„Geld ausgeben reicht nicht“: Kommt vom „Sondervermögen“ auch etwas im Landkreis an?

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Infrastruktur-Projekt: Die Elektrifizierung der Bahnstrecken im Oberland könnte ein Kandidat für Investitionen aus dem „Sondervermögen“ des Bunds sein – findet zumindest Landrat Josef Niedermaier. © Thomas Plettenberg

Landrat Josef Niedermaier hält es für denkbar, dass die S-Bahn-Verlängerung oder die Elektrifizierung der Oberlandbahn von den neuen Schulden des Bunds profitieren.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Mit Zweidrittelmehrheit hat der Bundestag den Weg für eine Lockerung der Schuldenbremse sowie für ein „Sondervermögen“ in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz freigemacht. Schuldenfinanziert verfügt der Staat somit über jede Menge Geld. Auch im Landkreis besteht durchaus die Hoffnung, dass davon etwas auf lokaler Ebene ankommt. Doch die hohe Verschuldung bereitet auch Sorgen.

Wenn Geld zur Verfügung steht, bin ich der Letzte, der sagt, dass wir es nicht wollen und nicht brauchen.

„Wenn Geld zur Verfügung steht, bin ich der Letzte, der sagt, dass wir es nicht wollen und nicht brauchen“, sagt Landrat Josef Niedermaier. Denn eines sei klar: Die Kommunen seien in Deutschland „extrem unterfinanziert“. Viele Landkreise „gehen am Krückstock“, sagt der Landrat. Die Kommunen müssten 26 Prozent der staatlichen Ausgaben schultern, bekämen aber nur 14 Prozent der Steuereinnahmen.

Mahnende Worte zur Verwendung des „Sondervermögens“

Um sofort eine Liste aufzustellen, wofür Geld aus dem „Sondervermögen“ im Landkreis fließen könnte, sei es zu früh. „Aber natürlich halten wir die Augen offen und spitzen die Ohren“, so Niedermaier. Ein paar Ideen, wie sich die Infrastruktur im Landkreis voranbringen ließe, hätte er: S7-Verlängerung, zweigleisiger Ausbau der Werdenfelsbahn, Elektrifizierung der Oberlandbahn oder neue Rechenzentren für die Digitalisierung der Behörden.

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Die Strategie, über Schulden Investitionen zu tätigen, die sich auszahlen, das wolle er nicht verteufeln. Der Landrat mahnt aber auch: „Wenn wir mit dem Geld einfach die Probleme zuschütten, die wir mit den Sozialausgaben haben, dann versündigen wir uns an der nächsten Generation.“ Daher brauche es gleichzeitig konsequente Reformen.

Bauzinsen angestiegen

Bei Stefan Fadinger, Rathauschef in Gaißach und Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, überwiegen die Bedenken. „Ob von dem Geld tatsächlich etwas in eine Gemeinde wie Gaißach oder in unseren Landkreis fließt, das ist die große Frage“, sagt er.

„Große Sorgen“ macht ihm dagegen, dass keine Partei den Umfang des „Sondervermögens“ infrage gestellt habe. „Niemand hat nachgerechnet, ob nicht auch die Hälfte dieses riesigen Betrags reichen würde.“ Bis die Investitionen mögliche positive Effekte zeitigen, könne es dauern. Kurzfristig befürchtet Fadinger hingegen einen negativen Effekt. So verweist er darauf, dass das Milliarden-Schuldenpaket mittelbar bereits dazu geführt hat, dass die Bauzinsen ansteigen.

Wirtschaft unterstützt Stärkung der Verteidigungsfähigkeit

Und wie reagieren die lokalen Unternehmen auf das Schuldenpaket? Hoffen sie auf Aufträge? In der Wirtschaft werde das „Sondervermögen“ unterschiedlich diskutiert, erklärt Renate Waßmer, Vizepräsidentin der IHK für München und Oberbayern und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Bad Tölz-Wolfratshausen.

„Ausgaben zur Stärkung der Abwehr- und Verteidigungsfähigkeit von der Schuldenbremse auszunehmen, das unterstützen alle vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft“, sagt Waßmer. „Denn Sicherheit ist die Grundlage für den Erhalt unserer Werte, unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Wettbewerbsfähigkeit.“

Warnung vor „Last für die jüngere Generation“

Umstritten seien dagegen mehr Schulden für zusätzliche Infrastruktur-Investitionen. Es stelle sich vor allem die Frage: „Was gilt am Ende als wirkliche Investition – abgegrenzt von sonstigen Staatsausgaben?“

Erst wenn hier Klarheit herrscht, könne man die tatsächlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft vor Ort besser einschätzen. „Zugleich müssen wir ehrlich sein“, betont Waßmer. „Für eine gute Zukunft reicht es bei Weitem nicht aus, wenn der Staat viel Geld ausgibt. Mehr Schulden ohne einschneidende strukturelle Reformen führen zu Verschwendung, Inflation und höheren Zinsen, und sie sind eine enorme Last für die jüngeren Generationen.“

IHK-Vizepräsidentin mahnt Reformen an

Was die Unternehmen zuallererst bräuchten, seien strukturelle Wirtschaftsreformen, etwa „eine spürbare Entlastung von Steuern und Abgaben auf Investitionen und Arbeit, einen radikalen Bürokratieabbau, eine echte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine bezahlbare soziale Absicherung und ausreichend Anreize zur Arbeit“, meint Waßmer und beklagt: „Die Notwendigkeit von solchen Reformen spielt in der aktuellen Diskussion um das Sondervermögen jedoch so gut wie keine Rolle.“ (ast)

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