„Sauer auf die Deutschen“: EU droht in deutsche Energiewende einzugreifen – Strompreise müssen runter
Vor einigen Wochen hat sich die schwedische Energieministerin über die deutsche Energiewende echauffiert. Das könnte die EU nun zu einem Eingriff in den deutschen Strommarkt bewegen.
Brüssel/Berlin – Deutschland befindet sich auf dem Weg der Energiewende, aber tut das nicht in einem Vakuum. Im Gegenteil: Das, was in Berlin entschieden wird, hat oft auch direkte Auswirkungen auf die Nachbarländer und die gesamte EU. Denn der Strommarkt ist international aufgestellt, in Europa wird Strom an der Börse gehandelt. Das bedeutet aber auch, dass Angebot und Nachfrage in einem Land auch automatisch Auswirkungen auf die gesamte Handelszone hat.
Die negativen Folgen dessen hat man im Dezember gesehen, als in Deutschland kein Strom aus erneuerbaren Quellen produziert werden konnte (Dunkelflaute). Das hat auch die Strompreise in Südschweden stark ansteigen lassen – zum Ärger der dortigen Energieministerin.
Deutsche Energiewende sorgt für Ärger in Schweden: Getrennte Strompreiszonen müssen her
Schwedens Energieministerin Ebba Busch äußerte sich in diesem Zusammenhang kritisch in Richtung Deutschland. Laut der Zeitung Aftonbladet ist sie „sauer auf die Deutschen“, weil diese das Land nicht in Strompreiszonen eingeteilt und die Atomkraft abgeschaltet haben. Die hohen Strompreise in Südschweden seien aber auch das Ergebnis der stillgelegten Atomkraft dort. Schweden will den Anteil der Kernenergie im Strommix aber bis 2030 auf 50 Prozent erhöhen.
Das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte die Äußerungen nicht direkt, schrieb aber im Kurznachrichtendienst X, dass Deutschland und Schweden durch eine Leitung mit einer Kapazität von 600 Megawatt miteinander verbunden seien. Schweden habe vier Gebotszonen. „In der südlichsten, mit der wir verbunden sind, gibt es nur wenige eigene Kraftwerkskapazitäten.“ Diese Zone ist also besonders von Importen, unter anderem aus Deutschland, angewiesen.
Deutsche Stromgebotszone in der Kritik: Im Norden ist der Strom eigentlich sehr günstig
Deutschland hingegen hat nur eine Stromgebotszone. Wer innerhalb einer Stromgebotszone verbraucht und erzeugt, handelt mit demselben Strompreis. Und das sorgt mittlerweile bei den europäischen Nachbarn für Unmut. Denn in Norddeutschland wird generell sehr viel erneuerbarer Strom produziert, was eigentlich einen sehr niedrigen Börsenstrompreis bedeuten würde. Doch Norddeutschland bildet keine eigene Stromzone, mit der Schweden zum Beispiel einen besonders günstigen Preis aushandeln könnte.
Denn in Deutschland ist die Nachfrage im Süden des Landes höher, da die Industrie vorrangig dort angesiedelt ist. Um den billigen Strom aus dem Norden nach Süden zu leiten, fehlen aber im Moment noch die Trassen – die Folge ist, dass im Süden fossile Kraftwerke angeworfen werden müssen, die teuer sind. Weil Deutschland aber eine einzige Stromzone ist, bedeutet das: Der Strompreis steigt in ganz Deutschland, obwohl eigentlich nur der Süden dafür verantwortlich ist.
EU will über deutsche Stromzonen 2025 entscheiden: Deutschland könnte gezwungen sein, den Markt zu teilen
Das könnte sich bald aber ändern, zumindest wird 2025 das Jahr sein, indem beschlossen wird, ob Deutschland in verschiedene Stromzonen aufgeteilt werden muss, oder nicht. Am 27. Januar legen die europäischen Netzbetreiber einen Bericht vor, der eine Empfehlung aussprechen wird. Dann müssen die Mitgliedsstaaten einstimmig eine Entscheidung darüber treffen – gibt es keine Einstimmigkeit, dann darf die EU-Kommission im Alleingang entscheiden. Bis 2026 muss die Entscheidung gefällt sein.
