Bonsai-Bäume wachsen auch im Wald: Wildverbiss setzt jungen Tannen zu

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Groß und klein: Georg Huber (li.) und Peter Melf halten eine Tanne in ihren Händen. Sie ist in etwa genau so alt wie der Baum hinter ihnen. © Doris Schmid

Über zwei Jahrzehnte ist die Tanne alt, die Georg Huber und Peter Melf in ihren Händen halten. Sie ist nicht größer als 40 Zentimeter geworden. Die Gründe dafür erklärt Förster Robert Nörr.

Dietramszell – Bonsai-Bäume bei uns im Wald? Die gibt’s tatsächlich. Tradition haben diese Bäume vor allem in China und Japan. Durch Wurzel- und Blattschnitt wird das in einem Pflanzgefäß gezogene Bäumchen klein gehalten und in die gewünschte Wuchsform gebracht. Jeder Baum kann auf diese Weise zu einem Bonsai geformt werden. In unserer Region sind diese Bäume meistens Tannen, die klein gehalten werden – aber nicht von Menschenhand. Schuld daran ist meistens das Wild, das seinen Hunger stillt. Die Waldbesitzer versuchen, diesem Problem mit Naturverjüngung auf großer Fläche und einer an den Wald angepassten Anzahl an Rehen zu begegnen.

Verjüngung ohne Schutzmaßnahmen

Revierförster Robert Nörr steht in einem Waldstück bei Peretshofen. Er hält eine Tanne in den Händen, die er aus einem anderen Wald mitgebracht hat. Das Bäumchen schaut aus wie ein Sämling, so klein ist es. Normalerweise lässt sich an der Anzahl der Astreihen das Alter eines Baums abschätzen. Bei dieser Tanne ist das unmöglich. „Ich habe ihr Alter von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, unserer Forschungseinrichtung, bestimmen lassen“, berichtet Nörr. Der kleine, schmächtige Nadelbaum ist nach den Jahrringanalysen 25 Jahre alt. „Plus minus ein Jahr“, ergänzt Nörr. Damit zählt er zu den kleinsten Bäumen des Landkreises.

Dann muss man nicht jeden greisligen Baum durchkommen lassen, und die Naturverjüngung kommt aufgrund der verringerten Rehwildbestände von ganz allein und auf großer Fläche.

Wie kommt es, dass diese Tanne nach über zwei Jahrzehnten nicht größer als 40 Zentimeter geworden ist? „Das Rehwild mag sie“, ergänzt Georg Huber, ehemaliger Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Manhartshofen. Für die Wildtiere sind die frischen Knospen ein echter Leckerbissen. Weil die Tanne in Nörrs Händen früher permanent angeknabbert wurde, ist sie nie gewachsen – aber auch nicht abgestorben.

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In Anbetracht der großen Waldflächen in der Region sei es unmöglich, alle nachwachsenden Bäumchen gegen Wildverbiss zu schützen, sagt Nörr. „Und was passiert, wenn ein großflächiger junger, 40-jähriger Wald durch Schnee oder Wind gebrochen wird?“, nennt der Experte ein weiteres Beispiel. „Auch dann sollte eine Erneuerung über Naturverjüngung möglich werden.“ An diesem Punkt kommt die Jagd ins Spiel: Denn das Gesetz fordere, dass „die Bejagung insbesondere die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen“ ermöglichen soll.

Robert Nörr ist Revierförster in Wolfratshausen.
Robert Nörr ist Revierförster in Wolfratshausen. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Nur wenn eine natürliche Erneuerung aufgrund fehlender Mischbaumarten nicht möglich sei, sollten diese stellenweise als Ergänzung gepflanzt werden – und das am besten ohne Schutz. Denn sowohl Zäune als auch der Schutz einzelner Bäumchen sei aufwendig und teuer. „Dazu muss noch mindestens jährlich kontrolliert und repariert werden“, berichtet der Förster. Am Ende müssten Plastik oder Draht auch noch entsorgt werden. Bei einem Zaun reiche ein abgebrochener Ast, ein umgefallener Baum oder einfach ein Spaziergänger, „der ein Tor nicht mehr zumachen will, und schon kann die gesamte Fläche verbissen sein“.

Jahrzehntelanges Engagement der Waldbesitzer und Jagdpächter zeigt Wirkung

Im Manhartshofener Holz gibt es wegen des jahrzehntelangen Engagements der Waldbesitzer und Jagdpächter nicht viel Wildverbiss – und damit wenig Bonsai-Tannen. Gründe sind seit Jahrzehnten angepasste Wildbestände in Verbindung mit einer erfolgreichen Waldpflege. Dafür wurde die Jagdgenossenschaft 2007 vom Freistaat mit dem Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.

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In der Jagdgenossenschaft sind etwa 50 Waldbauern zusammengeschlossen. 1974 hatten sie sich darauf geeinigt, etwas gegen den Wildverbiss im Wald zu unternehmen. Da es in ihren Reihen genügend am Wald interessierte Jäger gab, beschlossen sie, die Jagd nicht mehr fremd zu verpachten, sondern ausschließlich in eigener Verantwortung zu übernehmen und nur ortsansässige Jäger zu beteiligen. Jahr für Jahr sei die Genossenschaft durch ihre Konsequenz und die niedrigsten Verbissschäden aufgefallen. „Mittlerweile setzen die Mitglieder den Waldumbau, den sie in der zweiten Generation betreiben, im Zeichen des Klimawandels fort“, so Nörr.

Der Wald ist wie eine Großfamilie

Revierleiter Peter Melf vergleicht diesen Wald mit einer bäuerlichen Großfamilie. „Es gibt den Opa, die Oma, die Eltern und die Kinder“, sagt Melf. „Es wächst etwas von der mittleren Generation in die obere und von der jüngsten etwas in die mittlere.“ Wer den Wald ordentlich pflegt, mal einen alten Baum herausschneidet, habe weniger Aufwand und eine gewisse Vielfalt. „Dann muss man nicht jeden greisligen Baum durchkommen lassen, und die Naturverjüngung kommt aufgrund der verringerten Rehwildbestände von ganz allein und auf großer Fläche.“ Dann sei es auch nicht so tragisch, „wenn mal eine Tanne angefressen wird. Aber wenn nur ein paar da sind, dann hast halt am Ende gar nix.“

Serie

Welche Baumarten gibt es im Landkreis? Wo steht der Höchste? Welcher ist der Dickste? Welche Kuriositäten gibt es? Mithilfe des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Holzkirchen wollen wir unter dem Titel „Von der Wurzel bis zur Krone“ besondere Bäume in loser Reihenfolge in unserer Zeitung vorstellen.

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