Impfpassfälscher will Sohn schützen - der wird wegen Geldwäsche verurteilt

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Bizarrer Auftritt: Ex-Heilpraktiker Holger G. bei seinem Prozess 2023 in München. © dpa

Der Vater in Fußfesseln und Handschellen, der Sohn gepflegt im Anzug: Der 72-Jährige tritt vor dem Amtsgericht als Zeuge auf, der 36-Jährige ist der Angeklagte: Im Fokus: ein gefälschtes Impfzertifikat.

Ebersberg – In Fußfesseln und Handschellen saß ein 72-Jähriger am Donnerstag, 23. Mai, vor dem Amtsgericht Ebersberg – nicht auf der Anklagebank, sondern im Zeugenstand.

Holger G., Ex-Heilpraktiker aus Unterhaching, sitzt eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten ab. Er hatte, offenbar in Zusammenarbeit mit einer Münchner Apotheke, mehr als 100 Corona-Impfpässe gefälscht, unerlaubt mit Medikamenten gehandelt und offenbar Patienten so fehlbehandelt, dass ihm dies eine Zusatzstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung einbrachte. Wegen seiner eigenen Medikamentensucht sitzt er in der forensischen Abteilung der kbo-Klinik Haar.

Vom Vater gefälschtes Impfzertifikat bekommen

Auf der Anklagebank saß an diesem Donnerstag sein Sohn. Der 36-Jährige aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg hatte von seinem Vater ein gefälschtes digitales Impfzertifikat bekommen. Seine Frage „Wann sind die Sachen fertig?“ in einem Handy-Chat zwischen den beiden ließ die Staatsanwaltschaft von einer „Anstiftung zur Ausstellung gefälschter Gesundheitszeugnisse“ ausgehen – eine Straftat. Verurteilt wurde der Mann, sehr zu Überraschung seines Verteidigers, aber schließlich wegen Geldwäsche.

Ex-Heilpraktiker nimmt die Schul

Der Vater nahm die Schuld auf sich. Er hätte seinen Sohn verstoßen, hätte dieser sich gegen das Coronavirus impfen lassen, sagte der Mann mit der wirren, weißen Mähne aus: „Er ist mein Stammhalter. In dem Moment, wo er sich impft, schändet er das Erbgut!“ Der Sohn, gepflegt und im Anzug das optische Gegenteil seines Vaters, ließ den Prozess über sich ergehen, ohne sich selber zur Sache zu äußern. Am Ende plädierte sein Verteidiger auf Freispruch. Dem folgte Richter Frank Gellhaus in Sachen Anstiftung, nicht aber beim Thema Geldwäsche.

Dass der Vater für den Sohn in die Bresche gesprungen war, entfaltete also nur teilweise Wirkung. In seinem Urteil, 130 Tagessätze Geldstrafe zu 30 Euro (macht 3300 Euro), argumentierte der Richter ähnlich wie die Staatsanwältin. Schließlich habe der Sohn in Form des digitalen Impfzertifikats einen Vermögenswert bekommen, der aus einer rechtswidrigen Tat stamme – für die die involvierte Apotheke auch noch bezahlt worden sei. Gegen zwei der mutmaßlich an den Taten des Seniors beteiligten Apothekerinnen soll im Sommer ein Urteil am Landgericht München fallen, hieß es am Rande der Verhandlung.

Kripo gibt Einblicke in Dimension des Betrugs

Einen Einblick in die Dimension des Impfbetrugs gab einer der Ermittler gegen Holger G. von der Kripo München. „Das hat zum Betrug aufgerufen“, sagte der Beamte im Zeugenstand über die anonymisierte und chaotische Abwicklung der Corona-Impfnachweise. „Deswegen sind jetzt auch so viele reich.“ Nicht so das Vater-Sohn-Duo, die angesichts des Prozesses nicht Teil einer möglicherweise hohen Dunkelziffer sind. Aber die Beamten hätten in dem Fall zigtausende E-Mails und Chatverläufe möglicher Kunden ausgewertet und auf einem Pferdehof im Münchner Osten ermittelt, der mutmaßlich als Umschlagplatz gedient habe. „Ein eingeschworener Haufen“, sagte der Ermittler über die entsprechende, äußerst verschwiegene Impfgegner-Szene dort. Viele Spuren seien ihrer anonymen Kommunikation wegen im Sande verlaufen.

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Den Vater brachten nach seiner Aussage zwei kräftige Klinik-Angestellte gefesselt zurück in die Psychiatrie. Der Sohn, der nicht vorbestraft ist und keinen nachweislichen Anteil an den Taten des Vaters hatte, kann gegen seine Geldstrafe noch eine Woche lang Rechtsmittel einlegen.

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