Das Oldtimertreffen des AMC Penzberg in Sindelsdorf am kommenden Samstag, 5. Oktober, ist ein besonderes. Das Treffen feiert heuer sein 30-jähriges Bestehen und der Club wird 100 Jahre alt. Helmut Schmidtner, seit 55 Jahren AMC-Mitglied, gewährt Einblicke in die Vereinsgeschichte.
114 Jahre ist das britische Seitenwagengespann alt. Helmut Schmidtner öffnet das Lederköfferchen des Motorrads. Ein Büchlein liegt darin. „Das Neue Testament“, sagt er lächelnd. Das hat ihn einmal ein Mann, ebenfalls mit Benzin im Blut, zugeschickt. Die Schrift soll Schmidtner Glück bringen, so der Gedanke hinter der Zusendung. Der Vorbesitzer glaubte daran. Ob das hilft? Wer weiß. Schmidtner hat das Büchlein jedenfalls am Samstag dabei.
Glück, ob nun mit oder ohne Bibel im Gepäck, hatte Helmut Schmidtner mit seiner Clyno in der Vergangenheit durchaus. Etwa, als er mit Maschine, Rucksack und Werkzeugkiste über 1200 Kilometer von Flensburg nach Oberstdorf bewältigte. Denn damals war das Gefährt schon 99 Jahre alt. 100 Jahre und älter sind die Motorräder, die beim Oldtimertreffen am 5. Oktober in Sindelsdorf zu sehen und hören sein werden.
Erstes Oldtimertreffen fand vor 30 Jahren statt
Das erste Oldtimertreffen organisierte der AMC Penzberg vor 30 Jahren zum 75. Jubiläum der Stadt Penzberg. Gar nicht so viel jünger als Penzberg ist der AMC: 1924 wurde dieser gegründet. Schmidtner, seit 1969 Clubmitglied, schlägt einen dicken Ordner auf. Alte Fotos sind darin zu finden. Und Informationen, fein säuberlich mit der Schreibmaschine festgehalten. Vor 100 Jahren sei der Motorclub Penzberg „eigentlich als Ableger der Solidarität“ gegründet worden, erzählt er. Gründungsinitiator war der Kaufmann Jakob Dellinger aus Schönmühl. Über die Jahre war Dellinger mehrmals Vorsitzender. Die Gründungsmitglieder des MC gehörten zu den „privilegierten Leuten“, sagt Schmidtner. Das ist auch auf den alten Fotos zu erkennen. Geschäftsmänner in schicken Gewändern. In den Zwanzigerjahren musste man sich Motorisiertes erst einmal leisten können.
Vier Jahre nach der Gründung folgte eine Sternfahrt nach Monaco, 1929 eine Club㈠ausfahrt nach Pisa, Florenz und Venedig. Schmidtner malt sich aus, wie abenteuerlich solche weiten Touren mit den Straßenverhältnissen damals gewesen sein müssen. Einen Helm trug man trotzdem nicht. Der Penzberger deutet auf ein sepiafarbenes Foto: Es zeigt drei Männer beim Halt in San Remo. „Da fuhr man mit Kappis.“ Dann wandert sein Finger auf das Motorrad des Trios. Eine A.J.S., die „gibt es heute noch“. In dem Ordner findet sich auch eine unvollständige Liste mit den Veranstaltungen seit Ende der Zwanzigerjahre.
