Nach Migrations-Aussage: "Für den Rücktritt qualifiziert“: SPD, Grüne und Linke gehen Bamf-Chef scharf an
Um eine nachhaltige Steuerung und Begrenzung der Migration zu erreichen, ist nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, ein radikaler Kurswechsel nötig. Es sei falsch, am individuellen Asylrecht festzuhalten und auf positive Effekte der beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu hoffen, sagte Sommer, der CSU-Mitglied ist, in einer Rede vor Teilnehmern einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Zukunft des Asylrechts.
Bamf-Chef Sommer schlägt komplett neues Asylsystem vor
Sinnvoller wäre es nach seinen Worten, das aktuelle System durch humanitäre Aufnahmen "in beachtlicher Höhe" zu ersetzen. Neben humanitären Gesichtspunkten könne hier auch die Integrationsfähigkeit des Arbeitsmarktes eine Rolle spielen. Wer dennoch unerlaubt nach Deutschland einreise, hätte dann keine Aussicht mehr auf ein Bleiberecht.
Grüne, Linke und SPD kritisieren BAMF-Chef Sommer scharf
"Solche öffentlichen Äußerungen eines Behördenchefs widersprechen seiner Verantwortung, verletzen mutmaßlich die Dienstpflichten und ziehen in der Regel personelle Konsequenzen nach sich“, sagt der SPD-Politiker Ralf Stegner gegenüber dem "Handelsblatt". Laut Stegner stellen die Aussagen von Sommer seine "Eignung für eine solche Führungsposition“ in Frage. Stegner weiter: „Ein Behördenchef hat sich an das Grundgesetz zu halten und sollte nicht öffentlich die in der Verfassung verbrieften Grundrechte infrage stellen.“
Noch deutlicher wurde die Linke-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger. "Wer als Behördenchef die Kernaufgabe seines eigenen Amtes, individuelle Asylprüfungen vorzunehmen, für unzeitgemäß, überflüssig oder gar falsch hält, sollte von seinem Posten zurücktreten", sagte sie gegenüber der "Welt". Auch Filiz Polat, Migrationsexpertin der Grünen, fordert den Rücktritt des Behördenchefs: „BAMF-Präsident Sommer hat sich mit seinen Äußerungen zur Abschaffung des individuellen Asylrechts und dem Vorschlag, die Genfer Flüchtlingskonvention zu verändern, für den Rücktritt qualifiziert.“
Sommer: "Politik kann vieles, wenn sie nur will"
Laut Sommer können Gesetze und Verträge geändert werden. "Politik kann vieles, wenn sie nur will", sagte Sommer auf die Frage einer Teilnehmerin zur Umsetzbarkeit seines Vorschlags. Schließlich hätten sich zuletzt auch die Mehrheitsverhältnisse auf europäischer Ebene geändert. Auch internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention könnten geändert werden. Man müsse sich "aus alten Denkschemata befreien", forderte Sommer.

Bamf-Chef fürchtet Ende des demokratischen Rechtsstaats ohne Asylreform
Mit Blick auf den Aufstieg populistischer und rechtsextremer Parteien in Europa dürfe man nicht ausblenden, dass der demokratische Rechtsstaat "an diesem Thema auch zugrunde gehen kann".
Sommer betonte, seinen Vortrag halte er nicht als Bamf-Präsident. Es gehe ihm vielmehr darum, seine "persönliche Einschätzung" und eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen zu präsentieren.
Drittstaaten-Verfahren funktionieren nicht
Das aktuelle europäische System sei zynisch, sagte er. Es ziehe vor allem junge Männer aus der Mittelschicht an, während Frauen, Kranke und Familien oftmals keine Chance hätten, nach Europa zu gelangen. Die Forderung nach "Schutz der Grenzen" offenbare nur Hilflosigkeit. Die von einigen Politikern als Maßnahme zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland vorgeschlagene Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist aus Sicht von Sommer "keine realistische Option".
In Deutschland stellten 2024 insgesamt 229.751 Menschen erstmals einen Asylantrag. Hinzu kamen 21.194 Asylfolgeanträge. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr um 30,2 Prozent zurück. Eine Hauptursache für diesen Rückgang sei, dass Serbien im November 2023 die Route nach Ungarn faktisch gesperrt habe, sagte Sommer. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen.