High-Tech aus deutschen Schmieden: Neuer Schrecken für Putins „Perlenketten“

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Laserkanonen aus Oberbayern und Panzerfäuste aus eigener Herstellung – die Ukraine macht sich fit für den Krieg der Zukunft; zu Lande und in der Luft.

Kiew – John Hill geht erstmal vom Schlimmsten aus: dem kompletten Rückzug der USA aus der Koalition der Gegner Wladimir Putins. Im Magazin Army Technology feiert er deshalb eine Absichtserklärung zwischen der Ukraine und der deutschen Rüstungsschmiede MBDA Deutschland über die Produktion von Raketensystemen. Gleichzeitig plant die Regierung in Kiew, deutsche Panzerfäuste vor Ort zu fertigen, wie das Online-Magazin hartpunkt berichtet: Die im nordrhein-westfälischen Burbach ansässige Dynamit Nobel Defence GmbH (DND) und der ukrainische Staatskonzern Ukrainian Defense Industry JSC (UDI, vormals Ukroboronprom) prüfen demnach die Möglichkeit einer Panzerfaust-3-Fertigung in der Ukraine. Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen den Geschäftsführern der beiden Unternehmen jetzt geschlossen.

Russland muss im Ukraine-Krieg also noch stärker um seine Panzer fürchten als bisher – gerade in städtischem Gelände ist der massivste Koloss nahezu wehrlos gegen die Bedrohung aus dem Hinterhalt, wie Oberstabsfeldwebel Andreas Neidhardt im Bundeswehr-Podcast Funkkreis erläutert: „Die gepanzerten Verbände greifen oft ohne Unterstützung abgesessener Kräfte an und das auch in Ortschaften, wo der Infanterist sich wohl fühlt, um Panzer zu bekämpfen. Dort hat er genug Deckung und kann auch von oben her Ziele bekämpfen“, wie der Ausbilder der Infanterie-Schule in Hammelburg sagt. Außerdem versuchen die Ukrainer seiner Beobachtung nach, den Feind im Gelände zu kanalisieren: „Aufgrund der Begebenheiten setzen die Russen immer auf Straßen an, das heißt, die fahren immer in Reihe, in Konvoi-Formation, und das ist natürlich das Optimale für Panzervernichtungs-Trupps, die dann von der Seite her angreifen können. Die Russen führen auch keine Auflockerung durch, wie wir das in der Bundeswehr machen. Die fahren wie an der Perlenkette hintereinander.“

Der Schrecken aus dem Nichts: die Panzerfaust der Bundesehr

Panzerfäuste sind flächendeckend zuerst im Zweiten Weltkrieg eingesetzt worden, verstärkt – vor allem von Deutschland – gegen Ende, als Geschütze zur Panzerabwehr fehlten. Normalerweise ziehen Panzer ihren Vorteil daraus, dass sie sich auf dem Gefechtsfeld breitmachen und ihre Waffen an die feindlichen Stellungen heranbringen oder aus der Nähe aufklären können. Allerdings wirkt der Panzer am ehesten im Gefecht der verbundenen Waffen, also im Schutz durch Grenadiere oder Infanteristen. Damit schützen sie ihre blinden Flecken, vor allem an den Flanken.

Infanterist der Zukunft der Bundeswehr ausgestattet u.a. mit Panzerfaust 3.
Der Schrecken des Panzers: ein gut ausgebildeter Infanterist mit einem Nahkampfmittel, wie der Panzerfaust 3, die auch die Bundeswehr nutzt. (Symbolbild) © Björn Trotzki/imago

Rund 30 Jahre nach Einführung in die Bundeswehr ist die Panzerfaust 3 im Ukraine-Krieg eine gefragte Waffe, berichtet hartpunkt. Dort wird das aus den Beständen der Bundeswehr – in der neuesten Version die Panzerfaust 3-IT DM72 A1 – sowie weiterer Nationen gelieferte System seit den ersten Kriegsmonaten gegen gepanzerte russische Einheiten eingesetzt. Die Panzerfaust 3-IT wiegt rund 15 Kilogramm und ist in der Lage, jeden modernen russischen Kampfpanzer – auch mit Reaktivpanzerung – auf Distanzen von rund 400 Metern zu bekämpfen. Darüber hinaus wurde DND im Rahmen der deutschen Militärunterstützung beauftragt, mehrere tausend weitere Panzerfäuste an die Ukraine zu liefern; bisher sind laut Angaben der Bundesregierung 3.000 Patronen der Panzerfaust 3 aus Bundeswehrbeständen in den Ukraine-Krieg geliefert worden.

