„Mocro-Mafia“-Gewalt durch Cannabis-Legalisierung: NRW-Innenminister Herbert Reul sieht Zusammenhang

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Seit einigen Wochen erschüttern Sprengstoffanschläge und Entführungen NRW. Dahinter soll die sogenannte „Mocro-Mafia“ stecken. Innenminister Herbert Reul kündigt im Interview neue Maßnahmen an.

Düsseldorf – Es geht um Drogen, Macht und Gewalt: Sprengstoffanschläge und Morde erschüttern die Niederlande seit Jahren. Dahinter stecken Banden, die Geschäfte im großen Stil mit Kokain, Crack und Marihuana machen. Seit einigen Wochen gibt es auch in Nordrhein-Westfalen immer wieder Explosionen. Die Ermittler sehen Zusammenhänge mit den niederländischen Banden, die als äußerst brutal gelten.

Sogenannte „Mocro-Mafia“ aus den Niederlanden: „Gewalt schwappt nach Deutschland über“

NRW-Innenminister Herbert Reul erklärt im Interview die Hintergründe – und wie die Sicherheitsbehörden die Kriminellen stoppen wollen.

NRW-Innenminister Herbert Reul bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin im Landtag. Kurz zuvor hatte das Innenministerium den Verein „Palästina Solidarität Duisburg“ verboten.
NRW-Innenminister Herbert Reul. © Peter Sieben

Herr Reul, können Sie sich erklären, warum die niederländische sogenannte „Mocro-Mafia“ hierzulande derart brutal vorgeht? 

In den Niederlanden hat es im Drogenmilieu immer schon sehr starke Gewalt gegeben. Bei uns in dem Maße bislang nicht. Offensichtlich verlagert sich das jetzt, weil ein neuer Markt erschlossen werden soll. Diese Gewalt schwappt aus den Niederlanden nach Deutschland über.

Die sogenannte „Mocro Mafia“

► Der Begriff stammt aus den Niederlanden. „Mocro“ ist ein Slangwort für Marokkaner. In der niederländischen Popkultur ist der Ausdruck längst etabliert – die TV-Serie „Mocro Maffia“, die sich auf die Bandenkriminalität bezieht, ist dort populär.

► Die Bezeichnung ist umstritten, da es bislang keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen den Banden und einer bestimmten Herkunft gibt. Laut Experten sind viele Mitglieder albanischer oder marokkanischer Herkunft, viele haben aber auch keine Migrationsgeschichte oder stammen aus anderen Ländern.

► Auch Morde gehen auf das Konto der sogenannten „Mocro-Mafia“: Im Juli 2021 war der niederländische Kriminalreporter Peter de Vries mitten in der Innenstadt von Amsterdam niedergeschossen worden. Der Mord soll in Zusammenhang mit einem Prozess gegen den mutmaßlichen Drogenboss Ridouan Taghi stehen, de Vries war Berater des Kronzeugen.

► Im Sommer 2024 waren niederländische Gangster an einer Geiselnahme in Köln beteiligt: Offenbar ging es dabei um verschwundene Drogen. Die Kriminellen folterten dabei ihr Opfer.

Gibt es dafür aus Ihrer Sicht einen konkreten Anlass?

Konkret ist Rauschgift abhandengekommen. Die niederländischen Drogenbanden haben gesagt: Das lassen wir uns nicht gefallen, da setzen wir ein Zeichen. Und dabei wenden sie dieselben brutalen Methoden wie in den Niederlanden an. Das ist für uns total neu. Aber die Sicherheitsbehörden haben schnell durchgegriffen, inzwischen sitzen 13 von diesen Typen hinter Gittern. Bei einigen Fällen, etwa bei den Schüssen auf ein Geschäft in Köln, wissen wir noch nicht, ob dabei auch die Niederländer involviert sind. Solche Vorfälle kennt man auch aus dem Rockermilieu, Gewalt hat es bei den Banden immer gegeben. Wir sehen aber jetzt eine andere Art von Brutalität. Das ist ein generelles Problem. Man darf aber auch nicht alle Fälle durcheinanderbringen und wild spekulieren. Die Ermittler arbeiten das gerade auf.

