Theater in Kempten: In Frederico García Lorcas „Bluthochzeit“ geht es geradezu in den Abgrund
Ein Schrei zerreißt die Dunkelheit des Raumes – scharf und brutal geht er den Zuschauenden durch Mark und Bein. Zwei Körper liegen am Boden; gerade noch haben sie gekämpft. Jetzt sind sie tot. Es ist das tragische Ende einer Hochzeit. Am 31. Oktober sowie 1., 2. und 3. November zeigt das Theater in Kempten „Bluthochzeit“.
Kempten – In der neuen Eigenproduktion des Theaters in Kempten (Inszenierung: Carlos Belda) sind Ehre, Gier und Rache die treibenden Kräfte für eine unaufhaltsame Fahrt in den Abgrund. Die Tragödie, die auf einem realen Vorfall beruht, spielt im ländlichen Andalusien der 1930er-Jahre.
Mal entschlossen, dann wieder mit brüchiger Stimme spielt Corinne Steudler die Braut, die am Tag ihrer Hochzeit dem mittellosen, aber leidenschaftlichen Leonardo (Florian Peters) den Vorzug vor ihrem wohlhabenden, pflichtbewussten Bräutigam (Alexander Sichel) gibt. Sie ist beeinflusst von ihrem Vater (Hans Piesbergen), der laut und bestimmend, dennoch mit Charme artikuliert, was gut für seine Tochter ist und damit ihren Konflikt befeuert.
Passagen auf Spanisch in „Bluthochzeit“ im Theater in Kempten
Die Mutter des Bräutigams kämpft mit dem Verlust ihres Mannes und Sohnes sowie der ständigen Furcht, auch ihren zweiten Sohn zu verlieren – an eben jene Familie, die an den früheren Morden beteiligt war. Gespielt wird die Mutter von Josefa Suárez, die der Aufführung eine Authentizität verleiht, nicht zuletzt dadurch, dass sie größere Textpassagen auf Spanisch spricht. Dennoch ist man hin- und hergerissen zwischen der Faszination dessen und der Anstrengung, den deutschen Übertiteln zu folgen. Sei’s drum, manchmal fühlt man sich direkt in die Szenerie eines spanischen Dorfes versetzt. Die Kompositionen von Murat Parlak unterstreichen eindrücklich die Volkstümlichkeit.
Starke Symbolik
Ob Mond, Pferd und nicht zuletzt Blut – Lorca verwendet einige immer wiederkehrende Symbole. Als Vorbote der Katastrophe taucht immer wieder ein Messer auf. Jedoch zeigt Lorca das Messer nicht nur als Waffe, sondern auch als Werkzeug, das dem Leben dient, denn mit ihm werden auch die Weinstöcke in den Bergen beschnitten.
Was im großen Saal einfach nicht möglich ist, nämlich hautnah am Geschehen zu sein, gelingt hier im Theater Oben wunderbar: An einigen Stühlen an einer riesigen Tafel, die sich später auch als doppelbödig erweist, hängen sogar Zettel, die die Zuschauer auffordern, sich mitten ins Schauspiel zu begeben (Bühnenbild und Kostüme stammen von Michael S. Kraus).
Unausweichliche Gewalt
Federico García Lorca wurde 1936 von spanischen Faschisten brutal ermordet – als Folge seiner linken politischen Ansichten und seiner Homosexualität. Vor dem Hintergrund der Persönlichkeit Lorcas liegt es nahe, den Text in einen größeren Zusammenhang zu stellen: Wenn Menschen die Konflikte ihrer Zeit nicht lösen, dann kommt es zur Katastrophe. So ist Krieg kein schicksalhaftes Ereignis; Er hat einen Kontext und ist das unausweichliche Resultat ungelöster Widersprüche.
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Das Ensemble
Antonia Welke brilliert – vor allem auch gesanglich – sowohl als biedere, dennoch feinfühlige Frau Leonardos als auch als schillernder Mond. Julia Jaschke beeindruckt hingegen als wohlwollende Schwiegermutter und zugleich als unheilvoller Tod. Nicole Baumann spielt die neugierige Nachbarin, die leidenschaftlich gern berichtet, was der Dorftratsch so hergibt. Insgesamt gelingt es Regisseur Carlos Belda und seinem Ensemble, das Lokale ebenso eindrücklich darzustellen wie das Universelle. Spanische Weltliteratur im Allgäu ist in jedem Fall eine Bereicherung.
Mehr Infos gibt es hier.
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