„Weltfremd“: Lanz sprachlos nach Aussage von Grünen-OB zur Asyl-Bezahlkarte
Markus Lanz streitet mit einem Grünen-Politiker. Vor allem dessen Kommentare über Geflüchtete beschäftigen den ZDF-Moderator.
München – Als der Deutsche Bundestag am Donnerstag über die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende debattierte, fiel der Blick immer wieder auf Hannover. Vor allem die Abgeordneten von SPD und Grünen verwiesen auf die niedersächsische Landeshauptstadt. Denn dort gibt es bereits seit dem 8. Dezember eine solche Bezahlkarte – ohne große Einschränkungen. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Bündnis90/Die Grünen) sprach bei der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ über das Modell in seiner Stadt und traf dabei auf das Unverständnis des Moderators und der anderen Gäste. Im Kern stand die Frage: Diskriminiert die Bezahlkarte die Geflüchteten?
Bezahlkarten-Debatte bei „Markus Lanz“ – Diskriminierung oder Umsetzung geltenden Rechts?
„Es ist nicht bewiesen, dass der Migrationsentschluss nach Deutschland zu kommen von der Leistung abhängt. Sicherlich spielt das auch eine Rolle, aber nicht die einzige“, sagte Onay in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz mit Blick auf die Debatte um sogenannte Pull-Faktoren. Deswegen habe man in Hannover bewusst eine „diskriminierungsfreie“ Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt. In der Praxis bedeutet das, dass Asylsuchende, die auf der Karte überwiesenen Leistungen in voller Höhe in Bar abheben können und bei der Nutzung nicht örtlich beschränkt werden. „Keinerlei Diskriminierung durch irgendwelche Einschränkungen“, betonte der Hannoveraner OB.
Gegenrede erhielt Onay daraufhin von CDU-Landrat Christian Hergott. „Das ist keine Karte, die diskriminiert. Das ist eine Karte, die einfach geltendes Recht umsetzt.“ Man müsse die Bezahlkarte dafür nutzen, um Fehler im bestehenden System zu beheben, fordert der Unionspolitiker bei Markus Lanz. Dazu würden Überweisungen von Asylsuchenden zurück in ihre Herkunftsländer zählen. Ein Vorgang, der in Hannover weiter möglich sei. Deswegen beschränke Hergotts Landkreis (Saale-Orla-Kreis) die Barauszahlungen der Karte auf 50 Euro pro Person. Dieses „Taschengeld“ diene für Leistungen, die man nicht mit der Karte bezahlen könne.
„Weltfremd“: Lanz reagiert ungläubig auf Aussage von Grünen-OB zur Asyl-Bezahlkarte
Für Grünen-Politiker Onay ist jedoch genau diese Einschränkung ein Problem, da sie in der Realität zu Problemen führen würde. „Gehen Sie mal auf den Wochenmarkt. Bezahlen Sie da mal mit der Kreditkarte. Gehen Sie mal ins Schwimmbad, bezahlen Sie da mal ne Pommes mit der Kreditkarte. In den meisten Bereichen wird das nicht möglich sein“, konterte Onay.
Ein Argument, dass für Markus Lanz wohl zu weit ging. Der Moderator schritt ein: „Die Menschen, über die wir hier reden, die gehen sicher nicht auf dem teuren Wochenmarkt einkaufen, oder? Da sind wir uns doch einig?“, hakte Lanz sichtlich überrascht nach und bezeichnete Onays Aussagen als „weltfremd“.
„In Hannover haben wir sehr viele Wochenmärkte, die gerade von Familien mit geringem Einkommen genutzt werden, weil es dort gute, günstige und frische Angebote gibt“, gab der Grünen-Politiker im ZDF-Talk zurück. „Kommen Sie mal nach Hannover, dann gehen wir zusammen auf den Wochenmarkt“, bot Onay dem Talkmaster an.
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Debatte über Bezahlkarte: Koalition im Clinch – CSU sieht Regierung „nicht handlungsfähig“
Die Debatte bei Markus Lanz steht auch stellvertretend für die Meinungsverschiedenheiten im Bundestag. Die Grünen stemmten sich mit Blick auf die Bezahlkarte gegen eine Gesetzesänderung. Pilotprojekte – wie in Hannover oder deḿ Saale-Orla-Kreis – würden zeigen, dass diese für die Umsetzung der Karte nicht notwendig sei. SPD und FDP fordern jedoch genau diese Gesetzesänderung für eine bundesgesetzliche Regelung, um den Ländern Rechtssicherheit zu gewähren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki war den Grünen bereits am Wochenende eine Blockadehaltung vor und drohte damit, die Ampel-Koalition zu sprengen.
Dass die Bezahlkarte bundesweit kommt, ist derweil jedoch beschlossene Sache „Die Frage, ob Bezahlkarten eingeführt werden, steht überhaupt nicht zur Debatte“, stellte Andreas Audretsch (Bündnis90/Die Grünen) am Donnerstag im Bundestag klar. Die Unionsfraktion hatte wegen der Uneinigkeit in der Koalition eine aktuelle Stunde im Bundestag einberufen. Stephan Stracke (CSU) warf der Ampel dabei vor, „nicht handlungsfähig“ zu sein und somit dem Land zu schaden.
Ampel-Koalition verstrickt sich in „kleinkarierte“ Debatte über Bezahlkarte
Auch Mitglieder der Ampel-Fraktionen sorgten sich wohl um die Außenwirkung in der aktuellen Debatte „Das Thema ist so kleinkariert, dass es schwerfällt den Menschen da draußen zu erklären, worum es geht“, sagte Annika Klose (SPD) am Donnerstag. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte bereits in einer Pressekonferenz am Montag (19. Februar), die Gesetzesänderung sei „so schmal, da fehlt mir der Glaube, dass das so viel Streit geben sollte.“ Doch der Streit dauert an. (fd)