Unter martialischem Trommeln aufs Ehe-Schlachtfeld
Das gab‘s zehn Jahre nicht mehr: In Wall ist ein ganzes Dorf in vertauschten Geschlechterrollen zur Bettelhochzeit auf den Beinen.
Wall – Laut und zünftig gestaltete sich die Woia Bädlhouzad der „fußboigeilen Vitalia“ und ihres „zentnerschweren Conrad“, zu der der Waller Trachtenverein D’Höhastoana am Samstag geladen hatte. 800 Hochzeitsgäste jubelten und prosteten dem Faschings-Traumpaar zu.
Dieses Mithaufen-Ereignis unterm Maibaum zwischen Kirche und Gasthof wollte sich keiner entgehen lassen. Das ganze Dorf war auf den Beinen, um nach zehn Jahren Pause Bettelhochzeit zu feiern – freilich verkleidet: Die Frauen in den Lederhosen, Joppen und Hüten ihrer Männer, die Mannerleut entsprechend in Dirndln, Röcken, Miedern und Strümpfen ihrer Frauen. Mit blonder Perücke oder Luftballons im Ausschnitt für die feminine Note und aufgemalten oder aufgepappten Bärten für die maskuline. Theaternarrisch und bühnenbauaffin, wie die Waller sind, gingen sie nicht nur ganz in ihrer jeweiligen Rolle auf – ob Manderl, Weiberl, Mönch, Nonne, Kuh oder Engel Aloisius. Sie sorgten auch für das authentische Ambiente.
Theatererprobte Waller sorgen für stimmiges Ambiente
Rund um den Freialtar mit Biertragl-Ambo lag, olfaktorisch herausfordernd, Mist. Ebenso auf dem von zwei Rössern gezogenen Karren, der das Hochzeitspaar – die „fußboigeile, Cordon bleu-vernichtende Vitalia“ und die „zentnerschwere, rothaarige Rampensau Conrad“ – sowie die Ehrenmutter Josefa, Klofrau und Abort-Managerin in einem großen Hochzeitszug zum Dorfanger brachte. Begleitet wurden sie von der „buckligen, erbschleichenden“ Verwandtschaft. Die „Woia Schoaßtrommel Kompanie“ mit Hochzeitslader Johann Schüller vorneweg trommelte martialisch, als ginge es aufs Ehe-Schlachtfeld.

Die Kapelle – alle Mitglieder mit roten Flaschenreinigern anstatt Federn an ihren Hüten – spielten und sangen derweil fidel auf, gefolgt von „Pfarrer Kevin aus Berlin“, der das Buch „1000 Landmaschinen“ gleich der Heiligen Schrift vorneweg trug, mit seiner roten Bruderschaft und vier von Traktoren gezogenen Wagen mit Mallorca-Blondinen, Klo und Abwasserrohren, einem Zug-Waggon und einer guten Stube mit Bollerofen.
Die Ritter der Heiligen Wärmepumpe und Pommelus Frittus
Die Hochzeitsgesellschaft zog zwischen den Buden, an denen sich die Gäste mit Bier und Leberkässemmeln, Würstl, Kaffee und Muffins versorgten, und unter den den Rammstein-Metal-Klängen „Du hast (mich nicht gefragt)“ statt Hochzeitsmarsch zum Altar, wo Hochzeitslader Schüller die Beteiligten vorstellte, nicht ohne politische Seitenhiebe gegen die in Dunkelheit und Umnachtung gezeugten „Schwarzen“ oder die „roten Ritter der Heiligen Wärmepumpe, einem Bettelorden aus Berlin“. Er übergab an Pfarrer Kevin, der mittlerweile eine weiße Kranz-Schleife mit der Aufschrift „in stiller Anteilnahme“ trug. Er las aus dem „Evangelium der kleinen Wärmepumpe“, vollzog die hanebüchene Trauung, bis dass der Aschermittwoch Vitalia und Conrad scheiden möge, und verabreichte die Heilige Kommunion mit den Worten „Pommelus Frittus“.
Der Chor mit Chorleiterin „Christa, direkt aus der Hölle“ sang „Weil i ned mog“ und „Mia derfn da heit feiern“ auf die Melodie von „We will rock you“. Hedonistische Fürbitten, die Kollekte an den armen Finanzminister Christian Lindner, fliegende Klorollen, Nebelmaschine, Trommelwirbel und Tusch rundeten den Trauungsgottesdienst ab. Danach setzte die Hochzeitsgesellschaft die Riesengaudi beim Wirt im Saal fort.