Das Comeback des Killer-Schnäppchens: Deutsche High-Tech wieder gefragt

Die Panzerfaust 3 besteht aus dem wiederverwendbaren Griffstück und der Patrone. Die Patrone unterteilt sich in Abschussrohr und Geschoss. Der Geschosskopf liegt außerhalb des Rohres, wodurch die Abmessungen des Kopfes unabhängig vom Kaliber des Abschussrohres gewählt werden können. Er besteht aus zwei Teilen – dem Abstandsrohr und der Wirkladung. Gegen gepanzerte Ziele, wie Panzer, wird das Abstandsrohr ausgezogen. Gegen weiche Ziele, wie Lkw und Gebäude, bleibt es eingeschoben. Das Griffstück ist mit Visier und Abschusseinrichtung ausgestattet. Die Waffenproduktion direkt in der Ukraine soll einhergehen mit einer Modernisierung der Waffe bezüglich Reichweite und Durchschlagskraft. Die in der Ukraine eingesetzte aktuelle Version soll bis zu 1.000 mm Panzerstahl inklusive Reaktivschutz durchdringen können.

Der stern hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges das Comeback dieses Killer-Schnäppchens gefeiert: „In den vergangenen Jahren stand die Panzerfaust nie im Mittelpunkt des Interesses. Sie war schlicht nicht ,fancy‘ genug. Und tatsächlich handelt es sich bei der Panzerfaust 3 nicht um eine intelligente Lenkwaffe zur Panzerbekämpfung (ATGM – Anti Tank Guided Missile) wie die Javelin oder die Spike, die die Bundeswehr auch benutzt. Die Panzerfaust ist einfacher, billiger – aber in besonderen Situationen nicht weniger wirksam als eine ATGM.“ Die Ukraine setzt jetzt also verstärkt auf Technik aus Deutschland und anderen Nato-Ländern, was die Wissenschaft schon lange empfiehlt.

Militärhistoriker Sönke Neitzel beurteilt die Situation auf dem osteuropäischen Kriegsschauplatz vor allem deshalb als schwierig, „weil in den USA die Republikaner und Teile der Demokraten immer schon gesagt haben, dass deren Schwerpunkt eigentlich China ist“, wie er sagt. Seiner Meinung nach sehen die Amerikaner eher die Europäer am Zuge der Ukraine zu helfen. „Wir wissen aber auch: Ohne die USA gäbe es die Ukraine nicht mehr; und ohne die USA wäre auch Europa außerstande, die Ukraine so sehr zu unterstützen, dass sie diesen Krieg weiterhin führen könnte.“

Die Hoffnung der Ukraine: Joe Biden und seine Waffenlieferungen

NBC News berichtet aus Pentagon-Quellen, die Biden-Regierung tendiere dazu, die Ukraine mit Langstreckenraketen zu beliefern – Ende vergangenen Jahres hatten die USA begonnen, die Ukraine mit taktischen Raketensystemen ATACMS (Army Tactical Missile System) aufzurüsten; sie haben aber bisher nur die älteren ATACMS mittlerer Reichweite geliefert. Jetzt neigen die USA dazu, die Version der Rakete mit größerer Reichweite zu schicken, um der Ukraine zu ermöglichen, weiter hinein in die von Russland kontrollierte Halbinsel Krim anzugreifen. Die Unsicherheit über das US-amerikanische Verhalten wird aber weiter drohend über der Nato sowie über der Ukraine schweben – unabhängig davon, wer künftig in den USA Präsident sein wird.

