Treffen der Raritäten: Oldtimer mit „katholischen Bremsen“

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Ein paar hundert Kilometer legte Werner Thumm (am Mikrofon) zurück, um seine salbeigrüne Gillet Touriste, Baujahr 1921, in Sindelsdorf zu präsentieren. © Antonia Reindl

Es waren Schätze, die am Wochenende beim Oldtimertreffen des AMC Penzberg in Sindelsdorf zu bestaunen waren. Die meisten Fahrzeuge waren mindestens 100 Jahre alt – was zum Jubiläum des Motorsportvereins passt.

Eine Maschine wurde aus einem Schweinestall gezogen, eine andere in einer Scheune gefunden, wieder eine andere Stück für Stück am Schrottplatz zusammengesammelt. Wer eine Leidenschaft für Altes hegt, begibt sich nicht selten auf Schatzsuche. Gespür ist gefragt. Oft braucht es viel Glück oder hat der Zufall seine Finger im Spiel. Das wurde am Samstag im Pfarrgarten in Sindelsdorf deutlich. Dort glänzten wahre Schätze beim Oldtimertreffen des AMC Penzberg. Es war ein schönes Geschenk, das sich der Verein zu seinem Doppeljubiläum – 30 Jahre Oldtimertreffen, 100 Jahre AMC – machte.

Ein dröhnendes Geräusch, das sogar ein paar eiserne Motorenfreunde dazu bringt, sich die Ohren zuzuhalten: Zur Eröffnung des 30. Oldtimertreffens, bei dem rund 40 Raritäten zu sehen sind, wird ein PS-starkes Rennmotorrad angeworfen. Es rumort gewaltig. Dennoch bildet sich eine Traube um die Maschine aus dem Haus Brough Superior.

AMC Penzberg - Oldtimer Oldtimertreffen Oldtimerfreunde - Sindelsdorf - Eine wertvolle Patina hat diese fast 100 Jahre alte Victoria mit zeppelinförmigem Beiwagen.
Eine wertvolle Patina hat diese fast 100 Jahre alte Victoria mit zeppelinförmigem Beiwagen, einer der historischen Fahrzeuge beim Oldtimertreffen in Sindelsdorf, das der AMC Penzberg zu seinem 100-jährigen Bestehen veranstaltete. © Antonia Reindl

„Quasi eine Premiummarke“, sagt Sindelsdorfs Bürgermeister Andreas Obermaier. Auch er hat Oldtimer aus seinem „Stall“ mitgebracht. Seine babyblaue Victoria KR1 mit BMW-Motor etwa. Von der Maschine sei einst nicht mehr viel da gewesen, erzählt er. Auf einem Schrottplatz sammelte er Rahmen, Zylinder, Motor und Co. ein. Mit Helmut Schmidtner, organisatorischer Kopf des Oldtimertreffens, fügte er alle Teile zusammen. „Ohne Helmut hätte ich das nicht geschafft.“ Das Gefährt kommt nun auf eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 95 Stundenkilometern. Neben der Victoria parkt Obermaiers A.J.S. Nicht irgendeine, sondern das Motorrad, das schon bei der allerersten Ausfahrt des Vereins Ende der 1920er Jahre knatterte. Zur Linken der Victoria steht ein Gespann derselben Marke. Obermaier gefällt der Nachbar. Das Motorrad mit zeppelinförmigem Beiwagen gehört Sebastian Marquardt. Der Lack glänzt nicht wie bei Obermaiers KR1. „Eine leicht rostige Patina sei mehr gefragt als ein komplett restaurierter Zustand“, sagt der Bürgermeister.

AMC Penzberg - Oldtimer Oldtimertreffen in Sindelsdorf - Oldtimerfreunde - Die Kirchsteinstraße hinauf: Das älteste Fahrzeug, das vierrädrige Benz Velo, geht den Anstieg gemächlich an.
Die Kirchsteinstraße hinauf: Das älteste Fahrzeug, das vierrädrige Benz Velo, geht den Anstieg gemächlich an. © Antonia Reindl

Die meisten Fahrzeuge des Oldtimertreffens sind mindestens 100 Jahre alt. Manche etwas jünger. Ein besonders bejahrtes Gefährt beansprucht in der Mitte des Pfarrgartens seinen Platz: ein Benz Velo, Baujahr 1896. „Überall sind wir mit dem Benz schon rumgefahren, in ganz Europa“, erzählt Christoph Schmidt, der das Automobil selbst auseinandergebaut und repariert hat. „So ein Fahrzeug zu sehen, das ist ein Highlight“, sagt Schmidtner, der aus seinem eigenen Fuhrpark mehrere Raritäten mitgebracht hat, darunter eine 101 Jahre alte Velocette mit einem tiefen Einstieg für Damen.

Schon 120 Jahre auf dem Sattel hat Horst Kletts Achilles 3 ½ HP von Schneider & Co. Ab 1970 hat er die Achilles etwa zehn Jahre lang mit Oberflächenvergaser gefahren. Dann sei ihm der Vergaser „um die Ohren geflogen“ und er habe das Fahrzeug umgerüstet. Rund 30 000 Kilometer hat er mit dem Gefährt schon zurückgelegt. Die Achilles ist aber nicht anspruchslos. Auf eine Stunde Fahrtzeit folgen zwei Stunden Pflege, so Klett, der beinahe wie ein Ornithologe bei der Vogelstimmenlehre klingt, wenn er sagt: „Wenn ihr hier in der Umgebung mal ein Töff Töff Töff hört, könnte das eine Achilles sein.“ Ein Knattern bekommt man bei Peter Nick zu hören, der nach kurzem Kurbeln seine Royal Enfield 190, Baujahr 1919, angeworfen hat. Das ging nicht immer so leicht. Ein Jahr habe er gebraucht, um herauszufinden, „wie man sie richtig anbekommt“. Wie viel PS die Maschine hat? Laut angehängtem Steckbrief „genug“.

Kuriosität mit großem Wasserdurst

„Für unser Hobby werden wir oft belächelt“, sagt Schmidtner. Man bekomme zu hören, dass man sich mit altem Zeug beschäftige und die Umwelt verschmutze. Der Penzberger sieht dagegen die Nachhaltigkeit. Es sind alte Fahrzeuge, die eigenhändig repariert werden und sehr lange gefahren werden. Dass das Mühe erfordert, mag wohl niemand bestreiten. Und manches ist mit Vorsicht zu genießen. Den Oberflächenvergaser kann man, lauscht man den Geschichten, wohl dazu zählen. Und bei alten Fahrzeugen „haben wir katholische Bremsen: Du musst dran glauben“, scherzt Schmidtner.

Fast zwei Stunden lang wird jede Rarität vorgestellt. Etwa Rudolf Langs wasserdampfgetriebenes Motorrad. Rund fünf Jahre Arbeit stecken in dem Eigenbau. Das Gefährt hat ganz schön Durst. Etwa ein Dreiviertel Liter Wasser benötigt es pro Kilometer. Da ist Schmidtners gut 100 Jahre alte Flottweg I B genügsamer: „ein Stamperl Öl und 0,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer“, sagt er. Die Fahrer drehen auch mehrere Runden durch Sindelsdorf. Als es die Kirchsteinstraße hinaufgeht, lassen sich die Unterschiede in den Pferdestärken und manches Alter nicht leugnen. Doch hinauf kommen alle.

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