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Schweden hat das schon hinter sich gebracht: Seit 2011 gibt es dort vier Stromgebotszonen, die ebenfalls auf Druck der EU eingerichtet wurden. Auch in Norwegen gibt es mehrere Stromzonen, in Italien sind es sogar sieben verschiedene. Die meisten anderen EU-Ländern haben wie Deutschland aber nur eine. Bis 2018 bildeten Österreich und Deutschland eine gemeinsame Zone.
In Deutschland ist man sich uneinig darüber, welche Lösung am sinnvollsten ist. Dabei gibt es ein ganz klares Nord-Süd-Gefälle, wie Daten der Denkfabrik Epico KlimaInnovation zeigen. Während die nördlichen Länder mit viel Erneuerbaren-Produktion Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern für eine Aufteilung der Preiszonen sind, sind NRW, Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern klar dagegen. Die übrigen Länder haben keine klare Position. Diese Meinungen sind auch logisch: Im Norden würden Haushalte und Unternehmen von deutlich günstigeren Energiepreisen profitieren, während im industrieintensiven Süden die Preise viel höher lägen.
Streit in Deutschland um die Trennung der Strompreiszonen: Vorteile für lokale Erzeuger
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist gegen die Aufteilung. Das würde „sowohl dem deutschen und europäischen Strommarkt als auch dem Wirtschaftsstandort letztlich mehr schaden als nützen“, so der Verband gegenüber dem Handelsblatt. Sie sorgen sich also auch um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, die im Süden unter höheren Preisen leiden müsste.
Bernd Weber, Gründer und Geschäftsführer der Denkfabrik Epico, sieht das differenzierter. „Eine Aufteilung der Strompreiszone könnte dazu führen, dass Investitionen in erneuerbare Energien in einzelnen Regionen weniger attraktiv werden, in anderen dafür aber mehr“, sagt er zu IPPEN.MEDIA. Es sei aus seiner Sicht wichtig, dass es in den jeweiligen Regionen Strompreissignale gebe, die Angebot und Nachfrage an erneuerbarem Strom vor Ort spiegeln. „Differenzierte Preise bieten grundsätzlich Anreize für die Verlagerung von Produktion und Konsum an vorteilhafte Standorte und zu vorteilhaften Zeiten.“
Sturm im Norden führt zu Strom-Engpass im Süden: Ökonomen beklagen „absurde“ Energiepolitik
Lion Hirth, Energie-Ökonom der Hertie School in Berlin, hält die aktuelle Situation jedenfalls für problematisch. „Die deutschlandweite Preiszone führt regelmäßig zu absurden Ergebnissen. Wenn Sturm an der Küste den Preis drückt, pumpen Speicherkraftwerke im Schwarzwald Wasser in die Berge, auch wenn Windstrom wegen knapper Stromnetze in Wirklichkeit gar nicht dort ankommt. Der Strom kommt dann aus alten, teuren Gas- und Kohlekraftwerken, die Netzbetreiber extra zuschalten müssen“, sagte er zum Handelsblatt.
Erst Anfang Januar hatte es mal wieder genau diese Situation in Baden-Württemberg gegeben, was den örtlichen Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW veranlasste, per App die Haushalte zum Stromsparen aufzurufen. Im Norden hat es mal wieder gestürmt, im Süden mussten die Kraftwerke angeworfen werden. Verbraucher sollten sparen, damit möglichst wenig Emissionen durch diese Kraftwerke ausgestoßen werden und der Preis nicht zu sehr ansteigt.
Gut möglich also, dass Deutschland am Ende zur Teilung der Stromzonen gezwungen wird. Das hätte auch Folgen für die Haushalte: Im Norden könnte man sich über tendenziell niedrigere Strompreise freuen, während im Süden der Strompreis wieder höher liegen würde.