Neben Orientierungsfahrten, Fuchsjagden und Heimatausfahrten sind Skijörings an der Stadthalle, am Huberer Weiher oder an der Berghalde, ein Schaufahren am FC-Fußballplatz, Geländerennen in Staltach, Trials in Nantesbuch und Auto-Cross in Zachenried aufgelistet. Beim Aschenbahnrennen um die Stadthalle 1950 findet sich eine Notiz, aus der hervorgeht, dass das Rennen keinen guten Ausgang für den Rathauschef respektive dessen Hund nahm: „Dabei wurde der Dackel vom Bürgermeister totgefahren.“
Keine eigene Motocross-Rennstrecke
Was die Vereinsaktivitäten heute anbelangt, so meint Schmidtner, dass man sich an Veranstaltungen anderer Vereine und Verbände beteiligt. Ferner organisiert man die Oldtimertreffen, das Skijöring ist nach wie vor Thema, aber extrem wetterabhängig, und die Sparte Motocross gibt es auch noch, wenngleich ohne eigenes Trainingsgelände, ohne eigene Rennstrecke. 30 Jahre lang verfügte der AMC über ein Motocross- und Enduro-Gelände in Dürnhausen. 2014 kam das Aus. Man habe nach einem neuen Areal gesucht, aber keines gefunden, sagt Schmidtner. Zu seinem 100-jährigen Jubiläum ließ der AMC die alten Motocross-Zeiten an anderer Stelle noch einmal aufleben, mit einem einmaligen Wettbewerb in der Kiesgrube in Sindelsdorf im vergangenen Sommer.
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Seit dem Aus des Motocross-Geländes sei die Zahl der Mitglieder etwas rückläufig, sagt Schmidtner. Das Einende, die Begeisterung, ist jedoch ungebrochen. Die Mitglieder verbindet die Leidenschaft für Kraftfahrzeuge, Technik und Motorsport, aber auch der kameradschaftliche Gedanke.
„Gut, dass es weitergeht“
An Nachwuchs mangelt es nicht. „Gut, dass es weitergeht“, findet der Penzberger. Es gab aber auch Zeiten, in denen es nicht weiterging. In der NS-Zeit wurde der Verein, wie viele andere, über mehrere Jahre verboten. Und in den Siebzigerjahren stand nach mau besuchten Monatsversammlungen die Auflösung im Raum. Dann wurde der Name, quasi zum besseren Verständnis, geändert und ein A für Auto vor MC gesetzt. „Ein paar wollten, dass das ergänzt wird“, sagt Schmidtner. Der Verein sei aber eigentlich schon immer „motorradlastig“ gewesen.
Die vergangenen Jahrzehnte bescherten dem AMC einige Höhepunkte. Für Schmidtner ist die Windmill-Trophy 2008 in Penzberg eines der größten. Zuerst habe niemand gewusst, „wo Penzberg ist“, sagt er. Nach der Europameisterschaft der historischen Räder sah das anders aus. Ein weiteres Highlight war das Oldtimertreffen 2014, an dem sich das BMW-Werksmuseum beteiligte. „Zehn Jahre hatten wir darauf hingearbeitet.“
Für das Oldtimertreffen anlässlich 100 Jahre AMC und 30 Jahre Oldtimertreffen am kommenden Samstag liegen Schmidtner bereits rund 30 Anmeldungen aus Deutschland und Österreich vor. Es werden Fahrzeuge zu sehen sein, von denen es weltweit nur noch ein Exemplar gibt. Das älteste Gefährt ist eine fahrradähnliche Rarität aus dem Jahr 1898.
Zu viel möchte Schmidtner zu den Fahrzeugen nicht verraten, des Überraschungseffektes wegen. Keine Überraschung ist aber das Alter, das die Oldtimer haben sollten: Ein Jahrhundert ist das Minimum.
Oldtimertreffen in Sindelsdorf
Das Oldtimertreffen für historische Motorräder bis Baujahr 1924 findet am Samstag, 5. Oktober, in Sindelsdorf statt. Um 10 Uhr treffen die Teilnehmenden im Pfarrgarten ein. Ab 10.30 Uhr werden die Fahrzeuge und ihre Besitzer vorgestellt. Nach dem Mittagessen im Gasthof zur Post startet um 13.30 Uhr eine moderierte Parade durch den Ort. Um 15 Uhr geht es dann zurück in die Post zum gemütlichen Beisammensein mit Musik. Am Sonntag, 6. Oktober, um 10 Uhr starten die historischen Maschinen am Gasthof dann ihren Ausflug zum Walchenseekraftwerk, das, genau wie der AMC, heuer sein 100-Jähriges feiert.