Nachhaltig bauen, doppelt zahlen: Der Kampf einer Familie gegen Energiegiganten
Eine Parsdorfer Familie baut ein Haus. Sie will dabei im Sinne des Klimaschutzes alles richtig machen. Doch sie erlebt ihr blaues Wunder mit Bayernwerk und EON.
Vaterstetten – „Als größter regionaler Netzbetreiber Bayerns sichern wir die Energieversorgung in weiten Teilen des Freistaats und bieten ein umfangreiches Angebot an Energiedienstleistungen.“ So steht es vollmundig auf der Homepage der Bayernwerk Netz. Doch das, was in der Realität geboten wird, treibt Kunden die Zornesröte ins Gesicht. Die Bewertungen des Unternehmens im Internet sind grottenschlecht. Manche wollen sogar „Minussterne“ vergeben. Fest steht: Manche Kunden brauchen Nerven so stark wie Starkstromkabel.
Gabi Riedl und ihr Mann Thomas haben in Parsdorf (Vaterstetten) ein Mehrgenerationenhaus gebaut. Dieses bietet eine Wohnung für das Ehepaar, eine für die Söhne Valentin (20) und Sebastian (23) sowie eine für die Tante Berta Lang (89). Die Riedls wollten in Sachen Energieeffizienz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit alles richtig machen, als sie sich in das Abenteuer Neubau stürzten.
„EON rechnet unseren Wärmepumpen-Strom doppelt ab“
Ihr Holzhaus, das sie im Januar 2023 bezogen, hat die höchste Energieeffizienzstufe KfW40, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die Wärmepumpe und Elektroauto versorgt. „Unsere Heizung ist sogar so ausgelegt, dass uns der Netzbetreiber auch den Strom für die Wärmepumpe für einige Stunden abstellen darf, wenn der Strom knapp wäre. Soweit alles vorhanden, was der Energiewende nützt“, sagt Gabi Riedl (55), die einen Hilferuf hinterherschickt. Denn: „EON rechnet unseren Wärmepumpen-Strom doppelt ab!“
Doch von vorne: Die Riedls hatten für ihren Strom bei Bayernwerk Netz einen Anschluss mit einer so genannten Kaskadenschaltung beauftragt. Bei diesem laut Riedls von Bayernwerk vorgeschlagenen Konzept wird der Verbrauch der Wärmepumpe, der Verbrauch für das Haus und die Einspeisung der PV-Anlage durch einen jeweils einen eigenen Stromzähler erfasst.
Hauseigentümer müssen Grundversorgungstarif zahlen
Soweit die Theorie. Doch die Realität sieht anders aus. „Die beiden Zähler werden nämlich nicht als Kaskade, sondern als eigenständige Hausanschlüsse abgerechnet. Wir zahlen also den Strom, der nacheinander durch zwei Zähler läuft doppelt!“, sagt Gabi Riedl. Zusätzlich laufe seit eineinhalb Jahren die gesamte Energieversorgung einschließlich Heizung in der teuren Grundversorgung, „weil wir wegen der fehlerhaften Abrechnung den Tarif nicht wechseln können“. Also heizen die Riedls ihr Haus mit dem teuren Grundversorgungsstrom. Sie schätzen, dass sie bereits 2000 bis 3000 Euro zu viel bezahlt haben. „Aber wir müssen die falschen Rechnungen zahlen, denn ansonsten droht EON damit, den Strom abzusperren, das Mahnwesen scheint dann doch gut zu funktionieren“, sagt die Hauseigentümerin.
Betroffene sagen: „Kommunikation mit Bayernwerk und EON ist völlig sinnlos“
Natürlich hätten sie und ihr Mann versucht, mit Bayernwerk und EON Kontakt aufzunehmen. Was sie dann erlebt haben, sei eine „Kaskade von Nichtreaktion“ gewesen: „Unser Elektriker hat an Bayernwerk ungezählte E-Mails geschrieben, dort angerufen und zweimal persönlich in der Niederlassung vorgesprochen. Wir hingen stundenlang in irgendwelchen Hotlines und hatten teilweise Ansprechpartner, die versprochen haben, das Thema zu lösen. Alles ohne Ergebnis. Manchmal wurden wir auch einfach nur weggedrückt. Kommunikation mit Bayernwerk und EON ist völlig sinnlos und erfolglos“, lautet ihre bittere Bilanz.
Meine news
Die Riedls waren eigenen Angaben zufolge zuletzt selbst in der Niederlassung von Bayernwerk in Taufkirchen. Der zuständige Mitarbeiter habe den Fehler nachvollziehen können und bestätigt, „dass der ganze Anschluss auf der kaufmännischen Seite falsch aufgesetzt ist“. Leider habe auch diese Erkenntnis am Ende nichts gebracht. Gabi Riedl enttäuscht: „Im Nachhinein hätten wir uns besser für eine Gasheizung entschieden. Jetzt müssen wir uns wohl einen Anwalt nehmen, damit unser Wärmepumpen-Stromanschluss endlich so eingerichtet wird, wie er beauftragt wurde.“
Bayernwerk-Sprecher: „Arbeiten nicht mit der erforderlichen Klarheit erledigt“
Christian Martens, Sprecher von Bayernwerk Netz, sagt auf Anfrage der EZ, im Fall von Familie Riedl sei es so, dass sich mehrere Aufträge, Arbeitsschritte, An- und Ummeldungen und technische Anforderungen in der Bearbeitung seit dem Einzug in den Neubau überschnitten hätten. „Einige notwendigen Arbeiten wurden auf Bayernwerk-Seite nicht mit der erforderlichen Klarheit verfolgt und erledigt. All das hat bedauerlicherweise zu Verzögerungen geführt“, so der Sprecher.
Ein für die Betrachtung des Falles wichtiger Schritt sei der Anschluss der PV-Anlage gewesen. Im Sommer sei der Netzanschluss mit Zählermontage und Inbetriebsetzung fertiggestellt worden. Die Wärmepumpe benötige für die korrekte Anmeldung hingegen einen Zähler mit einer Funksteuerung. Letztlich sei die beauftragte Kaskadenschaltung zur Umsetzung offen. Martens: „Heute ist es so: Der Fall und die Schwierigkeiten sind in der Dokumentation nachvollziehbar und die Anforderungen liegen uns vor. Die Bayernwerk Netz wird die richtige Installation in der kommenden Woche abschließen. Anschließend können die spätestens seit Inbetriebnahme der PV-Anlage entstandenen falschen Messwerte korrigiert und dem vertrieblichen Anbieter übermittelt werden. Wir sind zuversichtlich, die auch finanziellen Unstimmigkeiten zwischen Kunde, Netzbetreiber und vertrieblicher Abrechnung gemeinsam klären und kulant lösen zu können.“
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)
Und was sagt EON? Den Mahnprozess habe man bis zur abschließenden Klärung des Anliegens von Frau Riedl pausiert. Für den Betrieb der Zähler sei der Netzbetreiber, also Bayernwerk, zuständig. Dieser stelle dem zuständigen Energieversorger auch Informationen zum verwendeten Messsystem zur Verfügung. „Im Fall von Frau Riedl liegen uns keine Informationen zu einer Kaskadenschaltung der Stromzähler vor, wir mussten daher von zwei separaten Zählern ausgehen. Zur Klärung haben wir uns noch einmal mit dem Netzbetreiber in Verbindung gesetzt“, so eine Sprecherin des Konzern. Werde EON nach der Prüfung ein geändertes Messkonzept durch den Netzbetreiber mitgeteilt, werde man dies in die Systeme übernehmen „und selbstverständlich die Rechnung entsprechend anpassen“.
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!