Die Ukraine plant deshalb, sich in der Rüstung autark zu machen und jetzt neue Schritte eingeleitet, wie das Handelsblatt berichtet: Der Rüstungskonzern MBDA Deutschland und das ukrainische Unternehmen Ukrainian Defense Industry JSC (UDI, vormals Ukroboronprom) wollen bei Systemen für die Luftverteidigung zusammenarbeiten. Eine entsprechende Absichtserklärung haben beide Seiten am 20. Februar unterzeichnet. Der Inhalt ist beispielsweise die Drohnenabwehr. Mögliche Felder der Partnerschaft umfassen auch Forschung, Entwicklung, Produktion und Investitionen in die Fähigkeit der Ukraine, diese Verteidigungsfähigkeiten letztendlich selbst zu beschaffen, berichtet Army Technology.

MBDA Deutschland ist eine Tochter des Rüstungskonzerns MBDA, der gleichermaßen von Airbus und der britischen BAE Systems sowie durch den italienischen Rüstungskonzern Leonardo getragen wird. Das Unternehmen produziert Luftverteidigungssysteme unterschiedlicher Reichweiten, aber auch Waffen wie den Marschflugkörper Taurus sowie Waffensysteme für die Marine. Anfang Januar hatte die MBDA-Tochter Comlob von der Nato Support and Procurement Agency (NSPA) als Beschaffungs- und Instandhaltungsagentur der Allianz, laut deren Angaben, einen Großauftrag über bis zu 1.000 Patriot-Flugkörper im Volumen von mehr als fünf Milliarden Euro erhalten. Das Unternehmen im oberbayerischen Schrobenhausen soll unter anderem Raketen, Ersatzteile und Testsysteme an die Nato liefern.

Putins neuer Albtraum: Laserkanonen aus Oberbayern

Für die Ukraine fängt damit nach MBDA-Firmenangaben der Krieg mit Laserstrahlen an – mit dem „Sky Warden NNbS“ (zu Deutsch: Himmelswächter) hatte das Unternehmen Mitte 2022 auf der Internationalen Luftfahrtausstellung eine erste Laserkanone vorgestellt: „Sky Warden NNbS“ verwendet einen Hochenergie-Lasereffektor sowie die Lenkflugkörper SADM (Small Anti Drone Missile) und die französische Rakete MISTRAL (Missile Transportable Antiaérien Léger). Das Kombi-System aus Laser und kleinen Raketen für den Nah- und Nächstbereichsschutz, das grundsätzlich für Marine-Einsätze gedacht war, wird künftig auf Lkw montiert auch Land- und Luftstreitkräften zur Verfügung stehen.

Herzstück dieses multifunktionalen Abwehrsystems ist der Laser. Daneben wirken – je nach Bedrohungslage – bisher bestehende Systeme kleinerer Raketen. Der Lenkflugkörper SADM ist zur Bekämpfung von Klein-Drohnen vorgesehen und nutzt die Technologiebasis des aktuell in der Einführung befindlichen Lenkflugkörpers ENFORCER – der ist bereits 2019 entwickelt worden und auch gegen gepanzerte Fahrzeuge einsetzbar. Als dritte Effektorlösung für das nahe Umfeld setzt MBDA auf den ausgereiften und marktverfügbaren französischen Lenkflugkörper MISTRAL. Aufgrund seiner Reichweite, hohen Agilität und schnellen Zielaufschaltung empfiehlt sich MISTRAL besonders für den hochmobilen Einsatz nicht nur gegen größere Drohnen, sondern auch gegen ein breites Bedrohungsspektrum aus der Luft.

Für Jack Watling vom Royal United Services Institute für Verteidigungs- und Sicherheitsstudien (RUSI) alles dringend notwendige Schritte: „Wenn die Partner der Ukraine deren Armee weiterhin ausreichend Munition und Ausbildungsunterstützung zur Verfügung stellen, um die russischen Angriffe im Jahr 2024 abzuschwächen, ist es unwahrscheinlich, dass Russland im Jahr 2025 nennenswerte Erfolge erzielen wird. Wenn Russland aufgrund seiner Unfähigkeit, die Qualität der Streitkräfte für Offensivoperationen zu verbessern, keine Aussicht auf Erfolge im Jahr 2025 sieht, bedeutet dies, dass es Schwierigkeiten haben wird, Kiew bis 2026 zur Kapitulation zu zwingen.“

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