Auch Deutschland - Wichtige Klimafrist lief Montag ab – 185 Staaten ignorierten sie

Neun Monate vor der COP30 im brasilianischen Belém hat das ernsthafte Ringen um das Ergebnis dieser Konferenz zu Finanzierung und nationalen Klimaplänen begonnen. Während an der UN-Frist zur Abgabe neuer nationaler Klimapläne (NDCs) am 10. Februar nur gut ein Dutzend der knapp 200 Staaten ihre Pläne eingereicht hatten, hat die zuständige Behörde UN Climate Change (UNFCCC) diese Frist informell bis September verlängert – und setzt auf offensiven Optimismus. Experten erwarten, dass wichtige Entscheidungen zu den NDCs erst im Sommer 2025 fallen werden.

Eigentlich sollten bis zum 10. Februar – neun Monate vor Beginn der COP30 – alle UN-Staaten ihre NDCs für die Zeit von 2030 bis 2035 vorlegen. Das haben (Stand 09.02.) laut UNO bisher 13 Staaten getan. Unter ihnen sind nur die USA und Brasilien als Schwergewichte und nur Großbritannien als vorbildliches Land für den 1,5-Grad-Pfad – und das NDC der USA ist nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump für die US-Bundespolitik praktisch wertlos.

Die schwierige Großwetterlage

Nur für 17 Prozent aller Emissionen und acht Prozent der Weltbevölkerung gibt es damit pünktliche 2035er-Pläne. „Bisher haben die Regierungen nicht das erfüllt, was sie vor zehn Jahren [beim Abschluss des Pariser Abkommens, Anm. d. Red.] versprochen haben“, kritisiert Bill Hare vom Climate Action Tracker (CAT), „die Welt mit dem erforderlichen Tempo auf einen Pfad zu 1,5-Grad zu bringen“. Nötig sei auch eine Verschärfung der 2030er-NDCs, die aber bisher keines der Länder vorsehe.

Die Zurückhaltung der Staaten hat mit der geopolitischen Großwetterlage zu tun. Denn diese hat sich auch beim Klimaschutz deutlich eingetrübt:

  • Die USA unter Trump wollen das Pariser Abkommen verlassen. Die Trump-Regierung attackiert und streicht Finanzierung für US-Behörden und Forschungsinstitute, was auch die internationale Klimakooperation beschädigt. Das Ende für die US-Entwicklungshilfe USAID trifft auch die Finanzierung von Klimahilfen.
  • Eine wachsende Front von EU-Staaten fordert von der EU-Kommission Regeln, um den Green Deal zurückzudrehen oder zu verzögern, etwa bei den CO₂-Flottengrenzwerten für Pkw.
  • Unsicherheiten über mögliche Handelskriege treffen auch den Handel mit Klimaschutz-Gütern.
  • Bis zur COP30 führt offiziell Aserbaidschan als UNFCCC-Präsidentschaft die Verhandlungen. Die Verhandlungsführung hat sich bei der COP29 in Baku bei vielen Fragen unwillig, überfordert und aggressiv gezeigt.
  • Ein Finanzfahrplan zum Erreichen der in Baku beschlossenen Ziele (Hilfen aus den Industriestaaten von 300 Milliarden Dollar jährlich ab 2035, 1,3 Billionen Investment insgesamt) zeichnet sich derzeit noch nicht ab und soll als „Road Baku to Belém“ erst zum Jahresende kommen.

Neue Deadline: "Spätestens bis September"

Trotz dieser Unsicherheiten verbreitet Simon Stiell, Exekutivdirektor von UN Climate Change, Optimismus: Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen sei die erwartete Erderhitzung von fünf auf etwa drei Grad zurückgegangen, auch wenn das noch „gefährlich hoch“ sei. Stiell sieht den Siegeszug der Erneuerbaren als unaufhaltsam an – und mahnt die USA, wer jetzt aussteige, riskiere ökonomische Verluste gegenüber den Konkurrenten: „Ein Land mag einen Schritt zurück machen“, sagte Stiell, „aber andere nehmen dessen Platz ein, um diese Gelegenheit zu ergreifen.“ Immer mehr Länder und Unternehmen erkennen laut Stiell, dass es in ihrem Selbstinteresse ist, beim Klimaschutz zu handeln.

