Trump sieht Putin „am Tisch“ – und übersieht wichtigen Abschreckungs-Faktor
Obwohl die Ukraine-Verhandlungen in der Türkei ohne nennenswertes Ergebnis zu Ende gegangen sind, glaubt US-Präsident Donald Trump weiter an Russlands Verhandlungsbereitschaft. In einem Interview mit dem Sender Fox News sagte er, Wladimir Putin sei "am Tisch" – obwohl der russische Präsident nicht zu den Gesprächen in der Türkei aufgetaucht war.
Den Grund für das Fernbleiben Putins lieferte Trump gleich mit: "Ich hatte immer das Gefühl, dass es kein Treffen ohne mich geben kann." Deshalb will der US-Präsident seinen russischen Amtskollegen bald treffen. "Wir werden eine Einigung erzielen. Wir müssen uns treffen, und ich denke, wir werden es wahrscheinlich planen." Trump sieht sich in einer guten Verhandlungsposition, denn Putin sei "müde". "Er sieht nicht gut aus, aber er will gut aussehen."
Trump will mit Putin reden, droht aber auch
Neben dem Gesprächsangebot an Putin schlägt Trump aber auch drohende Töne an. Der US-Präsident kündigte an, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, "wenn wir keinen Deal machen". Diese Sanktionen seien "vernichtend" und würden Putin wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage schwer treffen.
Russland schließt weitere Friedensgespräche nicht aus, bleibt aber vage, welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssten. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, ein Treffen von Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei möglich "als Ergebnis der Arbeit der Delegationen beider Seiten bei Erreichen bestimmter Vereinbarungen dieser Delegationen".
Was folgt auf Merz' Ultimaten?
Weil bei den Gesprächen in der Türkei keine Waffenruhe erreicht wurde, zeigte sich Bundeskanzler Friedrich Merz "sehr enttäuscht". Die Ultimaten, die er Putin gestellt hatte, sind mittlerweile verstrichen. Offen ist nun, ob der Kanzler seine Drohung wahr macht und mit weiteren Sanktionen und Waffenlieferungen reagiert – oder ob er sich weiter zurückhält, um neue Verhandlungen zu ermöglichen.
Merz‘ Parteifreund, CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter, hält nichts von Zurückhaltung wegen möglicher künftiger Gespräche. "Diese Verhandlungen machen keinen Sinn, denn Trump ist kein neutraler Verhandler. Sie schwächen die Position der Ukraine", sagte er am Freitag dem Deutschlandfunk. Europa begreife nicht, dass diese "Pseudoverhandlungen" Teil der hybriden und kognitiven Strategie Putins seien. Einerseits setze Russland bewusst auf Inkonsequenz und Schwäche und andererseits auf die Zermürbung der Ukraine.
Kiesewetter prangert Inkonsequenz an
Die Inkonsequenz – leere Drohungen und weitere Gesprächsangebote – ist sowohl bei Trump als auch den Europäern zu beobachten. Kiesewetter glaubt, dass so die Abschreckungspolitik wirkungslos bleiben wird, wie er bei X schreibt: "Abschreckung besteht aus drei Teilen: Fähigkeiten, Glaubwürdigkeit und Kommunikation. Fehlt einer dieser drei Teile, wird die Abschreckung schwächer und verliert ihre Wirksamkeit."
Als Beispiel führt der Verteidigungspolitiker mehrere Beispiele an. So habe man schon nach der russischen Krim-Annexion 2014 weder die militärischen Fähigkeiten gezeigt, noch sei man konsequent gewesen. "Auch unsere Kommunikation blieb fragwürdig – wir verurteilten die Annexion zwar ein bisschen, aber es war eigentlich business as usual, zumindest für Deutschland mit Nordstream 2", so Kiesewetter.
Tatsächlich belegen Dokumente, die die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag veröffentlicht hat, wie die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel trotz interner Warnungen dem Verkauf deutscher Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom nicht entgegengetreten war. Demnach soll Merkel Warnungen zur Versorgungssicherheit ignoriert haben – stattdessen bereitete das Kanzleramt Argumente vor, um die besorgten Polen, Ukrainer und Balten vor dem Nord-Stream-Deal zu beruhigen.
Spitze gegen Merz aus eigenen Reihen, Zurückhaltung bei Grünen
Kiesewetter mahnt deshalb an, endlich konsequent zu handeln. Ohne ihn direkt zu nennen, schickt der Verteidigungspolitiker auch einen Hinweis an seinen Parteichef Merz, mit dem er in der Ukraine-Politik nicht immer auf einer Linie ist: "Es ist maximal schädlich, wenn eine Drohung eine leere Phrase bleibt."
Während Merz damit Kritik aus den eigenen Reihen einstecken muss, bleibt die politische Konkurrenz überraschend zurückhaltend angesichts seiner ersten außenpolitischen Niederlage. Von den Grünen, die in den vergangenen Jahren auf mehr Waffenlieferungen und Sanktionen gedrängt haben, ist bislang keine laute Kritik am Kanzler zu vernehmen.
FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, sprach lediglich davon, es sei "fatal", wenn Putin merke, dass Merz und die anderen europäischen Regierungschefs nur reden und nicht handeln würden.