Aussage im ZDF - Windkraft "nicht wettbewerbsfähig?" Die wundersame Weidel-Rechnung

Es ist einer der ältesten Mythen zur Energiewende: Sie ist teuer und ohne Subventionen könnte man sich das gar nicht leisten. Atomkraft hingegen, die ist günstig. Diese Aussagen verbreitet nun auch wieder AfD-Chefin Alice Weidel: Am Donnerstagabend stellte sie sich in der ZDF-Wahlsendung “Klartext” den Fragen des Publikums. Dabei fiel sie immer wieder mit Falschaussagen auf: Windkraft sei teurer als Kohlestrom, Deutschland hätte die höchsten Strompreise weltweit und die Energiewende sei “Planwirtschaft”. Was hat es damit auf sich?

Weidel in ZDF-Sendung: “Energiewende hat Strompreise verteuert”

Weidel stellte sich auch Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Einer davon: Wolfgang Stapelfeldt, Landwirt, CDU-Mitglied und Betreiber eines großen Bürger-Windparks an der Nordseeküste. Hinsichtlich Weidels Forderung, Windkraft abzuschaffen, fragte er, wie die AfD dann die Stromerzeugung von 34 Prozent in Deutschland und die Einnahmen der Gemeinden ersetzen wolle. Stapelfeldt erklärte, dass sein Windpark Strom für zwischen sieben und neun Cent je Kilowattstunde direkt verkaufe und verglich dies mit dem Preis für Kohlestrom, durchschnittlich etwa 25 Cent je Kilowattstunde.

Weidels Antwort: Man müsse dabei von zehn Cent Subvention ausgehen und die tatsächlichen Kosten lägen dann bei 17 Cent pro Kilowattstunde. Damit sei man "nicht mehr wettbewerbsfähig". In der Sendung forderte sie daher ein Ende der Subventionen für Erneuerbare Energien und die Rückkehr zur Atomkraft - eine Forderung, die sich auch im Wahlprogramm der AfD findet.

Check Nr. 1: Werden Erneuerbare Energien subventioniert?

Lion Hirth, Energieexperte und Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, sieht diesen Plan kritisch. Gegenüber FOCUS online Earth schreibt er: “Der Zuschauer hat einfach Recht. Strom aus Windparks in Deutschland kostet heute sieben bis neun Cent pro Kilowattstunde. Strom aus Solarparks sogar nur rund fünf Cent.”

Dass dabei noch zehn Cent Subvention dazukämen, lässt sich nicht überprüfen, denn Weidel erklärt nicht, wie sie auf diesen Betrag kommt. De facto existiert ein Zuschuss für Windkraft, erklärt Leonhard Probst, Ingenieur am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Den erhält ein Anlagenbetreiber, wenn der Erlös aus dem Verkauf am Day-Ahead-Markt (dort wird Strom für den Folgetag gehandelt) einen bestimmten Wert unterschreitet. Für Onshore-Windkraft betrug dieser Zuschuss laut aktueller Abrechnung von 2023 etwa 1,4 Cent je Kilowattstunde.

“Dieser Wert steigt bei sinkenden Strompreisen und sinkt bei steigenden Strompreisen”, so Probst.

Ein Zuschuss von zehn Cent, wie Weidel es im ZDF behauptete, existiert demnach nicht. Doch selbst wenn jeder Haushalt 10 Cent für die EEG-Umlage draufzahlen müsste, wären Wind- und Solarstrom nach wie vor günstiger als Kohlestrom.

Immer mehr Windkraft auf See.
Immer mehr Windkraft auf See. Sina Schuldt/dpa

Check Nr. 2: Verteuert die EEG-Umlage den Strompreis?

Weidels Behauptung, deutsche Strompreise seien nicht wettbewerbsfähig, stützt sie auf das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG): "Das EEG hat unsere Strompreise extrem teuer gemacht, wir sind die Teuersten weltweit und wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Steuerzahler muss die Zeche über das EEG-Gesetz zahlen”, sagte sie in der ZDF-Sendung.

