Das Stopseln kommt nach Moosburg - obwohl es „nichts ist, das großen Platz im Leben einnehmen sollte“
Die Älteren kennen es noch, nun wollen es auch die Jungen wieder etablieren: In Moosburg wurde ein Stopselclub gegründet. Und da geht‘s um mehr als Biertrinken.
Moosburg – Es ist eine waschechte Schnapsidee, die, obwohl das so schön passen würde, gar nicht in einer Kneipe geboren wurde, sondern auf einem Spielplatz in Inkofen bei Haag. Dort bemerken im Sommer zwei Moosburger Väter einen Hinweis an einem Spielhäuschen: „Gestiftet vom Stopselclub Inkofen“.
„Wir wussten nicht, was das sein soll, und haben an Ort und Stelle gegoogelt“, erinnert sich heute Andreas Klessinger, 36, der mit seinem Spezl Korbinian Zens damals Folgendes herausfindet: In einem Stopselclub müssen die Mitglieder stets einen Gefäßverschluss, den Stopsel eben, bei sich tragen und diesen nach Aufforderung anderer Mitglieder herzeigen. Wer seinen Stopsel vergessen hat, zahlt eine kleine Strafe. „Wir haben so fest lachen müssen“, erzählt Klessinger, „und dann haben wir uns gesagt: So einen Club braucht Moosburg auch sofort!“
Eine Halbe als Strafe fürs Ohne-Stopsel-erwischt-werden
Bis zur Gründung dauerte es dann aber noch. Erst einmal haben die beiden ihr Vorhaben allen möglichen Freunden und Verwandten erzählt. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten aus der Generation Ü40 schon wussten, was ein Stopselclub ist, die Jüngeren aber keine Ahnung hatten. Die Mundpropaganda lief gut, und so wurde tatsächlich am 4. November 2023 im Hirschwirt der „Stopslclub Moosburg“ gegründet. Wohlgemerkt ohne „e“ – zur Abgrenzung vom Inkofener Vorbild. Korbinian Zens hat den Vorsitz übernommen, Andreas Klessinger ist Festl-Wart. Als Strafe fürs Ohne-Stopsel-erwischt-werden wurde eine Halbe Bier festgelegt – falls das gerade passt. Ansonsten sind 2,50 Euro fällig, die per Strichliste vermerkt werden. Von den Erlösen wird entweder eine Runde ausgeschenkt oder ein Vereinsfest finanziert.
Aktuell zählt man gut 45 Mitglieder – anfangs bloß Kerle, inzwischen auch Frauen. Das jüngste Mitglied ist Korbinian Zens’ Schwester Annika (31), das älteste Andreas Klessingers Oma Sofie: „Mit 91 Jahren ist sie vielleicht sogar die älteste Stopslerin Bayerns“, sagt er und lacht. „Die meinte, da muss sie sofort mitmachen. Sie hat gleich die 20 Euro Jahresbeitrag bezahlt und ihren Stopsel präsentiert – einen Weinkorken.“
Spezielles Sport- oder Arbeitsgewand eignet sich durchaus als Ausrede
Die meisten tragen einen selbst hergestellten Verschluss mit sich herum, oft verbinden die Mitglieder eine persönliche Geschichte mit dem Gegenstand. So wie Andreas Klessinger, der seinen Stopsel aus einem Ast geschnitzt hat, den der Schnee von der Magnolie vor seinem Haus heruntergedrückt hatte. Laut Club-Satzung ist man nur vom Mitführen befreit, wenn Sportgewand getragen wird, oder Arbeitsgewand, das keinen Stopsel erlaubt. Auf dem eigenen Grundstück hat man zwei Minuten Zeit, den Stopsel hervorzuholen. Und er darf nicht im Geldbeutel aufbewahrt werden.