Hat die Cannabis-Legalisierung in Deutschland etwas mit den neuen Aktivitäten niederländischer Drogenbanden hierzulande zu tun? 

Die Niederlande haben seit den 1980er Jahren eine liberale Drogenpolitik betrieben, mit dem Ergebnis, dass es dort auf den Straßen und Plätzen lauter und gewalttätiger geworden ist. Das ist Fakt. Jetzt haben auch wir in Deutschland Cannabis legalisiert, und das ist eine Riesenchance für niederländische Drogenbanden, hier einen ganz neuen Markt zu erschließen. Insofern gibt es da einen Zusammenhang zwischen der Legalisierung und der Gewalt, ja. 

Glauben Sie, dass es bald öfter zu womöglich gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den niederländischen und einheimischen Banden kommen wird?

NRW-Innenminister Herbert Reul im Gespräch mit Peter Sieben.
NRW-Innenminister Herbert Reul im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben. © IPPEN.MEDIA

Das kann man nicht ausschließen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Niederländer, die hier jetzt die Möglichkeit sehen, viel Geld zu verdienen, sagen: Wir lassen das jetzt und gehen friedlich wieder zurück. Auseinandersetzungen zwischen einheimischen und niederländischen Banden sind durchaus denkbar, aber das ist Spekulation. Klar ist: Würde es nicht die erhöhte Nachfrage durch die Cannabis-Legalisierung geben, wäre der Markt nicht so gewachsen.

Bei den Sprengstoffanschlägen in Köln hätten Unbeteiligte verletzt werden können. Wie schützen die Sicherheitsbehörden die Bürger?

Die gute Nachricht ist: Bisher ist niemand Unbeteiligtes verletzt worden. Die Anschläge scheinen bisher so geplant worden zu sein, dass sie nachts oder in den frühen Morgenstunden passieren. Das kann sich aber ändern, und dann ist die Gefahr für unbeteiligte Menschen groß. Das versuchen wir zu verhindern, indem wir möglichst viele Täter erwischen und das Signal senden: Bei uns lohnt sich das nicht, wir erwischen dich. Zweites Mittel, das in Köln bereits umgesetzt wird: Massive Polizeipräsenz, um Gelegenheiten für solche Anschläge zu reduzieren.  

Enge Zusammenarbeit mit niederländischer Polizei

Können die neuen ausgeweiteten Kontrollen an der niederländischen Grenze helfen, potenzielle Täter früh aufzugreifen?

Das hilft nur richtig gut, wenn Menschen mit Haftbefehl gesucht werden. Jemanden, der offiziell nichts auf dem Kerbholz hat und über den wir keine Informationen haben, ziehen wir da nicht aus dem Verkehr. In Einzelfällen kann es etwas bringen, aber Grenzkontrollen sind sicher nicht das entscheidende Mittel. Wir prüfen aber andere Maßnahmen, um hier neue Möglichkeiten in der Kontrolle zu haben.

Wird es eine engere Zusammenarbeit mit der niederländischen Polizei geben?

Die sehr enge Zusammenarbeit mit der Polizei in den Niederlanden gibt es doch bereits. Einer unserer Beamten ist dort vor Ort eingesetzt, und hier beim LKA arbeitet ein niederländischer Kollege. Das ist überaus wichtig und macht die grenzüberschreitende Polizeiarbeit schneller. Da wird nicht lange gefackelt und nicht hin und her gefaxt, sondern man kennt sich und spricht miteinander. Beim Thema Geldautomatensprengungen haben wir auch gesehen, dass das klappt. Die Angriffe sind massiv zurückgegangen. Auch da hatten wir es mit Tätern aus den Niederlanden zu tun.

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