Bürgermeister berichtet von Besuchen an Geburts- und Hochzeitstagen: „Aus den Geschichten kann ich was lernen“
Zum runden Geburtstag oder Hochzeitstag bekommen die meisten Bürger Glückwünsche. Wie gratulieren Städte und Gemeinden zu Geburts- und Hochzeitstagen?
Bad Tölz – Ab dem 65. Lebensjahr und ab der Silbernen Hochzeit dürfen sich die meisten Landkreisbürger über Glückwunschkarten von ihrer Stadt oder Gemeinde freuen. Ab 80 und der Goldenen Hochzeit bekommt man, wenn man möchte, sogar in vielen Kommunen Besuch vom Bürgermeister, seinen Stellvertretern oder den Seniorenreferenten. Allerdings macht sich der demografische Wandel bemerkbar, und in den Rathäusern kommt man kaum mehr hinterher mit dem persönlichen Gratulieren. Auch hat die Corona-Pandemie ihre Spuren in puncto Vorsicht hinterlassen. Einige Bürgermeister haben sich deshalb andere Lösungen einfallen lassen.
Kochler Rathauschef kommt überraschend
In Kochel kam früher der Bürgermeister schon beim 50. und 60. Geburtstag. „Das habe ich abgeschafft“, sagt Jens Müller. Jetzt kommt der Rathauschef zum 70., 80., 85. und 90. Geburtstag, nach Letzterem dann jedes Jahr. Früher wurde gefragt, ob man das möchte. Auch das hat Müller geändert. „Ich komme gerne überraschend.“ Denn seiner Erfahrung nach würden die Jubilare sonst „immer sehr viel vorbereiten, und diese Arbeit möchte ich ihnen ersparen“. Die meisten Jubilare würden sich freuen. „In der Regel sind das sehr positive Gespräche“, sagt Müller. „Aus den Lebensgeschichten kann ich selbst was lernen.“ Zudem wird ein kleines Geschenk überreicht, zur Goldenen Hochzeit beispielsweise ein Blumenstrauß. Ansonsten entscheidet Müller anlassbezogen, es gibt Blumen, Wein oder kleine Aufmerksamkeiten von der „Kocheler Keramik“, die man hat fertigen lassen: kleine Krüge, Obstschalen oder ähnliches, zumeist mit dem Gemeindewappen drauf.
Die Gemeinde Lenggries lädt Jubilare und lang Verheiratete jedes Jahr im Oktober in den Alpenfestsaal zu Kaffee und Kuchen ein. Die Senioren erhalten bei der Gelegenheit ein kleines Geschenk. Das sei zum Beispiel einmal eine mit Pralinen gefüllte Lenggries-Tasse gewesen; heuer gebe es Kuscheldecken, verrät Sabine Schmöller aus dem Rathaus. Das Angebot werde gut angenommen, teilweise kämen bis zu 100 Besucher. Früher habe die Seniorenbeauftragte des Gemeinderats, Brigitta Opitz, die Mitbürger ab 85 Jahren besucht, doch es seien zu viele geworden.
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In Egling wird beides praktiziert – persönliche Besuche durch Seniorenreferent Max Hartl und Bürgermeister Hubert Oberhauser sowie Seniorennachmittage mit Ehrungen. „Da dürfen alle ab 65 dabei sein. Es gibt eine große Verlosung mit vielen Gutscheinen und Geschenke“, sagt Johanna Deiser vom Standesamt.
In Bad Tölz bekommen laut Pressesprecherin Birte Stahl alle Bürgerinnen und Bürger mit Hauptwohnsitz ab dem 70. Geburtstag ein Glückwunschschreiben des Bürgermeisters, danach alle fünf Jahre. Wer das gesegnete Alter von 90 Jahren erreicht, darf damit rechnen, dass ein Mitglied des Stadtrates nach Voranmeldung vorbeischaut. Ab dem 100. Geburtstag erfolgt dieser Besuch jährlich, sofern gewünscht. Dasselbe gilt für besondere Hochzeitstage. Allerdings, so Stahl, lehne etwa die Hälfte das Angebot ab oder melde sich nicht zurück. „Die andere Hälfte zeigt sich von dieser Art der Wertschätzung meist hocherfreut. Die Gratulanten berichten von zahlreichen sehr berührenden und persönlichen Begegnungen.“
Münsing veranstaltet ein Zeltfest
Gerne empfangen werden Bürgermeister Klaus Heilinglechner und sein Stellvertreter Günther Eibl von den Wolfratshausern an deren Ehrentagen. Wie Chefsekretärin Helga Hacibekiroglu mitteilt, erhalten die älteren Bürger mit 75, 80 und 85 Jahren Glückwunschkarten, die die Amtsbotin ihnen überbringt. Falls der Jubilar zu Hause ist, übergebe sie zusätzlich für die Damen eine Schachtel Pralinen und für die Herren ein Set von zwei Weinflaschen. Ab dem 90. Geburtstag schreibe die Stadt die Geburtstagskinder an, ob sie einen Besuch des Bürgermeisters wünschten. Die Jubilare meldeten sich bei der Stadt, womit Verwechslungen ausgeschlossen seien. Ob die Presse eingeladen werde, würden ebenfalls die Jubilare selbst entscheiden.
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Die Gemeinde Münsing hat früher ab dem 80. Geburtstag und dann alle fünf Jahre sowie ab der Goldenen Hochzeit einen Vertreter geschickt. „Oft bin ich selbst zu den Jubilaren gefahren“, sagt Bürgermeister Michael Grasl. Doch da deren Anzahl „erfreulicherweise stark ansteigt“, seien mehrere Termine in einer Woche oder an einem Tag leider nicht mehr zusätzlich zum Alltagsgeschäft möglich. Man sei deshalb dazu übergegangen, die älteren Menschen bei Seniorennachmittagen im Rahmen von Zeltfesten zu ehren. „Davon machen immer einige 100 Gäste Gebrauch.“
Angst vor Trickbetrügern
Die Geretsrieder Seniorenreferentin Sabine Gus-Mayer war vor Ausbruch der Pandemie viel unterwegs. Ab dem 90. Geburts- und dem 50. Hochzeitstag sei sie auf Wunsch ins Haus gekommen, um Blumen und eine Urkunde der Stadt zu überreichen – und um meist länger zu bleiben, weil die Lebensgeschichten der Geretsrieder, gerade derer mit Fluchthintergrund, für sie „unglaublich beeindruckend“ seien. Nach der Pandemie seien die Senioren nun vorsichtiger geworden, sagt sie. Außerdem hätten die Jubilare noch andere Sorgen: „Wenn die Leute einen Anruf bekommen, bei dem sie die Stimme nicht kennen und das Gesagte aufgrund von Schwerhörigkeit nicht so gut verstehen, legen viele gleich wieder auf.“ Seit Ende der Pandemie werden die Senioren nun vom Bürgermeisteramt kontaktiert, ob sie Besuch wünschen. (tal/müh)