TV-Kolumne zum „Klartext!“ im ZDF - Weidel feiert abgelehnte Asylbewerberin, Habeck gesteht Fehler ein - und Merz überzeugt

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FOCUS online/Wochit „Man geht aneinander vorbei“: Habeck lässt Weidel im Studio abblitzen
Freitag, 14.02.2025, 07:44

Kritik nimmt der Kanzler nur zur Kenntnis, wenn es um die Leistung der Ampel-Koalition geht. So kennen wir das. Dafür überrascht Alice Weidel mit einer Art Willkommenskultur für eine Asylbewerberin, die nur mehr geduldet wird. Da reibt sich der Zuschauer von „Klartext!“ im ZDF dann doch die Augen.

- Die ganze Sendung zum Nachlesen finden Sie hier.

Was für ein Tag, der in diesen ZDF-Abend mündet. München erleidet einen Auto-Anschlag . Ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan rast ins Ende eines Demonstrationszuges. 28 Menschen verletzt, zwei kämpfen um ihr Leben, darunter ein Kind. Machen wir mit den Zahlen weiter. Es ist zehn Tage vor der Wahl . 120 Gäste sitzen im Studio. Vier Kandidaten stellen sich ihren Fragen. Viermal 30 Minuten Zeit bekommen Olaf Scholz, Robert Habeck, Alice Weidel und Friedrich Merz, um Wähler zu überzeugen und umzustimmen. All das ist streng durchgetaktet. „Falls Sie noch keine Entscheidung getroffen haben, Sie sind richtig im ZDF“, versprechen die Moderatoren gleich zu Beginn. Und das Finale? Das wird Friedrich Merz sehr entschieden für sich nutzen.

Der Kanzler der Vergangenheit verspricht für die Zukunft

Bundeskanzler Olaf Scholz, lernt der Zuschauer, hat alles richtig gemacht. Das gilt für seine drei Jahre Amtszeit. Das soll noch mehr gelten für die vier Jahre Amtszeit, um die er sich am 23. Februar bewirbt. Und damit sind wir mitten im Problem, das der Bundeskanzler der Vergangenheit hat mit seinen Versprechen für die Zukunft. Warum sollte eigentlich sollte urplötzlich alles besser werden, wenn er tatsächlich wiedergewählt wird?

Wenn etwas nicht klappt? Die Schuld der anderen

Der Kanzler ist toll. Die Regierung hatte Schwächen. Das sind die Antworten, die der Zuschauer bekommt. Dass seine Regierung das Ziel, 400.000 Wohnungen zu bauen, gnadenlos gerissen hat und, mehr noch, der Wohnungsbau von Januar bis November 2024 noch einmal um 21,8 Prozent eingebrochen ist? „Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine“, erklärt Olaf Scholz. Und was sonst noch nicht funktioniert hat? Das liegt an der Ampel. Gerade dieser Grund kommt in Endlosschleife. Zum Schluss versichert der Noch-Kanzler seine Noch-Zuversicht: „Sie sehen mich hier, weil ich gewinnen will!“

Habeck kommt als die wandelnde Fehlerkultur

Der Wechsel vom Ampel-Kanzler zum Ampel-Koalitionspartner Robert Habeck läuft dann reibungslos.

„Wir duzen uns schon lange. Wir mögen uns auch“, sagt Scholz über Habeck. „Der bestätigt: Wir haben uns gut verstanden.“ Und doch positioniert sich der Grünen-Kandidat als Gegenentwurf zu Scholz. Er spricht bereitwillig von seinen Fehlern. Einen musste er schon zugeben mit dem Heizungsgesetz. Einen zweiten thematisiert er in der ZDF-Sendung ausführlich. Es geht um den Stopp der Förderung für Elektromobilität. „Ich wusste nicht, was das für ein Fehler war“, gibt Habeck zu, „der psychologische Effekt war so hart!“ Weil er sich so üppig Asche übers Haupt kippt, gibt es auch Lob aus dem Publikum. Da macht sich Moderatorin Bettina Schausten verdient. Sie weist Habeck darauf hin, dass diese Masche nicht dauerhaft funktioniert, Fehler hinterher einfach zuzugeben. Der Zuschauer lernt: Es wäre irgendwie schon besser, vorher Fehler zu vermeiden.