Weidel bezieht sich dabei vermutlich auf die EEG-Umlage. Es handelt sich dabei um die Differenz zwischen Kosten, die bei der Förderung Erneuerbarer Energien entstehen und dem Erlös, der mit Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Grob gesagt: Wer in Deutschland grünen Strom erzeugt und in das Netz einspeist, erhält dafür eine sogenannte Einspeisevergütung. Diese Vergütung ist je nach Quelle, Anlage und Größe unterschiedlich. Für die Zahlung der EEG-Umlage gibt es Ausnahmeregelungen, zum Beispiel für stromintensive Unternehmen. Daher müssen unter anderem Privathaushalte die Umlage über ihre Stromrechnung mittragen.

Weidel zufolge seien dies “bis heute 500 Milliarden [Euro] gewesen, mit dem Netzausbau kommen noch Unsummen dazu". Diese Aussage kann nicht überprüft werden, da über die genaue Höhe der EEG-Umlage seit ihrer Einführung keine Daten vorliegen. Auf welche Quelle sich die AfD-Kandidatin bezieht, wird aus dem Beitrag nicht klar.

Solarpark bei Erftstadt (Nordrhein-Westfalen): Was hilft der deutschen Solarindustrie?
Solarpark bei Erftstadt (Nordrhein-Westfalen): Was hilft der deutschen Solarindustrie? Ina FASSBENDER / AFP

Check Nr. 3: Sind Deutschlands Strompreise weltweit am höchsten?

Ein wichtiger Punkt fehlte in der Sendung allerdings: Die EEG-Umlage wurde zum 1. Juli 2022 abgeschafft. Probst zufolge existiert daher “kein direkter Zusammenhang mehr zwischen Strompreis und EEG.” Vielmehr senken Erneuerbare Energien inzwischen den Strompreis, weil die Bundesrepublik dank ihnen weniger Energie in teureren fossilen Kraftwerken erzeugt. Um die Strompreise kurz- und mittelfristig zu senken, brauche es daher einen “zügigen Ausbau von Wind- und Solarenergie”, so Probst.

Hat Deutschland nun also die höchsten Strompreise weltweit? Zahlen aus dem Jahr 2024 zeigen: Nein. Auf Platz 1 liegt Italien, rund 43 Cent je Kilowattstunde werden fällig. Auf Platz zwei liegt Irland mit 41 Cent, gefolgt von Dänemark mit 36 Cent. Deutschland liegt auf Platz fünf: Durchschnittlich 35 Cent, müssen deutsche Verbraucher zahlen. Strompreise unterliegen jedoch immer Schwankungen, je nach Jahreszeit oder politischer Lage: 2023 wurden in Irland 52 Cent fällig, was vor allem der hohen Abhängigkeit von Gas geschuldet war. 

Check Nr. 4: Ist Atomkraft günstiger?

Die Rückkehr zur Atomkraft ist ein Kernthema der AfD, und genau das bekräftigte Weidel am Donnerstagabend: "Wir haben sechs Kernkraftwerke in Deutschland, die vor zwei Jahren abgeschaltet wurden. Wir sollten diese wieder in Betrieb nehmen, um günstigen Strom und vor allem mehr Strom zur Verfügung zu haben."

Ob mit der Rückkehr zur Atomkraft der Strom tatsächlich günstiger wird, bezweifelt Hirth. “In Frankreich wurde gerade ein neues Atomkraftwerk gebaut, das hat 24 Milliarden Euro gekostet. Das macht 14 Cent pro Kilowattstunde, also zwei- bis dreimal Mal so viel wie Wind- oder Solarstrom”, so der Energiepolitikexperte. “Die im Rückbau befindlichen Atomkraftwerke wieder ans Netz zu bringen, ist technisch schlicht unrealistisch.” Diese Meinung teilt auch der Aufsichtsratschef von Siemens, Joe Kaeser. Gegenüber dem ZDF urteilte er: "Es gibt kein einziges Atomkraftwerk auf der Welt, das sich ökonomisch rechnet."