Aber wozu das alles überhaupt? Klessinger formuliert es so: „Das Stopseln an sich ist nichts, das einen großen Platz im Leben einnehmen sollte. Es ist einfach ein schönes Nebenbei, wenn man einen Stopselbruder oder eine Stopselschwester trifft und sich erwischt.“
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Abgesehen von dieser Freude, den geselligen Anlässen und dem Biergenuss – auch Spezitrinker sind übrigens willkommen – geht es den Moosburgern aber noch um mehr. „Wir werden höchstwahrscheinlich ein gemeinnütziger Verein“, kündigt Klessinger an. An der Eintragung werde gerade noch gearbeitet.

Im zurückliegenden Advent hat der Moosburger Stopslclub schon mal einen ehrenamtlichen Nikolausdienst offeriert. Einige Privatleute nutzten das Angebot, auch ein Kindergarten war unter den Kunden, nachdem deren Nikolo krank geworden war. Für den Einsatz hat Korbinian Zens, von Beruf Heizungsingenieur, spontan seine Arbeit ruhen lassen.
Eine Bank und ein Schafkopfkurs als erste Ziele
Als nächstes Vorhaben soll ein Schafkopfkurs eingerichtet werden, und dann will man irgendwann noch eine öffentliche Parkbank für die Moosburger Allgemeinheit sponsern. „Das ist unser kleiner Traum“, sagt Andreas Klessinger, im bürgerlichen Leben selbstständiger Physiotherapeut und Osteopath. „Ansonsten geht es einfach um ein heiteres Vereinsleben mit Aktionen wie der Teilnahme an Umzügen.“ Außerdem steht noch an diesem Freitag die Weihnachtsfeier an. Klessinger: „Die haben wir im alten Jahr so kurz nach der Gründung nicht mehr untergebracht. Und wir wollten auch nicht gleich den Feiern der anderen Vereine Konkurrenz machen.“
Gut zu wissen
Um dem Stopslclub beizutreten, muss man nicht in Moosburg leben. Der Verein verzeichnet bereits Mitglieder in der Schweiz, England, und den USA. Ein formloser Antrag per E-Mail an die Adresse vorstand@stopsl.club reicht. Oder man registriert sich auf www.stopsl.club.
Die einen Stopsler sind der Dorf-Kitt, die anderen bereits Geschichte
Stopselclubs gibt es in Bayern zirka seit Mitte des 20. Jahrhunderts, vor allem Anfang der 1970er ploppten die Vereine vielerorts auf. In manchen steht die reine Geselligkeit im Fokus, oft haben die Vereinigungen aber auch wohltätige Projekte auf der Agenda und fördern den Zusammenhalt der Bevölkerung. Wie zum Beispiel in Inkofen, wo gut jeder dritte Dorfbewohner im Stopselclub ist. Der richtet Kultur- und Brauchtumsveranstaltungen aus und unterstützt soziale Einrichtungen. Als 2022 das 50-jährige Vereinsjubiläum anstand, haben die Inkofener statt einer internen Feier gleich ein ganzes Volksfest auf die Beine gestellt: mit Festzelt, Imbissbuden, Attraktionen und Schaustellerfamilie.
„Eine Ortschaft muss leben, das ist uns wichtig“, sagt Inkofens Stopsler-Vorstand Robert Rott zum Motiv seines Clubs. Besonders stolz ist er darauf, dass immer wieder junge Mitglieder nachkommen. Andere Stopselclubs im Landkreis hatten hier weniger Glück: Der Stopselclub Altfalterbach (Markt Nandlstadt) wurde vor wenigen Jahren stillgelegt, wie der letzte Vorsitzende Herbert Brandmeier erzählt. „Altersbedingt, weil keine Nachkömmlinge mehr kamen.“ Auch der benachbarte Stopselclub Nandlstadt existiert schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr.
Was viele der verbliebenen Clubs gemein haben: Sie bringen Mitglieder verschiedenster Orientierung zusammen. In Moosburg lautet einer der expliziten Grundsätze für die Treffen: „Keine Politik, keine Religion“. In Abensberg im Landkreis Kelheim schafft es der dortige „Stopslerclub 1860 Bayern“ sogar, Brücken zwischen den eigentlich verfeindeten blauen und roten Fußballfans zu bauen.