Wichtiger als schnelle Klimaziele sind der UNO gute NDCs. Denn die ursprüngliche Idee im Pariser Abkommen, die NDCs neun Monate vor ihrem Beschluss auf der COP30 vorzulegen, war: Dann können die Staaten sie noch einmal überarbeiten und verbessern. Das passiert aber wohl ohnehin nicht. Auch deshalb erweitert Stiell die Deadline für die NDCs praktisch um ein halbes Jahr: „Das Sekretariat braucht sie spätestens im September auf seinem Schreibtisch, um den Synthesebericht fertigzustellen.“

Zurückhaltung hat gute Gründe

In diesem Bericht fasst die Behörde zusammen, welche kollektive Klimawirkung aus den nationalen NDCs folgen wird – und kam 2024 zu dem ernüchternden Ergebnis, die NDCs würden bis 2030 nur zu einem Rückgang der CO₂-Emissionen um 2,6 Prozent gegenüber 2019 führen. Dabei ist laut IPCC klar, dass die globalen Emissionen sich bis 2030 halbieren müssen, um die 1,5-Grenze einzuhalten.

Die Zurückhaltung vieler Länder bei ehrgeizigen Klimazielen hat ihre Gründe:

  • Die EU ist klimapolitisch durch politische Krisen in Frankreich und Deutschland kaum handlungsfähig. Die polnische Ratspräsidentschaft will ein neues EU-Klimaziel von minus 90 Prozent bis 2040 nicht als Argument für die rechtspopulistische Opposition im Präsidentschaftswahlkampf groß machen. Und immer mehr konservativ regierte Länder wehren sich gegen den Green Deal der Kommission.
  • China werde sicher abwarten, wie sich die USA unter Trump bei Klima und Handelsfragen positionieren, ehe es sein NDC abgibt, sagt Li Shuo, Experte des Washingtoner Thinktanks Asia Society. China werde mit seinem NDC außerdem wohl der EU den Vortritt lassen. Und wie eine mögliche engere Kooperation Chinas mit der EU in der Klimapolitik aussehen kann, die von halboffizieller Seite in China gefordert wird, ist unklar.
  • Viele Entwicklungsländer, gerade in Afrika, geben in ihren NDCs zwei mögliche Entwicklungspfade für Emissionsreduktion und den grünen Umbau an: Ein Weg ausschließlich mit eigenen Mitteln und einen mit deutlicher finanzieller und technischer Unterstützung der Industriestaaten. Viele NDCs sind auf diese Weise „konditioniert“. Bei der Unklarheit über die Klimafinanzierung halten sie ihre Planungen möglichst lange zurück.

Wichtiger als der Zeitplan sei die Qualität der NDCs, betont auch Petter Lydén von Germanwatch. Denn die NDCs für 2035 sollen laut Beschluss der COP28 zum ersten Mal, wie im Pariser Abkommen vereinbart, als Konsequenz des „Global Stocktake“ möglichst einheitlich und umfassend den Umbau der gesamten Volkswirtschaften darstellen. „Die NDCs müssen beschreiben, wie sich die wirtschaftliche Realität verändern wird. Wer keine solchen langfristigen Investitionspläne macht, der verliert den Anschluss. Wir sehen das zum Beispiel gerade bei der deutschen Autoindustrie“, sagt Lydén.

Von Bernhard Pötter

Das Original zu diesem Beitrag "NDCs: Warum die UNO die Frist für Klimapläne inoffiziell verlängert" stammt von Table.Briefings.