Debatte um den deutschen Strommarkt entfacht: Bayern soll mehr für Strom zahlen

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Elektromasten sind in der Nähe einer Umspannstation in Schwerin zu sehen. © Jens Büttner/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Die zusätzlichen Kosten des einheitlichen Strommarktes führen zu Forderungen nach mehreren Preiszonen. Dies löst einen Streit um den deutschen Strommarkt aus.

Frankfurt - In Deutschland ist der Strommarkt einheitlich reguliert, das heißt, überall sind die Stromkosten gleich. Dagegen sprechen sich nun ein Dutzend Energieökonomen in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) aus. Denn, mehrere Milliarden Euro an Kosten entstehen durch die einheitliche Regulierung. Als Lösung nennen sie die Aufteilung von Deutschland in regionale Preiszonen. Doch ihre Idee trifft nicht überall auf Zustimmung. Mehrere Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften kritisieren die Bestrebungen der Energieökonomen. Der Streit um die Lösung der Stromprobleme in Deutschland beginnt.

Eine einzige Preiszone für Deutschland - was ist das Problem mit dem deutschen Strommarkt?

Der deutsche Strommarkt hat nur eine einzige Strom-Gebotszone bzw. Preiszone, wodurch der Strompreis im ganzen Land gleich ist. Auf den ersten Blick scheint dies immer ausreichend Kapazität zu garantieren, doch in Wirklichkeit werden regionale Unterschiede ignoriert. Ein Beispiel: In Bayern ist der Strombedarf hoch und der Preis steigt, doch das lokale Gaskraftwerk bleibt aus, da die Preise immer noch zu niedrig sind, um rentabel zu produzieren. Dafür startet jedoch der Windpark in Norddeutschland die Produktion, weil sich die Preise dort rentieren, obwohl der Bedarf in Bayern besteht. Der Strom in Bayern scheint daraufhin billig, obwohl er im Norden produziert wird und nicht in den Süden transportiert werden kann, da das die Hochspannungsleitungen überlasten würde.

In solchen Fällen wird Redispatch notwendig. Dabei handelt es sich um eine Ausgleichsmaßnahme zur Vermeidung regionaler Überlastungen. Der Windpark im Norden wird angewiesen, sich abzuschalten, während das Gaskraftwerk in Bayern eingeschaltet wird – beide werden bezahlt. Das Gaskraftwerk erhält mehr Geld für seinen Strom, der Windpark bekommt Geld, obwohl er nicht produziert. Im vergangenen Jahr führten diese Maßnahmen zu Kosten von 3 Milliarden Euro.

Mehr Effizienz und angepasste Kosten: Mehrere Preiszonen beziehen regionale Unterschiede mitein

Die Idee der Energieökonomen in dem Gastbeitrag der FAZ ist nun wie folgt: Anstatt nur eine Preiszone für Deutschland festzulegen, können zwei oder mehr Preiszonen regionale Unterschiede besser einbeziehen. So könnte das Gaskraftwerk in Bayern höhere Preise bekommen, um effizient zu produzieren bei erhöhter Nachfrage und im Windpark in Norddeutschland würde weniger Strom produziert werden. Laut den Experten sollte „der Strompreis an der Börse dort höher sein, wo gerade hohe Nachfrage herrscht, und dort niedrig, wo in diesem Moment ein Überangebot vorliegt.“

Die EU-Regulierungsbehörde Acer hatte bereits im Jahr 2022 Deutschland in einem Schreiben dazu aufgefordert, den Strommarkt in zwei bis vier Gebotszonen aufzuteilen. Dabei appelliert Acer an die Ampel-Koalition, Anfragen an die damalige CDU-Regierung seien immer abgelehnt worden. „Die beschlossene Zielvorstellung des europäischen Elektrizitätsmarktes erfordert, dass die Gebotszonen auf Engpässe im Stromnetz aufgebaut werden“, heißt es von der Behörde. Andernfalls sei der Stromhandel ineffizient. Die Länder Dänemark, Norwegen, Schweden und Italien hätten dabei bereits regionale Preiszonen eingeführt.

Kritik an mehreren Gebotszonen: Deutschland stehe als internationaler Standort schlechter da

Der Vorschlag, das Chaos im deutschen Stromnetz mittels mehrerer Preiszonen zu bändigen, wird dennoch von vielen als problematisch angesehen. In einer Antwort auf den Gastbeitrag in der FAZ schreiben 15 Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, dass die negativen Auswirkungen einer solchen Änderung schwer abzuschätzen sind. Sie betonen, dass eine funktionierende Wirtschaft Planbarkeit braucht, die durch langfristige Stromverträge und kurzfristige Einkäufe gesichert wird. Die Umsetzung wäre kompliziert und würde mehrere Jahre dauern. Dies könnte dringend benötigte Investitionen in erneuerbare Energien verlangsamen, da Unsicherheiten zu Zurückhaltung führen würden.

Weiterhin schreiben die Verbände und Gewerkschaften in ihrem Bericht, dass vor allem in Bayern und Baden-Württemberg am Ende die Strompreise in die Höhe schießen würden, sowie in Westdeutschland. Aber auch im internationalen Vergleich hätte, laut dem Bericht, Deutschland einen Standortnachteil. In Nord- und Ostdeutschland hingegen würden die Verbraucher von dem Grünstromüberschuss profitieren. Das würde dazu führen, dass Investitionen der Unternehmen vor allem im Norden, anstatt im Süden getätigt werden. Die Strombörse EEX führt wiederum als Kritik den mangelnden Wettbewerb an, der gerade in kleineren Gebotszonen entstehen kann, wo nur wenige Anbieter Einfluss auf den Preis haben.

Die Lösung der Verbände im Bericht der FAZ ist wie folgt: „Es braucht mehr Speicher, mehr Elektrolyse, mehr Direktbelie­ferung von Gewerbe und industriellem Mittelstand sowie eine bessere Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur.“ Ohne den Ausbau des deutschen Stromnetzes geht es zumindest nicht - darüber sind sich alle einig.

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