadt zuordne. Der Landkreis wäre dann für die Organisation der Schülerbeförderung zuständig.

Die Verhandlungen zwischen Kempten und dem Oberallgäu gehen Mitte November in die nächste Runde. Am Ende des Prozesses wollen beide Seiten die vereinbarten Eckpunkte und die notwendigen Einzelheiten in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag festlegen.

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