„Die Zeichen der Zeit – a bissl gaga“: Girgl Ertl über den Adele-Hype
Diese Konzerte sind der Wahnsinn! Für zehn Auftritte kommt die britische Popsängerin Adele („Skyfall“) im August nach München – ein Event der Superlative, auch bei den Eintrittspreisen. Wahnsinn? Oder: warum nicht? Ein Gespräch mit Weyhalla-Wirt Girgl Ertl.
Weyarn – Mehr als 2,2 Millionen Menschen haben sich vergangene Woche registriert, um die Chance auf eines der begehrten Tickets mit regulären Preisen bis zu 419 Euro zu bekommen. Die Premium-Klasse liegt bei der Ticketagentur Eventim gar bei 1152,50 Euro. Und auf dem Schwarzmarkt klettern die Tickets bereits in Richtung 2000 Euro. Die Open-Air-Shows finden auf dem Gelände der Messe München statt – in einer Arena, die eigens für den Superstar errichtet wird. Wir fragten Girgl Ertl (61), seit 17 Jahren Wirt der Musikkneipe Weyhalla in Weyarn, wie solche Dimensionen auf ihn als Musikveranstalter wirken.
Herr Ertl, mehrere hundert Euro für eine Karte für ein Pop-Konzert. Ist das Wahnsinn? Oder sagen Sie: Warum nicht?
Naja, ganz normal ist das nicht. Aber man braucht eine Menge Leute dafür, um so etwas machen zu können. Aber es ufert schon ziemlich aus. Andererseits müssen Bands heute andere Wege gehen, um an Geld zu kommen, nachdem Youtube und Spotify viel kaputtgemacht haben. Die Künstler kriegen bei denen ja kaum etwas. Aber soll man es Adele neiden?
„Authentizität geht verloren“
Gute Frage. Soll man?

Mir tut es halt um die Authentizität leid, die verloren geht. Wobei erfahrungsgemäß stets ein Management dahinter viel anschiebt. Es sind halt die Zeichen der Zeit – a bissl gaga. Eigentlich wollen wir ja alles umsonst haben. Dann treten Spotify und Co. auf den Plan, und dann kommen wieder andere, die für Künstler solche Konzerte auf den Weg bringen. Ich denke, es ist der Versuch der Industrie, etwas zu kompensieren – und da wollen einige mitverdienen. Wobei ich dachte, dass Adele eine seriöse Künstlerin ist. Deshalb überrascht es mich bei ihr etwas. Aber 400 Meter von der Bühne entfernt stehen? Für mich ist das nichts. Und 400 Euro für ein Ticket? Da sind die Lebensmittel immer noch nicht zu teuer...
Ihre Weyhalla ist da der krasse Gegenentwurf. Nahbare Musiker, übersichtliche Preise – manchmal geht gar der Hut rum...
Meine news
Wir haben halt unterschiedliche Künstler. Die meisten sind Semiprofis – von der Musik leben die wenigsten. Und viel Geld gibt unsere Größe nicht her, und unser Image auch nicht.
Wobei der Ticketpreis nichts über die Qualität aussagen muss.
Qualität und musikalisches Talent gibt es bei uns auch. Wir haben teils sehr gute Musiker, die locker mithalten können mit den Großen. Aber sie haben halt nicht den Werbeetat. Es ist teilweise schon traurig. Da hast du super Leute im Programm, und du musst darum kämpfen, dass am Abend 40 Leute kommen.
Was war der bislang teuerste Gig in der Weyhalla?
Von meinen Veranstaltungen waren das so 20 Euro, als die Eixi (Kabarettistin Christine Eixenberger aus Schliersee; Anm. d. Red.) da war.
Und was war Ihr teuerstes Konzert, das Sie selbst besucht haben?
(lacht) Ooh. Monsters Of Rock oder Rock in Riem? Jedenfalls war Peter Gabriel dabei.
„Das war echt viel Geld damals“
Kurz nachgeschaut: Das war 1994, Rock in Riem.
Auf jeden Fall hat das Ticket 95 D-Mark gekostet. Das war echt viel Geld, aber es galt für drei Tage, und mich haben viele Bands interessiert. Das hat sich rentiert. Mei. 95 Mark – das wären heute 50 oder 60 Euro...
Es scheint ja so zu sein: Bei Adele gibt es kein Limit. Aber auf lokaler Ebene gibt es das schon, oder?
Ja, das kriegt man schon gelegentlich zu hören: Was, so viel für eine regionale Veranstaltung? Aber man findet Livemusik und viele Gäste auf dem Land eh nicht mehr so oft. Die Gruppe der Konzertgänger ist 60 Jahre alt – plus minus 15 Jahre. Und um diese Gruppe rauft sich die Industrie. Die Jüngeren haben andere Interessen. Die sind nicht mehr so konzertaffin. Beim digitalen Nachwuchs ist die Intensität nicht mehr so wie bei uns.
Für welche Lieblingsband live wären Sie bereit, an welches finanzielle Limit zu gehen?
Kann ich nicht beantworten. Ich habe alle gesehen, die ich sehen wollte. Queen, Saga, Styx. Obwohl... vielleicht hätte ich Boston noch gern gesehen. Queen hat 1978 so an die 32 Mark gekostet.
Umgerechnet also 16 Euro. Weit weg von Adele.
Ja. Adele – das sind schon Pink-Floyd-Verhältnisse, hätte man früher gesagt. Die hätte ich auch noch gerne gesehen. Aber die Frage ist halt auch, wie viele auf diesem Marketing-Niveau auftreten können. Für mich als Kleinveranstalter ist das seltsam. Wir haben auf jeden Fall Musiker bei uns, die dieses Geld auch wert wären.
ddy