Habeck im ZDF
Habeck im ZDF
 

„Der Baum brennt“, sagt der Mann aus dem Mittelstand

Und was weiß der Wirtschaftsminister über Wirtschaft? „Der Baum brennt“, wirft ihm ein Mittelständler vor, „was sind Ihre Pläne, um die Arbeitsplätze im Mittelstand zu erhalten?“ Zwei Gründe für die aktuelle Misere bringt Robert Habeck mit. Die Energie ist teuer. Mit USA und China fallen zwei Exportmärkte weg. Und das Rezept dagegen? „Schnellere Verfahren, 25 Prozent weniger Vorschriften, mehr Menschen in Arbeit bringen, Investitionsprämie, Sondervermögen, um in die Gänge zu kommen.“

Weidel sagt: Abschieben, nicht dulden

Die Einigkeit endet mit der nächsten Kandidatin. Bei Alice Weidel geht es wieder um den Anschlag in München. „Es ist immer wieder das gleiche Schema“, klagt sie und macht Stimmung: Der Mann bezieht seit 2016 Sozialleistungen, wird mehrmals straffällig, sein Asylantrag ist abgelehnt, er wird aber nicht abgeschoben. „Mit einer AfD-Regierung wäre der Mann nicht ins Land gekommen und schon lange nicht mehr hier.“ Den Duldungsstatus, der ihm das Bleiben in Deutschland ermöglicht hat, will sie abschaffen.

Weidel sagt: Nicht abschieben, sondern „wow!“

Das klingt nach Sicherheit. Doch dreht sich Alice Weidel dann schneller als jedes Windrad, das sie umlegen will. Im Publikum sitzt: eine abgelehnte Asylbewerberin. Die hat – wie wohl auch der Attentäter von München – einen festen Arbeitsplatz. Und wie reagiert die AfD-Kanzlerkandidatin? In diesem Fall will sie nicht abschieben, ganz im Gegenteil. „Wow“, sagt Weidel, „toll!“ Gerade noch wollte Alice Weidel den Duldungsstatus abschaffen, jetzt spült sie weich. „Sie sind so qualifiziert, Sie machen einen tollen Eindruck, Sie sprechen Deutsch – diese Frau hätte gar keinen Asylantrag stellen müssen. Sie wäre herzlich willkommen.“ Einen abgelehnten Asylbewerber in Arbeit empört abschieben, eine abgelehnte Asylbewerberin in Arbeit mit offenen Armen aufnehmen? Da reibt sich der Zuschauer dann doch die Augen, bei dem, was Alice Weidel für ihre AfD verspricht.

Merz zieht die Brandmauer höher

Das Finale gehört Friedrich Merz. Alice Weidel und er reichen sich die Hand. Das gilt nur für sie auch im übertragenen Sinn. Diese Annäherung lehnt Merz entschieden ab. „Ich höre aus der AfD immer nur, dass sie die CDU zerstören will“, kontert der CDU-Kanzlerkandidat Weidels politische Offerte. „Wir haben eine Entscheidung getroffen: mit Ihnen nicht!“ Da legt Merz zumindest verbal noch ein paar Ziegel mehr auf die Brandmauer. „Wir müssen den Brand hinter der Mauer löschen“, fordert der CDU-Kandidat.

CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz im Bürgergespräch beim ZDF-Klartext
ZDF CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz im Bürgergespräch beim ZDF-Klartext
 

Dafür müssten die Probleme des Landes gelöst werden – und zwar schnell und schon in der nächsten Legislaturperiode. „Ich habe das Vertrauen, dass uns das gelingt.“ Mit dem Verweis auf den Beginn der Sicherheitskonferenz in München an diesem Freitag und die Rede des US-Vizepräsidenten Vance malt er ein neues Schreckgespenst an die Wand. Er sei schon informiert über den Inhalt. Er hoffe, auf dessen Ankündigungen habe sich die aktuelle Regierung sorgfältig vorbereitet. Aus seiner Arbeitszeit außerhalb der Politik in zwei US-Firmen habe er über die amerikanische Kultur gelernt: „Wenn Sie als Zwerg kommen, werden Sie als Zwerg behandelt.“ Das ist dann wohl auch in der heißesten Phase dieses Wahlkampfs nicht die Anspielung des 1,98 Meter großen Merz auf die 170 Zentimeter von Olaf Scholz.