Lebenshilfe Freising ist sauer: Kostenträger zum Teil zwei Jahre im Rückstand
Die Lebenshilfe steht unverschuldet vor großen Finanzierungsproblemen. Der Grund: Die Kostenträger sind mit ihren Zahlungsverpflichtungen im Rückstand.
Freising – „Ich finde es fast schon skandalös, wie wir von der Politik alleine gelassen werden“, machte jüngst Monika Haslberger, die Vorsitzende der Lebenshilfe Freising e.V., ihrem Unmut bei der Mitgliederversammlung der Organisation Luft. Denn der Jahresabschluss 2022 bescherte heuer der Lebenshilfe keinerlei Grund zum Jubeln: Rund 787 000 Euro mussten aus den Rücklagen und Ersparnissen entnommen werden, um die Bilanz auszugleichen.
„Klare Worte sind mehr als notwendig“
Dabei wurde nicht etwa schlecht gewirtschaftet, sondern es fehlen schlichtweg die finanziellen Zuwendungen der Kostenträger – einige von ihnen sind bis zu zwei Jahre im Zahlungsrückstand. Dazu äußerte sich der Geschäftsführer der Lebenshilfe e.V., Johannes Reicheneder: „Bisher hat sich die Lebenshilfe eher zurückgehalten, ihre Probleme so konkret anzusprechen und den Kostenträgern eine klare Schuld zuzuweisen. Mittlerweile sind diese klaren Worte aber mehr als notwendig, will man die Institution Lebenshilfe auch langfristig erhalten.“
Was zur finanziellen Misere aufgrund des stockenden Mittelflusses noch dazukommt: Nicht nur die Förderschule stößt langsam an ihre Grenzen und Kapazitäten, sondern auch die Heilpädagogische Tagesstätte, die Kitas, die Förderstätte in Moosburg, wie auch die Wohneinrichtungen. Überall, so Reicheneder, übersteige mittlerweile die Nachfrage das Angebot. Hinzu komme eine zunehmende Komplexität in diversen Bereichen, eine überbordende Bürokratie, wie eine „entgrenzte Prüfung“, die laut Reicheneder nicht mehr nachvollziehbar sei und unnötig in die Länge gezogen werde.
Steigende Fallzahlen, komplexe Fälle
Aber auch sonst steht die Lebenshilfe vor großen Herausforderungen: Die Fallzahlen steigen, die Fälle werden komplexer und in der Belegschaft gibt es zunehmend Ausfälle. Mehr zu betreuende Personen und eine erhöhte Komplexität ziehen unweigerlich einen höheren Personalbedarf nach sich. Die gute Nachricht: Fast alle Einrichtungen sind gut besetzt, weshalb für Reicheneder im Grunde eines klar ist: „Wir haben keinen Personalmangel.“
Was er aber zugeben musste: „Wir haben ein Ausfallproblem.“ Ein hoher Personalausfall mache sich wohl vor allem in den Wohneinrichtungen und in den Kindertagesstätten bemerkbar, als Gründe benannte Reicheneder den Schichtdienst per se, zunehmend herausfordernde Bedürfnisse von Klientinnen und Klienten, Atemwegserkrankungen, aber auch psychische Erkrankungen.
Die Lebenshilfe habe laut dem Geschäftsführer dieses Problem bereits vor einiger Zeit erkannt und sei aktiv und aktuell damit beschäftigt, Lösungen zu finden, Arbeitsbedingungen zu verbessern und mit den betroffenen Personen in Gespräche zu gehen. Gespräche führen will auch Albert Wittmann, Geschäftsführer der Isar Sempt Werkstätten GmbH – allerdings nicht mit dem Personal, sondern mit dem Bezirk Oberbayern. Der Grund: Auch hier stehen wohl Zahlungen aus. Wittmann wurde ebenfalls deutlich: „Im Sommer hätten wir eigentlich Insolvenz anmelden müssen, da die Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt werden konnten. Ein Überbrückungskredit konnte kurzfristig Abhilfe schaffen.“ Dass die Werkstätten tatsächlich in die Insolvenz gehen müssen, daran wollte Wittmann nicht glauben – allerdings sei das für ihn alles „rein kaufmännisch eine Katastrophe“.
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„Wir brauchen die Politik“
Weshalb die Werkstätten per se finanziell schlechter dastehen als sonst, erklärte Wittmann so: „Da zunehmend mehr E-Autos hergestellt werden und diese viel weniger Teile benötigen als herkömmliche Autos, gibt es auch weniger Arbeit für die Werkstätten. Seit 2015 verlieren wir immer mehr Aufträge, gerade auch vom Flughafen.“ Zuversichtlich sei er aber dennoch, denn die Werkstätten seien im Grunde solide Unternehmen, die aktuell schlichtweg „ein paar Stromschnellen“ zu überwinden haben.
Damit haben die Isar Sempt Werkstätten das gleiche Problem wie der Lebenshilfe-Verein selbst: fehlende finanzielle Mittel, die ihnen eigentlich längst zustehen. „Aus eigener Kraft können wir diese Situation auf Dauer nicht stemmen, wir brauchen die Politik, damit die Kostenträger ihre Verantwortung übernehmen“, betonte abschließend Monika Haslberger.