Netzwerk Niebler: EU-Abgeordnete aus Vaterstetten im Blick von LobbyControl

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ebersberg
  4. Vaterstetten

KommentareDrucken

Angelika Niebler mischt mit: Hier steht die Vaterstettenerin beim kleinen Parteitag der CSU im April in München neben Ministerpräsident Markus Söder (re.) und Manfred Weber, CSU-Spitzenkandidat zur Europawahl. © Peter Kneffel

Die EU-Abgeordnete Angelika Niebler aus Vaterstetten gilt über die CSU hinaus als politisches Schwergewicht mit großem Netzwerk. Lobbyismus-Beobachter sehen das kritisch.

Vaterstetten – Obwohl wir mittendrin sind, scheint Europa manchmal weit weg. Und so fällt es nicht immer auf, dass der Landkreis Ebersberg ein politisches Schwergewicht auf EU-Ebene beheimatet: Die Abgeordnete Angelika Niebler, die seit 1999 von Vaterstetten aus nach Straßburg und Brüssel pendelt. Nach 25 Jahren im Parlament, die Wiederwahl am 9. Juni dank CSU-Listenplatz 2 quasi gesichert, hätten sich andere vielleicht gut als Hinterbänkler eingerichtet. Niebler nicht, Niebler mischt mit.

Zahlreiche Parteiämter, Ehrenämter - und Nebenverdienste

Davon zeugen nicht nur ihre Parteiämter: Vorsitzende der CSU-Europagruppe, Co-Vorsitzende für die CDU/CSU-Gruppe in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), dem „Dachverband“ Europas Bürgerlich-Konservativer. Im Vorstand der Frauen Union Bayern, im Kreis-, Bezirks- und Landesverband der CSU, Präsidentin des Wirtschaftsbeirates der Union. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Ebenso die Liste von Industrie- und Wirtschaftsvertretern auf der Transparenzliste, die die Abgeordnete im Rahmen von Lobbyisten-Treffen führen muss: BMW, der Bundesverband Medizintechnologie, der Bundesverband der Tabakwirtschaft, Wacker Chemie, Nokia, China Risks Limited und die Hanns-Seidel-Stiftung, um nur ein paar Namen aus dem laufenden Kalenderjahr zu nennen, mit denen Niebler im Gespräch war.

Niebler verdient mit am meisten dazu

Und dann sind da noch ihre 19 Nebentätigkeiten, sieben davon bezahlt mit einem Jahresgesamtbrutto von insgesamt 153 528 Euro, so errechnet es sich aus den für EU-Parlamentariern verpflichtenden Veröffentlichungen. Mehr als ihre Abgeordnetendiät und laut Transparency International mehr als 202 ihrer 207 Mitparlamentarier. Kein Zweifel: Angelika Niebler ist fleißig.

Im EU-Parlament sitzt sie im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und der Delegation für die Beziehungen zu den USA. Ist Stellvertreterin im Rechtsausschuss, der Indien- und der Südostasien-Delegation. Sie hat zuletzt maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren zur Standardisierung des digitalen Datenaustausches in Europa mitgearbeitet, an Verordnungen zu Cybersicherheit, zum Europäischen Gerichtshof, zur Vorgaben für die Transparenz politischer Werbung.

Entschließungsanträge zu Größenkriterien für Unternehmen, zur Corona-Impfstrategie, Anfragen und Stellungnahmen zu Verpackungsrichtlinien und zu Arzneimittelknappheit: Das politische Wirken der 61-Jährigen ist abwechslungsreich.

Eine Netzwerkerin mit guten Verbindungen zur Wirtschaft

Und auffällig, ob man das als Kompliment oder Kritik verstehen will. Beobachtern gilt sie als Netzwerkerin. Ohne Ausschuss- oder Fraktionsvorsitz, aber eine, auf die man hört, wenn sie spricht. Und bei der sich Kritiker fragen: Auf wen hört eigentlich Angelika Niebler?

LobbyControl zum Beispiel. Der Verein mit Sitz in Köln will „Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären“. Angelika Niebler taucht in seinen Berichten immer wieder auf, weil sie sich gegen Gesetzesvorhaben stemmte, die der Verein als wichtig gegen Interessenverflechtungen erachtet.

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)

Etwa die EU-Lieferketten-Richtlinie, die Unternehmen in Sachen Menschenrechte und Nachhaltigkeit mehr in die Pflicht nehmen soll und die sie durch auffällig viele Änderungsanträge zu schwächen versuchte. Niebler kritisiert auf EZ-Anfrage den mit der Richtlinie verbundenen Verwaltungsaufwand.

LobbyControl sagt: Kein Fehlverhalten, aber mögliche Nähe zu ihren Neben-Arbeitgebern

Sie stimmte gegen ein neues, unabhängiges EU-Ethikgremium, das gegen Korruption und Interessenkonflikte in den EU-Institutionen vorgehen soll. Niebler sieht darin, wie die Mehrheit der (am Ende überstimmten) EVP-Fraktion eine Einschränkung der Gewaltenteilung, da Kommissionsbeamte Parlamentsabgeordnete kontrollieren könnten. Und gegen neue Transparenzregeln für politische Werbung habe sie gestimmt, weil diese Regeln auch für Kommunalwahlen gelten sollen, und nicht nur für europäische und nationale Abstimmungen, wo es sinnvoll sei.

Angelika Niebler (re.) mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jahr 2019 bei einer Tagung des Wirtschaftsbeirats der Union in München.
Angelika Niebler (re.) mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jahr 2019 bei einer Tagung des Wirtschaftsbeirats der Union in München. © B. Lindenthaler

Kopfzerbrechen bereiten ihren Kritikern auch Nieblers Nähe zur Wirtschaft und ihren vielen Nebentätigkeiten. Justiziables Fehlverhalten sei der Abgeordneten nicht nachzuweisen, betont LobbyControl-Sprechern Nina Katzemich. Doch über die gern an Mandatsträger vergebenen Aufsichtsrats- und Kuratoriumsposten sagt sie: „Es geht häufig darum, Insiderwissen und Kontakte abzugreifen, die dem Unternehmen nützen.“

Verwicklungen mit ihrem Mandat bestreiten auf Anfrage sowohl Angelika Niebler als auch die „TÜV Süd Stiftung“ und die LVM-Versicherungsgruppe, bei denen die Vaterstettenerin jeweils mehrere Tausend Euro im Monat verdient. Niebler habe einfach die nötige Expertise für den Job, heißt es sinngemäß.

Anwaltskanzlei äußert sich nicht - Niebler: „Transparenzvorschriften penibel eingehalten!“

Bei der internationalen Anwaltskanzlei Gibson Dunn & Crutcher, die der promovierten Juristin 4500 Euro für Beratertätigkeiten bezahlt, hat die Redaktion nachgefragt: Wie ihre Anwältin bei Tätigkeiten unter dem Siegel der anwaltlichen Schweigepflicht Interessenkonflikte vermeidet. No comment. LobbyControl kritisiert: „Niebler bringt immer wieder Änderungsanträge zu Gesetzen ein, die im Interesse ihrer Kund:innen als Anwältin sein könnten.“ Von außen sei das kaum zu beurteilen, das Europäische Parlament schaffe keine Abhilfe.

Niebler selbst betont, um informiert abstimmen zu können, treffe sie sich sowohl mit Vertretern aus der Wirtschaft als auch aus Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen. Und ihre Nebentätigkeiten seien samt und sonders legal und öffentlich dargelegt. „Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich die Transparenzvorschriften des Europäischen Parlaments stets penibel eingehalten habe“, schreibt sie der Ebersberger Zeitung. Und fügt hinzu: „Diese Feststellung hat noch nie jemand bestritten.“

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!